„From the river to the sea…” – ein Fall des § 86a I Nr. 1 Var. 3 StGB?

Zugleich Anmerkung zu LG Mannheim, Beschluss v. 29.5.2024 – 5 Qs 42/23 und LG Berlin I, Urteil v. 8.11.2024 – 502 KLs 21/24

Reference: NSW 2025, 187-203
DOI: 10.61039/29427509-2025-16

Stellt die „From the river to the sea“-Parole eine strafbare Verwendung von Kennzeichen terroristischer Organisationen gemäß § 86a I Nr. 1 StGB dar? Dies ist zu verneinen, weil nach hiesiger Auffassung kein Kennzeichen der Hamas vorliegt. Daneben ist Art. 5 I 1 GG bei der Auslegung des § 86a StGB zu berücksichtigen, wodurch ebenfalls eine Straflosigkeit im Einzelfall begründet werden kann. Ein besonderer Fokus liegt ferner auf der nach hiesiger Auffassung unwirksamen Verweisung in § 86 II StGB.

A. Einleitung

Seit dem Überfall der Hamas auf Israel am 7.10.2023 erfährt der Nahostkonflikt auch in der deutschen Öffentlichkeit neue Aufmerksamkeit. In diesem Kontext taucht im Rahmen von propalästinensischen Kundgebungen verstärkt der Slogan „From the river to the sea – Palestine will be free“ auf. Nachdem sich die Verwaltungsgerichte im Hinblick auf versammlungsrechtliche Fragestellungen bereits mit der möglichen Strafbarkeit dieser Parole befasst haben und zu divergierenden Ergebnissen

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gekommen sind,[1] liegen mit dem Beschluss des LG Mannheim vom 29.5.2024 und dem Urteil des LG Berlin I vom 8.11.2024 auch strafgerichtliche Entscheidungen vor. Der Verteidiger im Berliner Verfahren hatte zwar Revision zum BGH eingelegt,[2] diese aber zwischenzeitlich zurückgezogen, sodass es weiterhin an einer höchstrichterlichen Entscheidung fehlt.[3] In diesem Beitrag sollen die Entscheidungen der beiden Landgerichte gegenübergestellt und geprüft werden, ob die Verwendung des Slogans von § 86a I Nr. 1 Var. 3 StGB erfasst wird. Auf die ebenfalls in Betracht kommenden §§ 130, 140 StGB wird aus Rücksicht auf den Umfang des Beitrags nicht eingegangen.

B. Der Beschluss des LG Mannheim v. 29.5.2024[4]

Der Angeschuldigte soll bei einer Kundgebung anlässlich des Nakba-Tages am 21.5.2023 unter dem Motto „Free Palestine“ ein Plakat mit dem Schriftzug „From the river to the sea – Palestine will be free“ hochgehalten haben.

Auf Grundlage dieses Sachverhalts beantragte die Staatsanwaltschaft Ende August 2023 den Erlass eines Strafbefehls wegen des Verwendens von Kennzeichen terroristischer Organisationen gemäß § 86a I Nr. 1 StGB. Der Antrag wurde vom AG Mannheim mangels hinreichenden Tatverdachts aus rechtlichen Gründen abgelehnt, da es die Parole nicht für strafbar erachtete. Das LG Mannheim hatte daher über die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft nach §§ 408 II, 210 II, 311 StPO zu entscheiden.

Das LG Mannheim verwarf die sofortige Beschwerde, da es eine Strafbarkeit des Angeschuldigten aus rechtlichen Gesichtspunkten verneinte.

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C. Das Urteil des LG Berlin I v. 8.11.2024[5]

Der Angeklagten lag zur Last, dass sie im Jahr 2023 mehrmals in einem sozialen Netzwerk ihre Sympathie für die Hamas und ihre Taten bekundete und dabei zweimal auch den Slogan „From the river to the sea Palestine will be free“ öffentlich sichtbar postete. Weiterhin veröffentlichte sie in diesem Netzwerk ein Propagandavideo der Hamas.

Das LG Berlin I verurteilte die Angeklagte wegen des Verwendens von Kennzeichen terroristischer Organisationen (§ 86 I, II StGB) in zwei Fällen und wegen des Verbreitens von Propagandamitteln terroristischer Organisationen (§ 86a I Nr. 1 StGB) zu einer Geldstrafe.

D. Bewertung

In beiden Entscheidungen steht die Frage im Vordergrund, ob die Verwendung der „From the river“-Parole gemäß § 86a I StGB strafbar ist. Im Folgenden werden daher die Erwägungen beider Landgerichte im Rahmen der einzelnen Tatbestandsmerkmale gegenübergestellt und einer kritischen Betrachtung unterzogen.

Bei § 86a I Nr. 1 StGB handelt es sich um ein abstraktes Gefährdungsdelikt (abstraktes Gefährlichkeitsdelikt), da ein Taterfolg nicht vorausgesetzt ist.[6] Der Tatbestand setzt voraus, dass der Täter Kennzeichen einer in § 86 I Nr. 1, 2, 4 oder II StGB bezeichneten Organisation verbreitet oder öffentlich, in einer Versammlung oder in einem von ihm verbreiteten Inhalt i.S.d. § 11 III StGB verwendet.

I. Tathandlung

§ 86a I Nr. 1 StGB erfordert, dass der Täter das Kennzeichen verbreitet oder öffentlich, in einer Versammlung oder in einem von ihm verbreiteten Inhalt nach § 11 III StGB verwendet.

Im Fall des LG Mannheims kommt eine Verwendung in einer Versammlung in Betracht. Eine Versammlung ist ein nicht nur zufälliges, zeitweiliges Beisammensein von mehr als drei Personen zu einem gemeinsamen

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Zweck.[7] Bei der Kundgebung handelt es sich somit um eine Versammlung. Das Hochhalten des Plakats stellt eine Verwendung dar.[8]

In dem Sachverhalt, der dem Urteil des LG Berlin I zugrunde lag, kommt ein öffentliches Verwenden in Betracht. Entscheidend ist damit die Wahrnehmbarkeit durch einen größeren Personenkreis.[9] Die Angeklagte veröffentlichte ihre Posts so, dass sie für jeden anderen Nutzer des sozialen Netzwerks einsehbar waren. Auf die tatsächliche Wahrnehmung durch viele Personen kommt es nicht an.[10] Die Wahrnehmbarkeit für einen größeren Benutzerkreis ist jedenfalls gegeben und somit auch ein öffentliches Verwenden.[11]

II. Hamas als terroristische Organisation

Sowohl das LG Berlin I als auch das LG Mannheim nehmen an, dass es sich bei der Hamas um eine terroristische Vereinigung im Sinne des § 86a I Nr. 1, 86 II StGB handelt.[12] Tatsächlich ist die Hamas in II. Nr. 9 des Anhangs zur Durchführungsverordnung (EU) 2021/138[13] genannt, auf den § 86a I Nr. 1 i.V.m. § 86 II StGB verweist. Interessanterweise thematisierten aber beide Landgerichte nicht, inwieweit diese Verweisung, die erst 2021 eingeführt wurde, überhaupt wirksam ist, da die Durchführungsverordnung als Verweisungsobjekt zwischenzeitlich außer Kraft getreten und durch eine Nachfolgeverordnung ersetzt worden ist.

