Wertungen in der Strafrechtswissenschaft

Reference: NSW 2024, 5-18
DOI: 10.61039/29427509-2024-01

Der Beitrag befasst sich mit Wertungen in der Strafrechtswissenschaft. Er zeigt zunächst auf, dass und weshalb Werturteile nicht wahrheitsfähig sind, keine Erkenntnisse ausdrücken und somit als wissenschaftliche Äußerungen einen problematischen Charakter haben. Sodann wird untersucht, welche Konsequenzen sich daraus sich für eine Strafrechtswissenschaft ergeben, die sich als kritisch-praktische Disziplin mit entscheidungsvorbereitender Funktion versteht.

A. Einleitung: Wertungen in Strafrechtspraxis und Strafrechtswissenschaft

Wertungen sind in der Strafrechtspraxis ubiquitär. Das gilt für Gesetzgebung und Gesetzesanwendung gleichermaßen. Gesetzgeberische Festlegungen, welche Handlungen strafbar (und damit strafwürdig und strafbedürftig) sind, wem sie zugerechnet und vorgeworfen werden können und innerhalb welchen Strafrahmens die Strafe für diese Handlungen zuzumessen ist, beruhen stets auf Werturteilen. Aber auch die Gesetzesanwendungsorgane nehmen eine Vielzahl von Wertungen vor, so beispielsweise, wenn sie entscheiden, ob ein bestimmtes Unterlassen einem Tun entspricht, ob in einer Notstandslage das geschützte Interesse das beeinträchtigte Interesse wesentlich überwiegt und die Tat ein angemessenes Mittel zur Gefahrenabwehr darstellt, ob ein Beweggrund niedrig i.S. des § 211 StGB ist, ob eine Äußerung des Täters eine andere Person herabwürdigt, ob eine konkrete Strafe unter Abwägung aller für und gegen den Täter sprechenden Umstände tat- und schuldangemessen ist

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oder ob bei der Interpretation einer Vorschrift der gesetzlichen Systematik der Vorrang vor den Gesetzesmaterialien zukommt.

Dass die Strafrechtspraxis allgegenwärtig mit Wertungen verbunden ist, bedeutet freilich nicht, dass es sich bei der Strafrechtswissenschaft ebenso verhalten muss. Allein der Umstand, dass sie die Wertungen der Praxis zu ihrem Untersuchungsgegenstand macht, verleiht ihr selbst noch keinen wertenden Charakter.[1] Am Beispiel: Beantwortet die Autorin einer strafrechtswissenschaftlichen Abhandlung die Frage, wann der 3. Strafsenat politische Tötungsmotive als niedrige Beweggründe bewertet und wie diese Rechtsprechung sich zur früheren höchstrichterlichen Judikatur verhält, trifft sie schlicht bestimmte Tatsachenaussagen über gewisse Wertungen seitens des BGH; sie schaut also insoweit aus einer wertungsneutralen Beobachterauf die wertende Teilnehmerperspektive und enthält sich dabei einer eigenen Bewertung.

Jedoch geht es der Strafrechtswissenschaft nach vorherrschendem Selbstverständnis nicht lediglich darum, aus der Beobachterperspektive Gesetzgebungsakte, Gesetzestexte und gerichtliche Entscheidungen zu beschreiben, zu analysieren und ggf. zu prognostizieren. Vielmehr sieht sie sich im Kern als eine kritisch-praktische Disziplin mit entscheidungsvorbereitender Funktion, die die Legislative berät und rechtsanwendungsorientiert die Gerichte und andere rechtsanwendende Organe bei ihrer Tätigkeit anleitet bzw. unterstützt und damit zu einer konsistenten Entscheidungspraxis beiträgt. Nach überwiegender Ansicht nimmt sie deshalb grundsätzlich die Teilnehmerperspektive ein. Wertungen sind daher auch in der Strafrechtswissenschaft ubiquitär. So sind dort getroffene Aussagen etwa über die Legitimität des Strafens, vorpositive Grenzen der Strafgesetzgebung, Vorzüge oder Mängel der aktuellen Gesetzeslage oder konkreter Gesetzesvorhaben, begrüßenswerte oder kritikbedürftige Tendenzen in der gegenwärtigen Kriminalpolitik, die richtige Auslegung einer Strafvorschrift oder die systematische Ordnung und Gliederung des Strafrechts regelmäßig mit Werturteilen verbunden. Der Sprecher nimmt hier stets positiv oder negativ zu bestimmten rechtlich relevanten Aspekten Stellung. Können solche Werturteile aber in

