Strafbarkeit unechter Unterlassungsdelikte und Art. 103 II GG

Der Konflikt des § 13 StGB mit dem Bestimmtheitsgebot und dem Analogieverbot – Teil 2

Reference: NSW 2025, 178-186
DOI: 10.61039/29427509-2025-15

Der wichtigste Maßstab für die Richtigkeit von Strafgesetzgebung und Strafrechtsanwendung ist Art. 103 II GG. Strafgesetze müssen hinreichend bestimmt sein und dürfen nicht zum Nachteil eines Beschuldigten analog angewendet werden. Dass vor allem dem Bestimmtheitsgrundsatz im Strafgesetzbuch an manchen Stellen nicht oder nicht optimal Rechnung getragen wird, ist jedenfalls in der Strafrechtswissenschaft einhellige Auffassung. Bei Bemühungen um Korrektur verfassungswidriger oder zumindest verfassungsrechtlich bedenklicher Bestimmtheitsmängel kann man vom Bundesverfassungsgericht leider wenig Unterstützung erwarten.[1] Wiederholt hat das höchste deutsche Gericht fragwürdige Bestimmtheits-Atteste erteilt. Dem Engagement für mehr Gesetzesbestimmtheit wird dadurch ein Dämpfer verpasst, der regelmäßig zu Resignation und Sichabfinden mit der unbefriedigenden Gesetzeslage führt. Diese Situation haben wir in Bezug auf die in § 13 StGB angeordnete Strafbarkeit der sogenannten „unechten Unterlassungsdelikte“ und deren Vereinbarkeit mit Art. 103 II GG.[2] Das Bundesverfassungsgericht hat die Grundgesetzkonformität des § 13 StGB bejaht und dies auf Begründungen gestützt, die schon zum Entscheidungszeitpunkt nicht tragfähig waren

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(näher dazu unter B. I., Teil 1). Sie sind es jetzt, nachdem 27 bzw. 22 Jahre seit den verfassungsgerichtlichen Entscheidungen vergangen sind, erst recht nicht. Die gesetzlich angeordnete und von der Justiz praktizierte Strafbarkeit unechter Unterlassungsdelikte verstößt in weiten Teilen gegen Art. 103 II GG. Die Art und Weise, wie von Rechtsprechung und Literatur § 13 StGB und das zentrale Tatbestandsmerkmal „Garantenstellung“ behandelt werden, stehen in Widerspruch zu Bestimmtheitsgebot und Analogieverbot.

– Fortsetzung von Teil 1 (NSW 2025, S. 100 ff.) –

B. II. Literatur

In der Parallelwelt der juristischen Fachliteratur ist Widerspruch gegen evident verfassungswidrige Rechtslagen die Ausnahme.[3] Das betrifft nicht nur § 13 StGB. Die Autoren der Leitmedien − Großkommentare und große Lehrbücher − äußern zwar recht einheitlich „Bedenken“ und machen „Zweifel“ geltend.[4] Am Ende wird der aktuellen gesetzlichen Situation aber überwiegend Grundgesetzkonformität attestiert[5] oder von einer klaren Stellungnahme ganz abgesehen.[6] Exemplarisch ist die Behandlung des Themas durch Kristian Kühl. In seinem Lehrbuch zum Allgemeinen Teil bezeichnet er § 13 StGB als eine „bedenklich offene Formulierung“, teilt dem Leser aber anschließend zur Frage der Vereinbarkeit mit Art. 103 II GG weder ein klares „ja“ noch ein klares „nein“ mit.[7] Im StGB-Kommentar „Lackner/Kühl“ hat derselbe Autor in der letzten von ihm bearbeiteten Auflage festgestellt,[8] dass

„die verfassungsrechtliche Problematik des unechten Unterlassungsdelikts im Hinblick auf den Bestimmtheitsgrundsatz nicht voll ausgeräumt“

sei und das Gesetz

„alle wesentlichen Streitfragen, die für die Abgrenzung relevant sind, ungelöst gelassen“