§ 86 II StGB begegnet zwar insoweit keinen Bedenken, dass es sich um einen statischen Verweis handelt, also auf eine bereits erlassene Verordnung in der damals gültigen Fassung verwiesen wird. Denn auf diese Weise wird dem EU-Gesetzgeber gerade keine ihm nach den Verträgen

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nicht zustehende Kompetenz zur Strafrechtssetzung eröffnet.[14] Als Problem könnte sich jedoch erweisen, dass die Durchführungsverordnung und damit auch ihr Anhang zwischenzeitlich außer Kraft getreten und durch eine neue Verordnung ersetzt worden ist.[15] Dies könnte zur Folge haben, dass der Verweis in § 86 II StGB nunmehr ins Leere führt.

In einer unveröffentlichten Entscheidung geht das LG Mainz davon aus, dass die Ersetzung einer Verordnung durch eine inhaltlich identische dazu führe, dass die Blankettnorm nun auf die neue Verordnung verweise.[16] Folgt man dieser Auffassung, so wäre auch im Fall des § 86 II StGB die aktuelle Durchführungsverordnung taugliches Verweisungsobjekt. Zwar könnte man dafür anführen, dass bei einer inhaltlich identischen Nachfolgeverordnung es bloßer Formalismus sei, eine Anpassung der Blankettnorm zu fordern. Allerdings kann diese Ansicht vor dem Hintergrund des Bestimmtheitsgebots nach Art. 103 II GG nicht bestehen. Denn für den Bürger als Adressaten der Strafnorm ist nicht erkennbar, dass der Straftatbestand nun auf eine andere Verordnung als die ausdrücklich zitierte verweist.[17] Somit kommt lediglich eine Ausfüllung des § 86 II StGB durch die außer Kraft getretene Verordnung in Betracht.

1. Zulässiger Verweis auf ungültiges Recht?

Es stellt sich somit die Frage, ob eine Verweisung auf ungültiges Recht wirksam sein kann. Dies ist in Rechtsprechung und Schrifttum strittig. Manche Stimmen in der Literatur gehen davon aus, dass eine Verweisung nur auf gültiges Recht zulässig sei und eine Aufhebung des

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Verweisungsobjekts stets zum Leerlaufen der Strafnorm führe.[18] Die Rechtsprechung bis hin zum BVerfG ist der Auffassung, dass auch auf eine noch nicht oder nicht mehr gültige Rechtsnorm verwiesen werden kann.[19] Erforderlich sei lediglich, dass die Normen, auf welche Bezug genommen wird, ordnungsgemäß veröffentlicht und damit für den Normadressaten einsehbar sind.[20] Hierfür spricht, dass sich der Gesetzgeber über eine statische Verweisung lediglich erspart, alle Tatbestandsmerkmale der Bezugsnorm erneut aufzuführen.[21] Jüngst hat auch der BGH ausdrücklich die Wirksamkeit des Verweises in § 86 II StGB bejaht.[22]

Zuzugeben ist der Rechtsprechung, dass der EU bei einem anderen Verständnis ein sehr weitgehender Einfluss auf das deutsche Strafrecht zufiele. Nach den Europäischen Verträgen kommt ihr im Bereich des Strafrechts nur eine sehr begrenzte Rechtssetzungskompetenz zu.[23] Wäre nun aber die Wirksamkeit der Verweisung in § 86 II StGB von der Gültigkeit der Durchführungsverordnung abhängig, so könnte die EU insoweit auf das nationale Strafrecht Einfluss nehmen, als sie durch die Aufhebung der Verordnung eine Entkriminalisierung im deutschen Recht herbeiführt, sofern der nationale Gesetzgeber den Verweis nicht schnell genug anpasst.[24]

Zu beachten ist jedoch, dass der Verweis auf eine Rechtsnorm nicht gleichgesetzt werden kann mit einem Verweis auf sonstige Texte. Denn dem ius scriptum, also dem von einem Gesetzgeber geschaffenen Recht, kommt gerade die Besonderheit einer zeitlich begrenzten Gültigkeit zu.

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Dieses Recht kann und wird immer wieder geändert, neu geschaffen oder aufgehoben. Diesen Umstand macht sich der Gesetzgeber – außerhalb des Strafrechts – mit der dynamischen Verweisung zunutze, indem er eine Änderung der Ausfüllungsnorm nicht eigens durch Anpassung der hierauf Bezug nehmenden Normen nachvollziehen muss. Anders stellt sich dies jedoch bei einer Änderung der Ausfüllungsnorm im Fall eines statischen Verweises dar. Schon dogmatisch gesehen bedeutet die Aufhebung einer Rechtsnorm eine erhebliche Zäsur, da die aufgehobene Norm hierdurch kein Teil der Rechtsordnung mehr ist.[25] Auch die Bürgerinnen und Bürger als Adressaten der Norm empfinden ein aufgehobenes Gesetz als unverbindlich, da es grundsätzlich keine Rechten und Pflichten mehr zu begründen vermag. An diesem Umstand ändert es auch nichts, dass die Ausfüllungsnorm veröffentlicht und weiterhin auffindbar ist. Dabei ist zu beachten, dass es sich bei den §§ 86, 87 StGB – anders als bei anderen Strafnormen, die ins EU-Recht verweisen – gerade um kein „Expertenstrafrecht“ handelt, sodass nicht von einer besonderen Fach- und Rechtskunde des Normadressaten ausgegangen werden kann.[26] Damit ist für den Fall des Verweises auf eine nicht mehr oder noch nicht gültige Rechtsnorm die Strafbarkeit für den Normadressaten nicht mehr ersichtlich und der Verweis damit gemäß Art. 103 II GG mangels hinreichender Bestimmtheit nicht verfassungskonform.[27]