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irgendeiner Form wissenschaftliche Objektivität für sich beanspruchen? Das erscheint fraglich, denn nach einer verbreiteten wissenschaftstheoretischen Auffassung sind sie weder wahr noch falsch, also nicht wahrheitsfähig, beruhen nicht auf (methodengeleiteter) Erkenntnis und artikulieren kein Wissen, sondern bringen vielmehr voluntative bzw. expressive Haltungen subjektiver Natur zum Ausdruck.[2]

B. Zur (Un-)Möglichkeit eines Wertewissens

Allerdings verflüchtigte sich die Frage nach der wissenschaftlichen Objektivität von Werturteilen, wenn sich zeigen ließe, dass ihnen sehr wohl Wahrheitsfähigkeit zukommt und sie, falls sie wahr und begründet sind, echtes Wissen ausdrücken können.[3] In Bezug auf moralische Werturteile wird eine solche Sichtweise in der Moralphilosophie (genauer: der Metaethik[4]) von einer wieder im Vordringen befindlichen Meinung auch bejaht. Träfen die dort zur Begründung vorgebrachten Überlegungen zu, ließen sie sich womöglich auch auf strafrechtliche Werturteile anwenden – zumindest soweit diese Werturteile moralische Bewertungen im Zusammenhang mit strafrechtlichen Problemstellungen enthalten.

Für die Möglichkeit eines Wertewissens spricht zunächst, dass moralische Werturteile wie beispielsweise „das Retten einer in Not befindlichen Person ist gut“ dieselbe grammatikalische Form aufweisen wie normale Tatsachenaussagen, bei denen über die Wahrheitsfähigkeit kein Zweifel besteht. Freilich: Die Oberflächengrammatik eines Satzes kann über seine tatsächliche Bedeutung täuschen. Zudem ist die Sprachbedeutung nicht selbstrechtfertigend.[5] Selbst wenn eine Bedeutungsanalyse zeigte, dass (moralische) Werturteile wie Tatsachenaussagen einen Wahrheitsanspruch erheben, könnten dem unzutreffende Annahmen

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der Sprachgemeinschaft über die Existenz objektiver Werte oder Normen zugrunde liegen.[6] Die Frage, ob Werturteile ein Wertewissen ausdrücken können, lässt sich daher nur mit erkenntnistheoretischen und ontologischen Argumenten beantworten.[7]

I. Wertewissen durch Erfahrung?

Einige Moralphilosophen vertreten die Ansicht, der Erwerb eines Wertewissens unterscheide sich im Grundsatz nicht von der Gewinnung empirischer Erkenntnis. Zur Lösung moralischer Probleme seien evaluative bzw. normative Theorien zu entwickeln, die als zentralen Bestandteil bestimmte mit Allgemeinheitsanspruch ausgestattete Werte, Regeln, Prinzipien oder Zwecke beinhalten. Diese Theorien könnten dann anhand unserer auf Einzelfälle bezogenen moralischen Intuitionen bzw. moralischen Wahrnehmungen geprüft und kritisiert werden. Stimme die aus der Theorie folgende Bewertung eines Einzelfalles nicht mit der diesbezüglichen moralischen Intuition bzw. Wahrnehmung überein, werde die Theorie durch letztere falsifiziert.[8]