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habe. Gleichwohl behauptet er danach, dass

„nach den allgemeinen Grundsätzen, die in der verfassungsrechtlichen Rspr. entwickelt worden sind, die Verfassungsmäßigkeit nicht in Zweifel zu ziehen“

sei.[9] In seinem Beitrag zur Festschrift für Rolf Dietrich Herzberg bezeichnete Kühl § 13 StGB als „nicht optimale Lösung“. Immerhin habe diese Vorschrift die Bemühungen der Strafrechtswissenschaft um

„die Systematisierung der Garantenstellungen jedenfalls nicht behindert“.[10]

Das ist wahrlich ein dürftiges Ergebnis. „Mühe allein genügt nicht!“ möchte man posthum auch Hans-Heinrich Jescheck zurufen, der seinen Beitrag zur Festschrift für Heribert Tröndle mit folgender Bemerkung abschloss:

„[…] wird man sagen dürfen, dass der Gesetzgeber sich jedenfalls bemüht hat, dem Art. 103 II GG gerecht zu werden, und dass man sich damit begnügen muss, solange etwas Besseres nicht in Sicht ist.“[11].

Etwas Besseres als § 13 StGB gibt es allemal. Statt zu resignieren, sollte die Literatur dem unhaltbaren Rechtszustand entschieden entgegentreten.[12]

Wieso angesichts dieses Urteils überhaupt „Bedenken“ begründet sein sollen, leuchtet schwer ein.[13] Wahrscheinlich soll angedeutet werden, dass man den Zustand als „gerade noch“ mit Art. 103 II GG in Einklang stehend erachtet,[14] sich aber eine bessere Normierung wünscht. In die Skala der Prüfungsnoten im juristischen Examen übertragen, erhält der Gesetzgeber ein „ausreichend“, hat also die verfassungsrechtliche Prüfung „so eben“ bestanden. Warum aber im Strafrecht, dem „schärfsten

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Schwert“ des Staates im Kampf gegen das Unrecht, nicht „sehr gut“, „gut“ oder wenigstens „befriedigend“ der Maßstab sein sollte, fragt sich der Bürger, dem es passieren kann, nach einem verhältnismäßig geringfügigen Verstoß gegen Regeln des Straßenverkehrs mit dem Vorwurf versuchten oder vollendeten Mordes durch Unterlassen konfrontiert zu werden,[15] mit Recht.[16]

C. Auslegung und Analogie

I. Auslegung des § 13 StGB

Zur Aufhellung des Schattens, den Art. 103 II GG auf die unechten Unterlassungsdelikte wirft, wird in der Literatur häufig eine „Auslegung“ empfohlen.[17] Damit wird eine pure Selbstverständlichkeit angesprochen. Gesetzestexte, deren Sinn sich nicht auf Anhieb durch Lesen erschließt und die mehrere Bedeutungsvarianten offerieren, bedürfen einer Auslegung. Typischer Gegenstand der Auslegung sind wortreiche Normtexte mit hohem Komplexitätsgrad und vieldeutigem Aussagegehalt. § 13 I StGB ist ein Text, der aus wenigen Worten besteht und trotz seiner verschachtelten Struktur unkompliziert ist. Was der Gesetzgeber mitteilen will, ist leicht zu verstehen: Wer es entgegen einer rechtlichen Pflicht unterlässt einen tatbestandsmäßigen Erfolg zu verhindern, ist aus dem Straftatbestand mit diesem Erfolgsmerkmal strafbar. Um das zu begreifen, bedarf es keiner Auslegung. Auch das dürftige Ergebnis einer „Auslegung“, dass § 13 I StGB mit dem „rechtlichen Einstehenmüssen“ rein moralische Pflichten ausgrenze,[18] ist mit dem Wort „rechtlich“ unmissverständlich zum Ausdruck gebracht worden.[19] Dass „rechtlich“ nicht deckungsgleich ist mit „moralisch“, sollte jeder Jurist[20] wissen, ohne diese Worte mit