2. Weitere Erwägungen auf Grundlage der Auffassung der Rechtsprechung

Selbst wenn man der höchstrichterlichen Rechtsprechung folgt und den Verweis auf ungültiges Recht zulässt, ist zu beachten, dass der Gesetzgeber einen solchen Verweis nicht in jedem Fall will.[28] Vielmehr kann es auch gerade seiner Intention entsprechen, nur auf eine noch in Kraft befindliche Norm Bezug zu nehmen.[29] Gerade bei Verweisen auf EU-Verordnungen im Rahmen der Durchführungsgesetzgebung liegt es nahe, dass der Gesetzgeber nur auf gültige Normen Bezug nehmen will, da hier

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in der Regel eine Rechtsangleichung innerhalb der Europäischen Union bezweckt ist. Die Blankettgesetzgebung soll insoweit im Sinne des Assimilierungsgrundsatzes dafür sorgen, dass Verstöße gegen EU-Rechtsgüter gleichermaßen geahndet werden wie Verstöße gegen innerstaatliche Rechtsgüter.[30] Dem stünde eine Bezugnahme auf „veraltetes“ Unionsrecht gerade entgegen.[31]

Diese Vermutung greift vorliegend jedoch nicht. Denn bei § 86 II StGB handelt es sich gerade nicht um die Ausführungsgesetzgebung zu der genannten Durchführungsverordnung oder der ihr zugrundeliegenden Verordnung (EG) Nr. 2580/2001 des Rates vom 27. Dezember 2001 über spezifische, gegen bestimmte Personen und Organisationen gerichtete restriktive Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus. Diese Verordnungen dienen ausweislich der Erwägungsgründe – zumindest unmittelbar – nicht der Bekämpfung terroristischer Propaganda, sondern dem Einfrieren der Gelder terroristischer Organisationen. Dem Gesetzgeber ging es also gerade nicht darum, die von den Verordnungen verfolgten Zwecke mit den Mitteln des nationalen Strafrechts effektiver umzusetzen. Vielmehr wollte er sich bloß der im Anhang der Durchführungsverordnung normierten Auflistung bedienen.

Vor diesem Hintergrund ist der Wille des Gesetzgebers bei der Schaffung des § 86 II StGB zu ermitteln. Dies gestaltet sich kompliziert. Der zweite Absatz wurde durch das „Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches – Verbesserung des strafrechtlichen Schutzes gegen sogenannte Feindeslisten, Strafbarkeit der Verbreitung und des Besitzes von Anleitungen zu sexuellem Missbrauch von Kindern und Verbesserung der Bekämpfung verhetzender Inhalte sowie Bekämpfung von Propagandamitteln und Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen vom 14.9.2021“ eingeführt.[32] Im ursprünglichen Gesetzentwurf der Bundesregierung war er noch nicht enthalten,[33] er findet sich erstmals in der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestags.[34] Auch in der Sachverständigenanhörung im Rechtsausschuss am

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19.5.2021 wurde § 86 II StGB nicht thematisiert.[35] Somit ist nicht ersichtlich, woher die Initiative zu seiner Einführung herrührt. Eine Begründung findet sich nur im Bericht des Rechtsausschusses zu seiner Beschlussempfehlung.[36] Auch bei der Bundestagsdebatte zur zweiten Lesung findet dieser Aspekt der Beschlussempfehlung nur eine einmalige knappe Erwähnung.[37]

Der Rechtsausschuss begründet die geplante Einführung des § 86 II StGB mit der Notwendigkeit, auch solche terroristischen Organisationen zu erfassen, gegen die noch kein Vereinsverbot erlassen wurde, weil es beispielsweise an Organisationsstrukturen oder einem Tätigwerden in der Bundesrepublik Deutschland fehlt.[38] Zu der Frage, ob nur auf eine gültige Verordnung verwiesen werden soll, findet sich keine ausdrückliche Aussage. Vielmehr werden lediglich das Verfahren der Listung beschrieben und einige Beispiele gelisteter Organisationen genannt.

Als Anhaltspunkt für den Willen des Gesetzgebers könnte noch dienen, dass die genannte Durchführungsverordnung zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des neuen § 86 II StGB am 22.9.2021 bereits aufgehoben war. Dies könnte dafür sprechen, dass der Gesetzgeber auf eine ungültige Norm verweisen wollte. Berücksichtigt man allerdings den Ablauf des Gesetzgebungsverfahrens, ist ebenso wahrscheinlich, dass der Gesetzgeber schlicht und ergreifend übersehen hat, dass die Verordnung am 20.7.2021 außer Kraft getreten ist.

Somit kann man nur darauf abstellen, dass der Gesetzgeber den § 86 II StGB seit seiner Einführung unangetastet gelassen und gerade nicht durch einen Verweis auf die aktuell gültige Verordnung ersetzt hat. Auch dies könnte sich darauf zurückführen lassen, dass der Gesetzgeber das Außerkrafttreten der Verordnung übersehen hat; mangels anderer Anhaltspunkte wird man diesen Umstand heranziehen müssen.

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3. Zwischenfazit

Folgt man der Auffassung der Rechtsprechung, so bleibt der Verweis in § 86 II StGB wirksam. Richtigerweise ist eine Verweisung auf ungültiges Recht aber mangels hinreichender Bestimmtheit, Art. 103 II GG, unzulässig, sodass der Verweis in § 86 II StGB ins Leere führt und die Norm so keine Strafbarkeit begründen kann.

Zu beachten ist jedoch, dass das vom BMI erlassene Betätigungsverbot gegen die Hamas zum 20.12.2023 unanfechtbar geworden ist.[39] Nachdem ein Betätigungsverbot ein vollwertiges Vereinsverbot darstellt,[40] sind Kennzeichen der Hamas somit unabhängig von der Wirksamkeit des § 86 II StGB seitdem von § 86 I Nr. 2 StGB erfasst, auf den § 86a I Nr. 1 StGB ebenfalls verweist. Vor diesem Hintergrund sollen die übrigen Anforderungen an eine Strafbarkeit im Folgenden gleichwohl betrachtet werden.