Moralische Intuitionen bzw. Wahrnehmungen erfüllen nach diesem Verständnis für die Prüfung evaluativer bzw. normativer Theorien erkenntnis-theoretisch die gleiche Funktion wie Beobachtungen für die Prüfung empirischer Theorien.[9] Eine solche Gleichsetzung erscheint bei genauerer Betrachtung indes problematisch. Als Erkenntnisakte beziehen sich Beobachtungen auf die wahrnehmbaren Objekte, Eigenschaften, Strukturen oder Prozesse der objektiven Welt.[10] Daher kommt ihnen nicht bereits als solchen eine bestätigende oder widerlegende Kraft zu. Ihre Eignung als Prüfungsinstanz einer Theorie ist vielmehr davon abhängig, dass sie auch zutreffen. Das ist nur dann der Fall, wenn der wahrgenommene Sachverhalt wirklich besteht. Falsifikatoren einer Theorie sind

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demnach nicht Beobachtungen, sondern die Tatsachen der Welt.[11] Bei den Beobachtungen und den Beobachtungsaussagen, in denen erstere formuliert werden, handelt es sich deshalb lediglich um die – falliblen – Mittel, mit deren Hilfe der Mensch diese Tatsachen erfassen will.

Moralische Intuitionen bzw. Wahrnehmungen müssten somit, um erkenntnistheoretisch die gleiche Rolle wie empirische Beobachtungen zu spielen, wie letztere bestimmte Tatsachen erfassen. Das verpflichtet zu ontologischen Annahmen, die entweder einen moralischen Realismus oder einen moralischen Platonismus implizieren. Moralische Realisten behaupten, es gebe Werteigenschaften, die den Objekten, Ereignissen oder Zuständen der Welt unabhängig von subjektiven Bewertungen zukommen. Sie postulieren objektive Werttatsachen, die Bestandteil unserer natürlichen Welt sein sollen.[12] Platonisten hingegen vertreten die Auffassung, objektive moralische Werte oder Normen gehörten als abstrakte bzw. ideale Entitäten zu einer von der natürlichen Welt zu unterscheidenden eigenen normativen Welt.[13] Beide Konzeptionen stimmen aber darin überein, dass Werteigenschaften bzw. moralische Werte oder Normen normative Tatsachen darstellen, die wie andere Tatsachen der menschlichen Erkenntnis zugänglich seien.[14]

Diese Annahmen sind indes mit erheblichen Problemen behaftet. Ontologisch spricht gegen die These von objektiven Werttatsachen als Bestandteilen der natürlichen Welt, dass sie kaum mit den Gesetzmäßigkeiten dieser Wirklichkeit vereinbar scheinen.[15] Kennzeichnend für die Elemente der natürlichen Welt ist, dass sie in naturgesetzlicher Weise miteinander verbunden sind. Wertqualitäten verfügen dagegen nicht über diese Eigenschaft. Sie wären somit die einzigen natürlichen Entitäten, die in keiner naturgesetzlichen Relation zueinander und zu den anderen Objekten und Ereignissen ihrer gemeinsamen Welt stünden. Die Annahme einer eigenen normativen Welt vermeidet zwar dieses Problem. Sie steht

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aber – neben generellen Bedenken gegen den Platonismus – vor der Schwierigkeit, dass völlig unklar bleibt, in welchem Verhältnis diese eigene normative Welt zur natürlichen Welt steht, insbesondere wie die erstere ohne das Bestehen naturgesetzlicher Verbindungen auf die letztere Einfluss nehmen können soll.

Ebenso schwer wiegen die erkenntnistheoretischen Bedenken. Beobachtungen der Welt sind möglich, weil ihre Objekte und Prozesse kausal auf die menschlichen Sinnesorgane einwirken. Den postulierten objektiven Werteigenschaften, Werten und Normen fehlt aber eine solche kausale Wirksamkeit.Ohne die Möglichkeit einer kausalen Einwirkung auf die Sinnesorgane ist jedoch nicht zu sehen, wie der Mensch von Werttatsachen empirisch Kenntnis erlangen soll.[16] Anders als bei sozialen Tatsachen – etwa durch bestimmte Personen realiter vorgenommenen Wertungen oder in bestimmten Gesellschaften faktisch geltenden Normen – kann man hier auch nicht an ein bestimmtes sprachliches oder nonverbales menschliches Verhalten als wahrnehmbares Ereignis anknüpfen, das dann entsprechend gedeutet wird.[17]