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dem Instrumentarium der Auslegungsmethoden zu durchleuchten.[21] Jede Auslegungsbemühung versagt hingegen bei dem Unterfangen, aus dem Text des § 13 I StGB heraus in Erfahrung zu bringen, unter welchen Voraussetzungen jemand eine strafbarkeitsbegründende rechtliche Einstandspflicht, also eine „Garantenstellung“, hat. Mehr als die Information, dass es nach dem Willen des Gesetzgebers solche Garantenstellungen geben soll, ist dem Text des § 13 I StGB nicht zu entlocken.[22] Zutreffend wies Claus Roxin schon 1974 darauf hin, dass § 13 I StGB zu den Voraussetzungen der Garantenstellungen „nicht das geringste“ sagt.[23] Der Wortlaut des § 13 I StGB ist schlicht zu arm und nichtssagend, um Quelle von Auslegungsergebnissen zu sein.[24]

Welche Verwirrung der Umgang der Gerichte mit den unechten Unterlassungsdelikten vor Einführung des § 13 StGB stiftete, lässt sich an einer rätselhaften Bemerkung im Lehrbuch von Jescheck/Weigend ablesen. Die Anerkennung unechter Unterlassungsdelikte sei

„von der h.L. als gewohnheitsrechtlich zulässige Auslegung der Tatbestände der entsprechenden Begehungsdelikte verstanden“

worden.[25] Wahrscheinlich ist der Satz sprachlich verunglückt, denn zur Vornahme einer „Auslegung“ braucht der Rechtsanwender oder Rechtswissenschaftler keine rechtliche Erlaubnis, weder auf positivgesetzlicher noch auf gewohnheitsrechtlicher Grundlage. Welche Bedeutung und Wirkung „Gewohnheitsrecht“ haben soll, wenn doch das Ergebnis durch Auslegung der existierenden positivrechtlichen Vorschriften des StGB Besonderer Teil gewonnen worden sei, ist rätselhaft. Wenn aus § 212 StGB durch Auslegung das Ergebnis abgeleitet werden kann, dass auch die Unterlassung der Todeserfolgsverhinderung eine „Tötung“ ist, bedarf es keines Gewohnheitsrechts. Sachlich abwegig oder sprachlich schief ist auch die Aussage, dass eine gefestigte Rechtsprechung

„eine ausreichend bestimmte Auslegung anhand der Gesamtrechtsordnung“

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ermögliche.[26] Nicht die Auslegung hat „bestimmt“ zu sein, sondern die auszulegende Norm. § 13 StGB ist nicht auslegungsbedürftig. Die Informationen, derer es für eine rechtssichere Pönalisierung von Unterlassungen bedarf, sind aus § 13 StGB nicht zu gewinnen, weder durch Lesen noch durch Auslegung.