III. Kennzeichen der Hamas

Unter Kennzeichen versteht man optisch oder akustisch wahrnehmbare Symbole oder Sinnesäußerungen, durch die die Vereinigung einerseits auf sich und ihre Zwecke hinweist und die dem Zusammengehörigkeitsgefühl der Mitglieder und Anhänger dienen.[41] Gemäß § 86a II 1 StGB können gerade auch Parolen Kennzeichen von Organisationen sein. Das LG Mannheim verneint schon die Paroleneigenschaft des hier in Rede stehenden Slogans. Eine juristische Definition des Begriffs Parole findet sich in der Rechtsprechung und – soweit ersichtlich – in der Literatur nicht, auch das LG Mannheim bezieht sich insoweit nur auf die Wortbedeutung nach dem Duden.[42] Geht man von dem allgemeinen Sprachgebrauch aus, so ist eine Parole ein „kurzer, einprägsamer Spruch, in dem ein Grundsatz, eine Absicht, eine Forderung, ein Ziel o. Ä. formuliert ist“.[43] Das LG Mannheim führt aus, dass zwar in der Hamas-Charta von 2017 von der „full and complete liberation of Palestine, from the river to

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the sea” gesprochen werde, allerdings im Zusammenhang damit, dass die Hamas jegliche Alternative zur vollständigen Befreiung Palästinas ablehne.[44] Eine bloß beschreibende Verwendung der Worte „from the river to the sea“ als Definition des Gebiets führe aber nicht dazu, dass es sich um ein Kennzeichen der Hamas handle. Das LG Berlin I hingegen bejaht die Paroleneigenschaft mit dem naheliegenden Argument,

„dass das Skandieren geographischer Beschreibungen auf weltweiten Demonstrationen eher fernliegt.“[45]

Auch vernachlässigt das LG Mannheim, dass mit der Aussage, die vollständige Befreiung vom Fluss Jordan bis zum Mittelmeer anzustreben, gleichzeitig die Botschaft transportiert wird, dass der Staat Israel in seiner heutigen Form beseitigt werden soll.[46] Vor diesem Hintergrund kann es sich bei dem Slogan durchaus um ein Kennzeichen handeln, dient er den Skandierenden doch gerade dazu, ihr gemeinsames Ziel zum Ausdruck zu bringen.

Der Slogan müsste weiterhin in Verbindung mit der Hamas stehen. Dies wurde vom LG Berlin I bejaht,[47] vom LG Mannheim jedoch verneint.[48] Eine solche Verbindung setzt voraus, dass sich die Organisation die Worte entweder durch formalen Widmungsakt oder durch Übung zu eigen macht.[49] Nicht ausreichend ist, wenn lediglich eine Zuschreibung durch Außenstehende erfolgt.[50] Vor diesem Hintergrund hat die Verbotsverfügung des Bundesministeriums des Innern und für Heimat vom 3.11.2023, in die das Ministerium die Worte „from the river to the sea“ als Kennzeichen der Hamas aufnahm, keine weitere Relevanz.[51] Zwar ist in der Verfügung ausdrücklich die Parole „Vom Fluss bis zum Meer“ (auf Deutsch oder anderen Sprachen) als vom Verbot erfasst aufgeführt.[52] Bei § 86a StGB handelt es sich jedoch gerade um kein Blankettgesetz,

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welches durch Verfügungen der Exekutive ausgefüllt werden könnte.[53] Entscheidend für die Kennzeicheneigenschaft bleibt damit, ob es sich tatsächlich um einen Slogan der Hamas handelt oder nicht. Unerheblich für diese Frage ist der Ursprung des Satzes, den das LG Mannheim auf die Fatah zurückführt,[54] und die alternativen Interpretationsmöglichkeiten. Vielmehr kommt es einzig und allein darauf an, ob ihn sich die Hamas zu eigen gemacht hat.[55]

Das LG Mannheim erachtete es als nicht hinreichend belegt, dass der Slogan tatsächlich durch die Hamas oder die mit ihr in Verbindung stehenden Qassam-Brigaden Verwendung findet.[56] Dagegen argumentiert das LG Berlin I, die Hamas habe sich

„die Wortfolge „From the river to the sea“ durch Übung, insbesondere durch Aufnahme in die Charta 2017 sowie durch vielfache Verwendung in offiziellen Verlautbarungen und bis hinein in die weltweiten Kontroversen nach dem 7.10.2023, zu eigen gemacht“[57]

ohne diese „vielfache Verwendung“ aber weiter zu belegen. Ohne Nachweise stellt sich dies aber als bloße Behauptung dar. Nach hiesiger Wahrnehmung erscheint es vielmehr so, dass der Slogan bei der öffentlichen Debatte zum Nahostkonflikt zwar omnipräsent ist, aber nicht als Erkennungszeichen einer bestimmten Organisation, sondern vielmehr als Zeichen der Identifikation mit den Anliegen der Palästinenser. In diesem Sinne wird er zwar auch von der Hamas verwendet, aber ebenso von anderen propalästinensischen Aktivisten und Organisationen. Selbst israelische Politiker, welche sich gegen eine Zwei-Staaten-Lösung aussprechen, machen von ihm Gebrauch.[58] Somit spricht viel dafür, dass die Hamas den Slogan zwar durchaus nutzt, ihn aber nicht als eigenes Kennzeichen verwendet. Damit überzeugt die Auffassung des LG Mannheim,

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dass sich die Hamas den Slogan nicht zu eigen gemacht hat.

Folgt man dagegen der Ansicht des LG Berlin I, so wäre nach Ansicht der Rechtsprechung unerheblich, ob das Kennzeichen von der Allgemeinheit auch tatsächlich als Kennzeichen der jeweiligen Organisation verstanden wird.[59] Dem widersprechen Teile der Literatur, da es anderenfalls an der kennzeichnenden Wirkung fehle.[60] Insoweit ist allerdings der Rechtsprechung beizupflichten. Denn das Erfordernis einer gewissen Bekanntheit des Zeichens wird einerseits dem Telos des § 86a StGB als abstraktes Gefährlichkeitsdelikt nicht gerecht und führt andererseits zu großen Unsicherheiten über die Reichweite der Strafbarkeit, was vor dem Hintergrund des Art. 103 II GG zu Bedenken führt.[61]

IV. Teleologische Reduktion des § 86a StGB?

Damit ist weiterhin zu überlegen, ob die Verwendung des Kennzeichens den Schutzzweck des § 86a StGB wohlmöglich nicht berührt.[62] Das LG Mannheim ist der Auffassung, die Verwendung der Worte „from the river to the sea“ sei jedenfalls sozialadäquat, weswegen die Tatbestandsmäßigkeit gemäß § 86a III StGB i.V.m. § 86 IV StGB entfalle. Denn unter den „ähnlichen Zweck“ seien insbesondere auch solche Verhaltensweisen zu subsumieren, bei denen der Schutzzweck der Vorschrift offensichtlich nicht beeinträchtigt werde. Dies sei aufgrund des hohen Stellenwerts des Art. 5 I 1 GG gerade auch dann der Fall, wenn durch die Verwendung nicht lediglich auf die terroristische Vereinigung hingewiesen werde, sondern ein anderer Sachverhalt zum Gegenstand der öffentlichen Meinungsbildung gemacht werden solle.[63] Nachdem der Angeschuldigte das Plakat auf einer Kundgebung zum Nakba-Tag hochhielt, sollte mit den Worten gerade auf die andauernde fehlende Autonomie Palästinas hingewiesen werden.[64]

Im Unterschied zur Ansicht des LG Mannheims handelt es sich bei der Möglichkeit einer teleologischen Reduktion allerdings um eine der

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„Sozialadäquanzklausel“ vorgelagerte Fragestellung, da beispielsweise eine scherzhafte Verwendung, bei der eine Schutzzweckbeeinträchtigung fraglich ist, keineswegs sozialadäquat sein muss.[65] Somit fragt sich, ob die Verwendung der Parole auch vom Schutzzweck des § 86a StGB erfasst ist.