Die Möglichkeit einer Werterkenntnis kann somit nicht durch eine einfache Übertragung des empirischen Erkenntnisverfahrens auf den Bereich der Moral begründet werden. Für den Erwerb von Erfahrungswissen ist die Fähigkeit des Menschen, Tatsachen der natürlichen Welt durch Beobachtung zutreffend zu erfassen, konstitutiv. Eine solche beobachtungsanaloge Funktion können moralische Intuitionen nicht erfüllen. Denkbar ist allerdings, für den Bereich der Moral das Erfordernis der Bezugnahme auf bestimmte Werttatsachen aufzugeben. So wollen manche Moralphilosophen sich damit begnügen, die allgemeine moralische Theorie und die auf Einzelfälle bezogenen moralischen Intuitionen bzw. moralischen Alltagsurteile durch einen wechselseitigen Abgleich in ein kohärentesBeziehungsgefüge, das sog. Überlegungsgleichgewicht, zu bringen, ohne dass dabei den Intuitionen beziehungsweise den Alltagsurteilen irgendwelche Werttatsachen korrespondieren müssten.[18] Prüfungs-

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instanz der Theorie sind nach diesem Verständnis also anders als bei der empirischen Erkenntnis nicht die Tatsachen der Welt, die in Beobachtungen und ihren sprachlichen Korrelaten lediglich erfasst werden, sondern die moralischen Intuitionen oder moralischen Alltagsurteile selbst.

Durch den Verzicht auf Werttatsachen als Prüfungsinstanz umgeht der kohärenztheoretische Ansatz die Probleme des moralischen Realismus und des moralischen Platonismus. Dafür zahlt er indes einen Preis: Es ist nicht zu sehen, wie sich für rein kohärenztheoretisch begründete Werturteile ein Wahrheits- und Erkenntnisanspruch aufrechterhalten lässt. Zwar sind wahre Aussagen über die logischen Relationen zwischen den einzelfallbezogenen moralischen Intuitionen oder moralischen Alltagsurteilen und der allgemeinen normativen Theorie möglich. Ob ein im Wege des Überlegungsgleichgewichts konstruiertes System allgemeiner und individueller moralischer Werturteile stimmig, also kohärent ist, stellt eine der menschlichen Erkenntnis zugängliche Tatsache dar. Das verleiht jedoch nicht den individuellen Werturteilen selbst einen erkenntnishaften Charakter. Ohne einen solchen bleibt die kohärenztheoretisch konzipierte Moraltheorie, die diese Werturteile zur Theorie- und Systembildung heranzieht, aber subjektivistisch. Erkenntnisse könnten die individuellen Werturteile nur ausdrücken, wenn sie sich auf Werttatsachen bezögen – was zurückführt zu den Problemen des moralischen Realismus und des moralischen Platonismus.

II. Wertewissen durch gedankliche Einsicht?

Andere Moralphilosophen meinen, moralische Erkenntnis bestehe in der gedanklichen Einsicht in die Gültigkeit eines Wertes oder einer Norm.[19] Als objektive Beurteilungsmaßstäbe sollen dabei bestimmte oberste Werte, Zwecke, Regeln oder Prinzipien dienen. Bekannte Beispiele sind Kants kategorischer Imperativ, das utilitaristische Nutzenmaximierungsprinzip oder der diskursethische Universalisierungsgrundsatz (U). Damit stellt sich die Frage, auf welche Weise diese obersten Werte, Zwecke, Regeln oder Prinzipien ihrerseits objektiv begründet werden können. Eine empirische Erkenntnis als Werttatsache kommt aus den dargelegten Gründen nicht in Betracht. Als Alternative bliebe daher nur eine Erkenntnis a priori, das heißt eine reine Vernunfterkenntnis, die durch Erfahrung weder bestätigt noch widerlegt werden kann. Möglich ist eine