II. Analogie zu BT-Tatbeständen

Beim Blick zurück in die Zeit vor Inkrafttreten des § 13 StGB wird der Rechtsprechung mitunter unterstellt, die Bestrafung unechter Unterlassungsdelikte beruhe auf einer analogen Anwendung der Strafvorschriften des StGB-BT, in denen Begehungsdelikte pönalisiert sind.[27] Sterbenlassen ist zwar kein „töten“ iSd § 212 I StGB, die Strafnorm ist aber auf die unterlassene Verhinderung des Todeserfolgs analog anwendbar. Das wäre zweifellos ein Verstoß gegen die Analogieverbots-Komponente des Nullum-crimen-Grundsatzes. Aber um analoge Gesetzesanwendung handelte es sich in Wahrheit nicht. Das per analogiam einer Strafvorschrift zu unterstellende Verhalten muss dem in dieser Vorschrift normierten Verhaltensmuster hinreichend ähnlich sein und den gleichen Unrechtsgehalt haben. Unterlassen und aktives Tun sind aber diametral verschieden, was eine Analogie bereits ausschließt.[28] Hinzukommt, dass das Unterlassen auch nicht begehungsgleichen Unrechtsgehalt hat.[29] Anderenfalls bedürfte es der Garantenstellung als Gleichstellungsmerkmal nicht. Auch gegenüber einem unterlassenden Nichtgaranten müsste Strafbarkeit z. B. aus § 212 StGB möglich sein, wenn diese Vorschrift auf die Unterlassung möglicher Todesabwendung analog anwendbar wäre. Hätte Verhungernlassen den gleichen Unrechtsgehalt wie Erschlagen, Erstechen oder Erschießen, wären die ihr Kind verhungern lassende Mutter und ihr dies zulassender Nachbar gleich strafwürdig. Dass nur die Untätigkeit der Mutter, nicht aber die Untätigkeit des Nachbarn ein „Töten“ im Sinne des § 212 I StGB ist, lässt sich nicht durch einen Analogieschluss erzwingen. Tatsächlich war die Praxis der Gerichte also keine unzulässige Analogie im Verhältnis zu den Begehungsdeliktsvorschriften. Ihr Mangel bestand darin, dass sie an überhaupt keine Strafvorschrift anknüpfen konnte. Wie die unzulässige Analogie ist die

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Bestrafung ohne jede gesetzliche Grundlage eine Missachtung des verfassungsrechtlichen Vorbehalts des Gesetzes.

III. Analogie und § 13 StGB

Claus Roxin attestiert dem Gesetzgeber in seinem Lehrbuch zum Strafrecht Allgemeiner Teil, dass es ihm gelungen sei, mit Einführung des § 13 StGB die bis dahin bestehenden Bedenken in Bezug auf die Vereinbarkeit der Bestrafung von unechten Unterlassungsdelikten mit dem Analogieverbot des Nullum-crimen-Grundsatzes zu beseitigen.[30] Dem ist schon deswegen zu widersprechen, weil – wie oben gesehen – die Rechtsprechungspraxis überhaupt nicht als analoge Anwendung der Strafvorschriften zu den Begehungsdelikten qualifiziert werden kann. Die Behauptung, eine Mutter, die ihr Kleinkind verhungern lässt, „töte“ es und erfülle daher den Tatbestand des § 212 I StGB, lässt sich nicht mittels eines Analogieschlusses verifizieren. Deshalb beseitigt auch die Einführung des § 13 I StGB Verstöße gegen das Analogieverbot nicht, sofern der Rechtsprechung ein solcher Verstoß angelastet werden kann. Tatsächlich beruht ein erheblicher Teil der Gerichtspraxis und der wissenschaftlichen Lehre vom unechten Unterlassungsdelikt auf Analogien, die nach Art. 103 II GG unzulässig sind. Zu dieser dem Grundgesetz zuwiderlaufenden Vorgehensweise hat der Gesetzgeber des 2. Strafrechtsreformgesetzes ausdrücklich aufgefordert, als er der Rechtsprechung und Wissenschaft überließ, wozu er selbst sich nicht in der Lage sah:[31] Garantenstellungen zu entwickeln, in fortdauernder Rechtsprechung zu verfestigen und zu einer „jahrzehntelangen“ Rechtsprechung werden zu lassen, die – so das Bundesverfassungsgericht – den Legislativorganen des Staates die Arbeit abnimmt, Gesetze zu schaffen, die in jeder Hinsicht mit Art. 103 II GG in Einklang stehen. Damit hat sich der „einfache“ Gesetzgeber die Befugnis zur faktischen Änderung des Art. 103 II GG ohne Wortlautänderung (Art. 79 I 1 GG) und unter Umgehung des Zweidrittel-Mehrheit-Erfordernisses (Art. 79 II GG) angemaßt: Wenn es dem Gesetzgeber nicht möglich ist, hinreichend bestimmte Strafvorschriften herzustellen, darf von Art. 103 II GG abgewichen werden, darf die Konkretisierung der