Entgegen der Auffassung des LG Mannheim ist sein Fall auch vom Schutzzweck des § 86a StGB erfasst. Dieser bezweckt nämlich gerade auch ein kommunikatives „Tabu“,[66] um dem Eindruck entgegenzuwirken, in der Bundesrepublik betätigten sich ungestört terroristische oder verfassungswidrige Organisationen.[67] Diesem Schutzzweck liefe es gerade entgegen, wenn Kennzeichen solcher Vereinigungen verwendet werden dürften, weil – angeblich – auch weitere Themen kommuniziert werden sollen.[68] Vielmehr kann ein Tatbestandsausschluss nur dann erfolgen, wenn offensichtlich ist, dass Kennzeichen in einem

„nachdrücklich ablehnenden Sinne gebraucht werden, und bei denen ein Beobachter die Gegnerschaft somit auf Anhieb zu erkennen vermag.“[69]

Zu denken wäre dabei beispielsweise an ein durchgestrichenes Hakenkreuz. Weiterhin ist der Schutzzweck nicht tangiert, wenn gar kein Bezug zur jeweiligen Organisation vorliegt, da nur in diesen Fällen vermieden werden kann, dass sich die Verwendung des jeweiligen Kennzeichens wieder einbürgert.[70] Bei einer Kundgebung zum Nahen Osten besteht dieser Bezug aber, da die Hamas gerade zentraler Akteur des Nahostkonflikts ist.

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V. Sozialadäquanzklausel, § 86a III i.V.m. § 86 IV StGB

Damit stellt sich des Weiteren die Frage, ob vorliegend die „Sozialadäquanzklausel“ des § 86 IV StGB, auf die § 86a III StGB verweist, einschlägig ist. Nach der herrschenden Auffassung würde dies zu einem Tatbestandsausschluss führen.[71] Das LG Mannheim bejaht einen solchen aufgrund des starken Stellenwerts des Art. 5 I 1 GG und stellt darauf ab, dass der Angeschuldigte in seinem Verfahren lediglich auf die fehlende Autonomie Palästinas aufmerksam machen wollte.[72] Das LG Berlin I lehnte einen Tatbestandsausschluss dagegen ab, da die Richter es für erwiesen erachteten, dass die Angeklagte gerade ihre Sympathien und Unterstützung für die Hamas kundtun wollte.[73]

Somit ist zu klären, ob Fälle, in denen „nur“ die allgemeine Meinungsfreiheit betroffen ist, überhaupt von § 86 IV StGB erfasst werden können.[74] Dagegen spricht der Wortlaut der Klausel, da der Gesetzgeber ausdrücklich nur auf bestimmte Meinungsäußerungen und die Ausübung anderer Grundrechte rekurriert. Andererseits könnte man angesichts des Umstands, dass § 86 IV StGB gerade „grundrechtskonformes Verhalten“ straffrei stellt,[75] den Anwendungsbereich auch auf andere von Art. 5 I 1 GG erlaubte Verhaltensweisen ausdehnen. Im Ergebnis kann diese Frage jedoch dahinstehen, da auch ohne die Klausel § 86a StGB vor dem Lichte der Meinungsfreiheit ausgelegt werden muss. Denn der § 86a StGB, der eine Schranke der Meinungsäußerungsfreiheit im Sinne des Art. 5 II GG darstellt, muss unter Berücksichtigung derselben so ausgelegt werden, dass das Grundrecht gewahrt bleibt.[76] Entscheidend ist somit, ob das strafrechtliche Verbot im Einzelfall verhältnismäßig ist.[77] Dabei ist einerseits die besondere Bedeutung der Meinungsfreiheit für den demokratischen Diskurs zu berücksichtigen.[78] Denn die Freiheit, die

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eigene Meinung auch dann kundzutun, wenn diese nicht mit der politisch oder gesellschaftlich vorherrschenden Auffassung übereinstimmt, ist gerade konstitutiv für eine plurale Demokratie. Dabei sind auch überspitzte, andere verletzende Äußerungen grundsätzlich zulässig. Auf der anderen Seite ist der mit dem § 86a StGB verfolgte Zweck zu berücksichtigen. Wie bereits ausgeführt, soll durch das strafbewehrte Verbot gerade dem Eindruck entgegengewirkt werden, dass in der Bundesrepublik verfassungsfeindliche Organisationen in der Öffentlichkeit weiterhin präsent sind. Vor allem angesichts der deutschen Historie ist dieser Zweck auch nachvollziehbar, da § 86a StGB ursprünglich gerade der Bekämpfung neonazistischer Organisationen dienen sollte.[79]

Hier erscheint es nun geboten, zwischen den zugrundeliegenden Sachverhalten der beiden Entscheidungen zu differenzieren. In dem Fall, den das LG Berlin I zu entscheiden hatte, war es aus dem Kontext ersichtlich, dass es der Angeklagten gerade darum ging, ihre Unterstützung für die Hamas und deren Ziele kundzutun, da sie in den jeweiligen Beiträgen explizit auf die Hamas rekurrierte und ihre Sympathie für die Terrororganisation bekundete. Somit überwiegt aber das staatliche Interesse an der Herstellung des „kommunikativen Tabus“ das Interesse der Angeklagten, auf diese Weise ihre Auffassung zum Nahostkonflikt zum Ausdruck zu bringen.