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Strafbarkeitsvoraussetzungen der Rechtsprechung überlassen werden. Selbstverständlich darf der Gesetzgeber das nicht.[32] Bestrafung unechter Unterlassungsdelikte ist nicht nur ein Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot, sondern auch ein Verstoß gegen das Analogieverbot. Nur ist letzteres nicht so klar erkennbar wie ersteres. Durch Verletzung des Bestimmtheitsgebotes wird zugleich die Schutzwirkung des Analogieverbotes geschwächt, dieses wird unterlaufen. Je weiter und unbestimmter Strafgesetzestexte sind, desto weniger ist die Praxis zur Befriedigung von Bestrafungsbedürfnissen auf Analogie angewiesen. Der sehr weite Wortlaut steht der Subsumtion nicht entgegen. Je konkreter und enger dagegen der Gesetzestext gefasst ist, desto größer ist die Gefahr, dass gleichstrafwürdige Fälle neben der Norm stehen und unter diese nur per analogiam gebracht werden können. Den geringsten Widerstand leistet das Analogieverbot verständlicherweise, wenn es überhaupt keinen Gesetzestext gibt, an dessen Grenzen die Subsumtion scheitern könnte. So kann man den gegenwärtigen Gesetzeszustand charakterisieren. Wo nur noch „Grundsätze“ erforderlich sind, entfällt die Prüfung, ob eine Rechtsanwendung dem „Gesetz“ entspricht.

D. Schluss

Verurteilung und Bestrafung wegen „unechter Unterlassungsdelikte“ geht mit der Missachtung des Art. 103 II GG einher.[33] Das gilt nicht für alle Fälle. Soweit sich das „rechtliche Einstehenmüssen“ auf Gesetze wie z. B. § 1626 BGB[34] oder § 1004 BGB (Ingerenz)[35], sowie auf vertragliche Vereinbarungen[36] stützen lässt, ist dem Bestimmtheitsgebot genüge getan und es findet weder gewohnheitsrechtliche noch analoge Rechtsanwendung statt. § 13 I StGB verweist auf diese Gesetze und Vereinbarungen und bildet mit diesen eine positivgesetzliche Einheit. Insbesondere bei vertraglich begründeten Beschützer- und Überwacherstellungen haben es die Beteiligten selbst in der Hand, für die gewünschte

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Vorhersehbarkeit strafrechtlicher Konsequenzen zu sorgen. Dagegen existiert z. B. für Garantenstellungen aus enger persönlicher Verbundenheit[37] oder tatsächlicher Übernahme[38] keine ausreichende gesetzliche Grundlage. Zur Beseitigung des verfassungswidrigen Zustands gibt es nur zwei Wege: Entweder der Gesetzgeber schließt die Regelungslücke oder die Rechtsprechung vermeidet zukünftig Verurteilungen, die gegen Art. 103 II GG verstoßen. Die pessimistische Prognose des Verfassers lautet: Beides wird auf absehbare Zeit nicht geschehen.[39]


Prof. Dr. Wolfgang Mitsch, em. Professor für Strafrecht an der Universität Potsdam.

[1] Schmitz, in Münchener Kommentar StGB, Bd. 1, 4. Aufl. 2020, § 1 Rn. 54 ff.

[2] Dannecker, Das intertemporale Strafrecht, 1993, 277; Schmitz, in Münchener Kommentar StGB, Bd. 1, 4. Aufl. 2020, § 1 Rn. 61.

[3] Seebode in Seebode (Hrsg.), FS Spendel, 1992, 317, 335.

[4] Schürmann, Unterlassungsstrafbarkeit und Gesetzlichkeitsgrundsatz, 1986, S. 125; Seebode in Seebode (Hrsg.), FS Spendel, 1992, 317, 333: „Unbehagen“.

[5] D. Albrecht, Begründung von Garantenstellungen in familiären und familienähnlichen Beziehungen, 1998, S. 141.

[6] So auch in dem neuesten voluminösen Werk auf dem Markt der Ausbildungsliteratur, dem Buch „Strafrecht“ von Wolfgang Frisch, 2022, § 8 Rn. 17: Danach wurden durch § 13 I StGB die „Bedenken angesichts der Weite und Unbestimmtheit dieser Vorschrift nicht vollständig ausgeräumt“.

[7] Kühl, Strafrecht Allgemeiner Teil, 8. Aufl. 2017, § 18 Rn. 41.

[8] Der Text stammt ursprünglich von Karl Lackner, Kristian Kühl hat ihn unverändert übernommen.

[9] Lackner/Kühl, StGB, 29. Aufl. 2018, § 13 Rn. 21; in der 30. Aufl. 2023 unverändert übernommen von Martin Heger.

[10] Kühl in Putzke/Hardtung/Hörnle/Merkel/Scheinfeld/Schlehofer/Seier (Hrsg.), FS Herzberg, 2008, 177, 190.

[11] Jescheck in Jescheck/Vogler (Hrsg.), FS Tröndle, 1989, 795, 815. Zutreffende Kritik bei Schürmann, Unterlassungsstrafbarkeit und Gesetzlichkeitsgrundsatz, 1986, S. 128, der die Widersprüchlichkeit von Jeschecks Bemerkungen in anderen Publikationen zu demselben Thema klar zutage fördert.

[12] Schürmann, Unterlassungsstrafbarkeit und Gesetzlichkeitsgrundsatz, 1986, S. 131; Seebode in Seebode (Hrsg.), FS Spendel, 1992, 317, 328.

[13] Konsequent Bosch, in Schönke/Schröder, StGB, 30. Aufl. 2019, § 13 Rn. 5/6, nach dem der Einwand der Unbestimmtheit nicht erhoben werden könne.

[14] Gropp/Sinn, Strafrecht Allgemeiner Teil, 5. Aufl. 2020, § 11 Rn. 20: „[…] wird man daher das Gesetzlichkeitsprinzip als noch gewahrt betrachten können“.

[15] BGH NStZ 1992, 125: Geringfügige Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit, durch Unaufmerksamkeit auf die linke Fahrbahnseite geraten.

[16] Schürmann, Unterlassungsstrafbarkeit und Gesetzlichkeitsgrundsatz, 1986, S. 133, 161; Seebode in Seebode (Hrsg.), FS Spendel, 1992, 317, 319 weisen darauf hin, dass nach geltendem Strafrecht Unterlassen mit lebenslanger Freiheitsstrafe geahndet werden kann.

[17] D. Albrecht, Begründung von Garantenstellungen in familiären und familienähnlichen Beziehungen, 1998, S. 151.

[18] Kühl, Strafrecht Allgemeiner Teil, 8. Aufl. 2017, § 18 Rn. 41: „Immerhin sind bloß moralisch gebotene Einstandspflichten für andere, deren Rechtsgüter in Gefahr sind, als Garantenstellungen begründende Pflichten ausgeschlossen.“; ebenso D. Albrecht, Begründung von Garantenstellungen in familiären und familienähnlichen Beziehungen, 1998, S. 152; Jescheck/Weigend, Lehrbuch des Strafrechts Allgemeiner Teil, 5. Aufl. 1996, S. 609; Maiwald JuS 1981, 473, 480.

[19] Seebode JZ 2004, 305: „Eine Selbstverständlichkeit“.

[20] Normadressaten ohne juristisches Wissen werden zu einer Auslegung von Normtexten ohnehin nicht in der Lage sein; Schmitz, in Münchener Kommentar StGB, Bd. 1, 4. Aufl. 2020, § 1 Rn. 55.

[21] Berster, Das unechte Unterlassungsdelikt, 2014, S. 53.