Anders gestaltet es sich in der Konstellation, die dem LG Mannheim vorlag. Die Versammlung, auf der der Angeschuldigte das Plakat zeigte, erinnerte an die Vertreibung und Flucht der Palästinenser während des Palästinakriegs im Jahr 1948.[80] Damit ist die Parole hier vorwiegend als Kritik an der israelischen Besetzung palästinensischer Gebiete zu sehen, insbesondere da keine unmittelbare Verbindung mit der Hamas besteht. Vor allem fand die Kundgebung zeitlich vor dem Angriff der Hamas auf Israel statt und damit zu einem Zeitpunkt, als diese viel weniger im Fokus der Öffentlichkeit stand. Zwar könnte man erwägen, das strafbewehrte Verbot, eine einzelne Parole zu gebrauchen, stelle nur eine geringfügige Einschränkung der Meinungsfreiheit dar und ermögliche die Kritik an der Siedlungspolitik Israels und der Situation der palästinensischen Bevölkerung vollumfänglich.[81] Damit würde jedoch verkannt, dass alleine

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schon durch das Risiko, durch Gebrauch eines Slogans in Unkenntnis seiner Kennzeicheneigenschaft auf einer Versammlung den objektiven Tatbestand des § 86a StGB zu verwirklichen und deshalb Beschuldigter in einem Ermittlungsverfahren zu werden, dazu führen könnte, von der Kundgabe der eigenen Meinung Abstand zu nehmen. Es besteht also das Risiko einer einschüchternden Wirkung („chilling effect“),[82] sodass der Tatbestand des § 86a StGB entsprechend einzuschränken ist.

E. Fazit

Nach hiesiger Sicht erfüllt die Verwendung des Slogans „From the river to the sea – Palestine will be free” nicht den Tatbestand des § 86a I Nr. 1 StGB. Für den Zeitraum vor dem vom BMI erlassenen Betätigungsverbot gegen die Hamas resultiert dies schon daraus, dass der Verweis in §§ 86a I Nr. 1, 86 II StGB wegen der Aufhebung der zitierten Verordnung vor dem Hintergrund des Art. 103 II GG nunmehr keine Strafbarkeit mehr begründen kann. De lege ferenda sollte der Gesetzgeber den § 86 II StGB daher so umgestalten, dass dieser unmittelbar die erfassten Organisationen aufzählt.

Weiterhin hat sich die Hamas nach hiesiger Auffassung den Slogan nicht zu eigen gemacht, sodass es sich bei ihm nicht um ein Kennzeichen der Terrororganisation handelt. Selbst wenn man dem nicht folgen will, so muss man jedenfalls bei der Auslegung des § 86a StGB die Meinungsfreiheit nach Art. 5 I 1 GG berücksichtigen, die im Einzelfall dazu führen kann, dass die Verwendung des Slogans nicht tatbestandsmäßig ist.

Es ist bedauerlich, dass aufgrund der Rücknahme der Revision im Berliner Verfahren weiterhin eine höchstrichterliche Klärung aussteht. Angesichts der Präsenz des Slogans bei Kundgebungen und in den sozialen Medien ist aber davon auszugehen, dass sich der BGH früher oder später mit den hier erörterten Fragen befassen muss. Wünschenswert wäre es jedenfalls, dass er seine letzte Entscheidung vom 18.12.2024[83] zur Wirksamkeit der Verweisung in § 86 II StGB überdenkt.


Der Autor ist Akademischer Rat auf Zeit am Lehrstuhl für Strafrecht und Strafprozessrecht der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (Prof. Dr. Frank Zieschang).
Kontakt: johannes.petersen@uni-wuerzburg.de.

[1] Siehe hierzu VGH Kassel NVwZ 2024, 847, das an einer Strafbarkeit der Parole zweifelt; dagegen eine Strafbarkeit nach § 86a StGB für möglich erachtend OVG Bremen BeckRS 2024, 9836; VGH Mannheim NVwZ 2024, 1183; VGH Mannheim BeckRS 2024, 7173; etwas uneindeutig BayVGH NVwZ 2024, 1187.

[2] NVwZ Nachrichten v. 18.11.2024, https://rsw.beck.de/zeitschriften/nvwz/startseite/2024/11/18/from-the-river-to-the-sea—umstrittene-parole-wird-fall-f%C3%BCr-bgh (zuletzt abgerufen am 11.2.2025).

[3] Kolter, LTO v. 10.3.2025, https://www.lto.de/recht/hintergruende/h/lg-berlin-502kls2124-hamas-from-river-to-sea-rechtskraeftig (zuletzt abgerufen am 29.4.2025).

[4] LG Mannheim BeckRS 2024, 12543.

[5] LG Berlin I BeckRS 2024, 30717.

[6] BGH NStZ 2015, 81, 82 (Rn. 8); Fischer, StGB, 72. Aufl. 2025, § 86a Rn. 2; anders Zimmermann HRRS 2015, 441, 447 hinsichtlich der Begehungsvariante des Verbreitens.

[7] RGSt 21, 71, 73; Anstötz, in Münchener Kommentar StGB, Bd. 3, 5. Aufl. 2025, § 86a Rn. 24.

[8] Ebenso LG Mannheim BeckRS 2024, 12543 (Rn. 7).

[9] Sternberg-Lieben/Weißer, in Tübinger Kommentar StGB, 31. Aufl. 2025, § 86a Rn. 18.

[10] Die Followerzahlen, die das LG Berlin I BeckRS 2024, 30717 (Rn. 52) einbezieht, spielten nur dann eine Rolle, wenn die Postings nicht auch für andere Nutzer einsehbar gewesen wären.

[11] Siehe zur öffentlichen Verwendung in sozialen Netzwerken auch BGH NStZ 2015, 81, 83.

[12] LG Berlin I BeckRS 2024, 30717 (Rn. 50); LG Mannheim BeckRS 2024, 12543 (Rn. 13).

[13] Anhang zur Durchführungsverordnung (EU) 2021/138 des Rates vom 5. Februar 2021 zur Durchführung des Artikels 2 Absatz 3 der Verordnung (EG) Nr. 2580/2001 über spezifische, gegen bestimmte Personen und Organisationen gerichtete restriktive Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus und zur Aufhebung der Durchführungsverordnung (EU) 2020/1128.

[14] Moll, Europäisches Strafrecht durch nationale Blankettstrafgesetzgebung, 1998, S. 194; für die Zulässigkeit auch dynamischer Verweisungen im Strafrecht Böse in Amelung/Günther/Kühne (Hrsg.), Festschrift für Volker Krey, 2010, 7, 25; siehe allerdings auch seine Bedenken in Böse, Strafen und Sanktionen im europäischen Gemeinschaftsrecht, 1996, S. 439 f.; zu dynamischen und statischen Verweisungen auf europarechtliche Verordnungen siehe auch Reinbacher, Strafrecht im Mehrebenensystem, 2014, S. 514 f.; Schuster, Das Verhältnis von Strafnormen und Bezugsnormen aus anderen Rechtsgebieten, 2012, S. 329 ff.

[15] Tatsächlich wurden seither acht neue Durchführungsverordnungen erlassen und der jeweilige Vorgänger aufgehoben. Die aktuelle Fassung ist die Durchführungsverordnung (EU) 2025/206 des Rates vom 30. Januar 2025 zur Durchführung des Artikels 2 Absatz 3 der Verordnung (EG) Nr. 2580/2001 über spezifische, gegen bestimmte Personen und Organisationen gerichtete restriktive Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus und zur Aufhebung der Durchführungsverordnung (EU) 2024/2055.

[16] So LG Mainz v. 21.9.1989 – 8 Js 13278/84 – W – 5 Ns, zitiert nach Koch, Weinrecht, 4. Aufl., Stand: Dez. 1995, Stichwort „Strafe und Bußgeld“, Anm. 2.2.4.2.

[17] So auch Dannecker/Schuhr, in Leipziger Kommentar StGB, Bd. 1, 13. Aufl. 2020, § 1 Rn. 146; Satzger, Die Europäisierung des Strafrechts, 2001, S. 273; Schmahl, in Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke GG, 15. Aufl. 2022, Art. 103 GG Rn. 66; Schützendübel, Die Bezugnahme auf EU-Verordnungen in Blankettstrafgesetzen, 2012, S. 83 f.

[18] Speziell zu § 86 II StGB, Paeffgen/Klesczewski, in Nomos Kommentar StGB, 6. Aufl. 2023, § 86 Rn. 23a; Sternberg-Lieben/Weißer, in Tübinger Kommentar StGB, 31. Aufl. 2025, § 86 Rn. 16; anders dagegen Albrecht in Dietrich/Fahrner/Gazeas/von Heintschel-Heinegg (Hrsg.), Hdb. Sicherheits- und Staatsschutzrecht, 2022, § 37 Rn. 54, die in § 86 II allerdings einen dynamischen Verweis sieht; allgemein für die Unwirksamkeit bei Wegfall des Verweisungsobjekts, Gaede wistra 2017, 41, 43 für den Fall einer Verweisung auf Handlungsverbote bzw. -gebote, die allein außerhalb der Sanktionsnorm aufgestellt werden; Remmert, in Dürig/Herzog/Scholz GG, 106. EL Oktober 2024, Art. 103 Abs. 2 Rn. 115; Schmitz, in Münchener Kommentar StGB, Bd. 1, 5. Aufl. 2024, § 1 Rn. 75; Schuster, Das Verhältnis von Strafnormen und Bezugsnormen aus anderen Rechtsgebieten, 2012, S. 335.

[19] BVerfG NJW 2018, 3091, 3092 (Rn. 24); BVerfGE 11, 203, 218; BVerfGE 8, 274, 302 f.; OLG Köln NJW 1988, 657, 658; ebenso Köpferl ZIS 2017, 201, 219; Satzger, Die Europäisierung des Strafrechts, 2001, S. 270.

[20] BVerfG NJW 2018, 3091, 3092 (Rn. 24); BVerfG NVwZ-RR 1992, 521; BVerfGE 47, 285, 311.

[21] BVerfG NJW 2018, 3091, 3092 (Rn. 24).

[22] BGH BeckRS 2024, 40718 (Rn. 8).

[23] Eine solche besteht nach überwiegender Auffassung lediglich im Bereich der Bekämpfung von Betrugstaten gegen die finanziellen Interessen der Union, des Zollwesens und des Menschenhandels, siehe Satzger, Internationales und Europäisches Strafrecht, 9. Aufl. 2020, § 8 Rn. 22 f.

[24] Siehe zu diesem Argument bereits BVerfG NJW 1978, 1475, 1477; Lienert HRRS 2017, 265, 270.

[25] Die Rechtsordnung erfasst alle Rechtsvorschriften, die verfassungsgemäß erlassen und in Geltung sind, Holzner, in BeckOK PolR Bayern, 15.10.2024, Art. 11 PAG Rn. 71.

[26] Siehe zu dieser Erwägung allgemein BVerfGE 75, 329, 345; BVerfGE 48, 48, 57; kritisch Satzger, Internationales und Europäisches Strafrecht, 9. Aufl. 2020, § 9 Rn. 75.

[27] Ebenfalls einen Verstoß gegen Art. 103 II GG annehmend, Theune StV 2024, 416, 418, bei dem aber unklar bleibt, woraus genau er diesen ableitet.

[28] BVerfG NVwZ-RR 1992, 521, 522.

[29] Zur Notwendigkeit der Auslegung solcher Verweisungen, LK/StGB-Dannecker/Schuhr, § 1 Rn. 257.

[30] Siehe zum Assimilierungsgrundsatz, Ambos, Internationales Strafrecht, 5. Aufl. 2018, § 9 Rn. 28 f.

[31] OLG Hamburg NZV 2007, 372; BayObLGSt 1992, 121, 124; OLG Köln NJW 1988, 657, 658; ebenso Cornelius NZWiSt 2014, 173, 176; wohl auch Rossi ZIP 2016, 2437, 2441: Ein anderes Ergebnis „missachtete den Willen des europäischen Verordnungsgebers und damit den Anwendungsvorrang des Unionsrechts“; BGH BeckRS 2024, 40718 geht auf diesen Gesichtspunkt dagegen nicht ein.

[32] BGBl. I, S. 4250.

[33] BT-Drs. 19/28678.

[34] BT-Drs. 19/30943, S. 5.

[35] Wortprotokoll der 155. Sitzung des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz, Protokoll Nr. 19/155.

[36] BT-Drs. 19/31115, S. 9 f.

[37] Die Abgeordnete Bayram bezeichnet den geplanten Verweis in ihrer zu Protokoll gegebenen Rede als „rechtsstaatlich im Hinblick auf das strafrechtliche Bestimmtheitsgebot bedenkliche Kaskadenverweisung“, Plenarprotokoll 19/236, S. 30837 (C).

[38] BT-Drs. 19/31115, S. 9.

[39] BAnz AT 29.08.2024 B1.

[40] Siehe hierzu BGH NStZ 1996, 340, 341; Köbler NStZ 1995, 531, 532 f.; Reuter, Verbotene Symbole, 2005, S. 111.

[41] BGH NStZ 2016, 86, 87; BayObLG BeckRS 2022, 36844 (Rn. 8); LG Mannheim BeckRS 2024, 12543 (Rn. 8); LK/StGB-Steinsiek, § 86a Rn. 5.

[42] LG Mannheim BeckRS 2024, 12543 (Rn. 12).

[43] https://www.dwds.de/wb/Parole (zuletzt abgerufen am 27.1.2025).

[44] LG Mannheim BeckRS 2024, 12543 (Rn. 12).

[45] LG Berlin I BeckRS 2024, 30717 (Rn. 44); so auch im Ergebnis VGH Mannheim NVwZ 2024, 1183, 1185 (Rn. 18).