[22] D. Albrecht, Begründung von Garantenstellungen in familiären und familienähnlichen Beziehungen, 1998, S. 133; Schürmann, Unterlassungsstrafbarkeit und Gesetzlichkeitsgrundsatz, 1986, S. 124; Seebode in Seebode (Hrsg.), FS Spendel, 1992, 317, 329; ebenso bereits Kaufmann JuS 1961, 173, 176 zum gleichlautenden § 13 StGB des E 1960.

[23] Roxin in Roxin/Stree/Zipf/Jung (Hrsg.), Einführung in das neue Strafrecht, 1974, 2.

[24] Herbertz, Die Ingerenz, 2020, S. 182.

[25] Jescheck/Weigend, Lehrbuch des Strafrechts Allgemeiner Teil, 5. Aufl. 1996, S. 609.

[26] So Utz, Die personale Reichweite der strafrechtlichen Geschäftsherrenhaftung, 2016, S. 36.

[27] Roxin in Roxin/Stree/Zipf/Jung (Hrsg.), Einführung in das neue Strafrecht, 1974, 2.

[28] Kuhlen in Paeffgen/Böse/Kindhäuser/Stübinger/Verrel/Zaczyk (Hrsg.), FS Puppe, 2011, 669.

[29] Böhm JuS 1961, 177, 178.

[30] Roxin, Strafrecht Allgemeiner Teil II, 2003, § 31 Rn. 32; ebenso Gaede, in Nomos Kommentar StGB, 6. Aufl. 2023, § 13 Rn. 3; unklar z. B. Gropp/Sinn, Strafrecht Allgemeiner Teil, 5. Aufl. 2020, § 11 Rn. 19, nach deren Ansicht die Bedenken hinsichtlich des Analogieverbotes „in den Hintergrund getreten“ sind, also dort – im „Hintergrund“ − noch vorhanden sind?

[31] Grünwald ZStW 76 (1964), 1, 7: „Analogiegebot“.

[32] Grünwald ZStW 76 (1964), 1, 16.

[33] Mitsch in Baumann/Weber/Mitsch/Eisele (Hrsg.), Strafrecht Allgemeiner Teil, 13. Aufl. 2021, § 21 Rn. 42-44.

[34] Mitsch in Baumann/Weber/Mitsch/Eisele (Hrsg.), Strafrecht Allgemeiner Teil, 13. Aufl. 2021, § 21 Rn. 60; Seebode in Seebode (Hrsg.), FS Spendel, 1992, 317, 340.

[35] Mitsch in Baumann/Weber/Mitsch/Eisele (Hrsg.), Strafrecht Allgemeiner Teil, 13. Aufl. 2021, § 21 Rn. 70; aA Seebode in Seebode (Hrsg.), FS Spendel, 1992, 317, 344.

[36] D. Albrecht, Begründung von Garantenstellungen in familiären und familienähnlichen Beziehungen, 1998, S.155; Mitsch in Baumann/Weber/Mitsch/Eisele (Hrsg.), Strafrecht Allgemeiner Teil, 13. Aufl. 2021, § 21 Rn. 64; Seebode in Seebode (Hrsg.), FS Spendel, 1992, 317, 341.

[37] Mitsch in Baumann/Weber/Mitsch/Eisele (Hrsg.), Strafrecht Allgemeiner Teil, 13. Aufl. 2021, § 21 Rn. 79; Seebode in Seebode (Hrsg.), FS Spendel, 1992, 317, 344.

[38] Mitsch in Baumann/Weber/Mitsch/Eisele (Hrsg.), Strafrecht Allgemeiner Teil, 13. Aufl. 2021, § 21 Rn. 66; Seebode in Seebode (Hrsg.), FS Spendel, 1992, 317, 341.

[39] Wenn schon die h.M. – in der Literatur − vor den Konsequenzen der eigenen Forderung zurückschreckt (so der zutreffende Befund bei Schmitz, in Münchener Kommentar StGB, Bd. 1, 4. Aufl. 2020, § 1 Rn. 50), wird man von der Rechtsprechung und der an dem Thema desinteressierten Politik nichts erwarten können.

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Kernstrafrecht