[46] So ebenfalls Fischer, LTO v. 16.10.2023, https://www.lto.de/recht/meinung/m/frage-fische-jubel-terror-hamas/ (zuletzt abgerufen am 17.2.2025).

[47] LG Berlin I BeckRS 2024, 30717 (Rn. 43 ff.).

[48] LG Mannheim BeckRS 2024, 12543 (Rn. 7 ff.).

[49] BayObLG BeckRS 2022, 36844 (Rn. 8).

[50] LG Mannheim BeckRS 2024, 12543 (Rn. 8); MüKo/StGB-Anstötz, § 86a Rn. 9.

[51] Ebenso LG Mannheim BeckRS 2024, 12543 (Rn. 12); unzutreffend daher Schwarz ZRP 2024, 95.

[52] BAnz AT 02.11.2023 B10.

[53] Siehe dazu auch BVerwG NVwZ 2018, 1485, 1487 f.; BayVGH NVwZ 2024, 1187, 1188 f. (Rn. 27). Selbst wenn der Gesetzgeber den § 86a StGB als Blankettstrafgesetz ausgestaltet hätte, könnte eine solche Verfügung im Übrigen auch keine Rückwirkung entfalten.

[54] LG Mannheim BeckRS 2024, 12543 (Rn. 11).

[55] VGH Mannheim NVwZ 2024, 1183, 1185; VGH Mannheim BeckRS 2024, 7173 (Rn. 9).

[56] LG Mannheim BeckRS 2024, 12543 (Rn. 12).

[57] LG Berlin I BeckRS 2024, 30717 (Rn. 45).

[58] So verwendete beispielsweise 2018 auch der frühere israelische Außenminister Sa’ar die Phrase, Roth, Jerusalem Post v. 30.4.2018, https://www.jpost.com/israel-news/ex-minister-gideon-saar-rejects-two-state-solution-trap-553081 (zuletzt abgerufen am 17.2.2025); siehe auch Goldberg/Confino, From the River to the Sea gibt’s viel Raum für Interpretationen, https://geschichtedergegenwart.ch/from-the-river-to-the-sea-gibts-viel-raum-fuer-interpretationen/ (zuletzt abgerufen am 17.2.2025).

[59] BGHSt 47, 354, 358 ff.; ebenso VGH Mannheim NVwZ 2024, 1183, 1185 (Rn. 18); ebenso Ellbogen, in BeckOK StGB, 65. Ed. 1.5.2025, § 86a Rn. 4; NK/StGB-Paeffgen/Klesczewski, § 86a Rn. 7.

[60] Hörnle NStZ 2002, 113, 115; Kett-Straub DRiZ 2011, 325, 328; Reuter, Verbotene Symbole, 2005, S. 129 ff.;ebenso BayObLGSt 1998, 202, 203.

[61] So auch die Argumentation von NK/StGB-Paeffgen/Klesczewski, § 86a Rn. 7.

[62] Siehe hierzu auch Reuter, Verbotene Symbole, 2005, S. 202.

[63] LG Mannheim BeckRS 2024, 12543 (Rn. 13); dies lässt wohl auch der BayVGH NVwZ 2024, 1187, 1189 (Rn. 29) ausreichen.

[64] LG Mannheim BeckRS 2024, 12543 (Rn. 15).

[65] Siehe dazu BGHSt 25, 30, 33 f.

[66] BVerfG NJW 2009, 2805, 2806; BVerfG NJW 2006, 3050, 3051; BGHSt 25, 30, 32 f.; kritisch dagegen NK/StGB-Paeffgen/Klesczewski, § 86a Rn. 2.

[67] BGHSt 51, 244, 246; Gallandi, Staatsschutzdelikte und Pressefreiheit, 1983, S. 63; Kindhäuser/Hilgendorf, LPK, 10. Aufl. 2025, § 86a Rn. 1.

[68] Diese Überlegung findet sich auch bei Otto in Böse/Sternberg-Lieben (Hrsg.), Festschrift für Amelung, 2009, 225, 244.

[69] VGH Mannheim NVwZ 2024, 1183, 1185 (Rn. 22); ebenso BGHSt 51, 244, 248 f.; Heger, in Lackner/Kühl/Heger StGB, 30. Aufl. 2023, § 86a Rn. 4;TüKo/StGB-Sternberg-Lieben/Weißer, § 86a Rn. 15 ff.; anders dagegen Zöller, in Systematischer Kommentar StGB, Bd. 3, 9. Aufl. 2019, § 86a Rn. 9: Die Verwendung muss als Bekenntnis zu den Zielen der Organisation aufgefasst werden können.

[70] BGHSt 25, 30, 33.

[71] BGHSt 47, 278, 282; BGHSt 46, 36, 43; Hartmann,in Handkommentar Gesamtes Strafrecht, 5. Aufl. 2022, §§ 84-92b Rn. 7; Reuter, Verbotene Symbole, 2005, S. 249; LK/StGB-Steinsiek, § 86a Rn. 26; kritisch Fischer, StGB, § 86 Rn. 17; anders auch NK/StGB-Paeffgen/Klesczewski, § 86 Rn. 39, die der Klausel in Bezug auf die „Abwehr verfassungswidriger Bestrebungen“ eine rechtfertigende, weil notstandsähnliche Dimension zusprechen.

[72] LG Mannheim BeckRS 2024, 12543 (Rn. 15).

[73] LG Berlin I BeckRS 2024, 30717 (Rn. 47).

[74] Dagegen Ambos JZ 2024, 620, 623, da die Klausel nur bestimmte unter die Meinungsfreiheit fallende Verhaltensweisen erfasse.

[75] Siehe hierzu NK/StGB-Paeffgen/Klesczewski, § 86 Rn. 38.

[76] BVerfGE 7, 198, 208; siehe hierzu auch Ambos JZ 2024, 620, 623.

[77] Britz JuS 2024, 905, 908 f.

[78] Paulus, in Huber/Voßkuhle GG, Bd. 1, 8. Aufl. 2024, Art. 5 GG Rn. 1.

[79] Zur Historie der Norm siehe Reuter, Verbotene Symbole, 2005, S. 51 ff., S. 65 ff.

[80] Siehe dazu https://de.wikipedia.org/wiki/Nakba (zuletzt abgerufen am 29.1.2025).

[81] OVG Bremen BeckRS 2024, 9836 (Rn. 23).

[82] Zur Gefahr eines „chilling effect“ bei Versammlungen, siehe bspw. Hong in Peters/Janz (Hrsg.), Hdb. Versammlungsrecht, 2. Aufl. 2021, B Rn. 103 ff.

[83] BGH BeckRS 2024, 40718.

Kategorie(n)
Kernstrafrecht