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solche Erkenntnis a priori bei sog. analytischen Aussagen, deren Wahrheitswert bereits aus ihrer logischen Form oder den Bedeutungen der in ihnen vorkommenden Ausdrücke folgt. Am Beispiel: Die Aussage „alle Junggesellen sind unverheiratete Männer“ ist wahr schlicht aufgrund der Bedeutung des Begriffs „Junggeselle“. Aus logischen Gesetzen und semantischen Sprachregeln allein lassen sich jedoch keine moralischen Werte, Zwecke oder Prinzipien gewinnen.[20] Wie aber sollen sie dann unabhängig von Erfahrung erkannt werden können? Denkbar wäre es, sie aus weiteren theoretischen Aussagen abzuleiten. Damit verschöbe sich das Erkenntnisproblem jedoch nur um eine Ebene, da nunmehr die als Prämissen fungierenden Aussagen ihrerseits einer Rechtfertigung als apriorische Erkenntnisse bedürften.

Um hier sowohl einen infiniten Begründungsregress als auch eine zirkuläre Begründung zu vermeiden, müssen die Vertreter einer reinen Vernunftethik letztlich behaupten, dass der menschliche Verstand irgendwelche obersten Werte, Zwecke, Regeln oder Prinzipien unmittelbar einsehen kann.[21] Sie nehmen damit ebenso wie manche moralische Realisten, die eine moralische Intuition als eigene Art des Erkennens von konkreten Werttatsachen auffassen,[22] Zuflucht zu einem mysteriösen besonderen Erkenntnisvermögen, das sie jedoch nicht plausibel begründen können. Damit führt auch das aprioristische Begründungsmodell in eine erkenntnistheoretische Sackgasse.

C. Folgen der Unmöglichkeit eines Wertewissens für die Strafrechtswissenschaft

Nach alledem ist die Möglichkeit eines Wertewissens – sei es durch Erfahrung, sei es durch gedankliche Einsicht – zu verneinen. Was folgt daraus für die Strafrechtswissenschaft, in der, wie eingangs erwähnt, Werturteile (bislang) weit verbreitet sind? Muss der geschilderte Befund nicht erhebliche Zweifel an der wissenschaftlichen Objektivität ihrer Aussagen aufwerfen?

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Eine erste Strategie im Umgang mit dieser Problematik besteht darin, schlicht ihre Relevanz zu bestreiten oder zumindest zu relativieren. Manche berufen sich darauf, dass die (Straf-)Rechtswissenschaft eben keine empirische oder formale, sondern eine normative, argumentierende und begründende Wissenschaft darstelle.[23] Deshalb sei es auch von vornherein verfehlt, die fremden Maßstäbe empirischer oder formaler Disziplinen an die (Straf-)Rechtswissenschaft anzulegen.[24] Das vermag indes kaum zu überzeugen, da mit dem Verweis auf die Topoi der Normativität, Argumentation oder Begründung – deren epistemischer Status im Unklaren bleibt – das Problem mangelnder Wahrheitsfähigkeit und Objektivität wertender Aussagen nicht gelöst, sondern lediglich verdeckt wird.

Für eine zweite Strategie steht insbesondere die Reine Rechtslehre Hans Kelsens. Sie propagiert als Lösung eine radikale Selbstbeschränkung der (Straf-)Rechtswissenschaft. Diese habe, gereinigt von allen ihr fremden Elementen, vor allem von Ethik, politischer Theorie, Psychologie und Soziologie, allein ihren Gegenstand – das positive Recht – zu erkennen und objektiv zu beschreiben.[25] Die damit verbundene „Wertungsaskese“[26] umfasst zunächst den Verzicht auf jegliches „rechtspolitisches Räsonnement“[27] (was nicht ausschließt, dass Rechtswissenschaftler sich als Bürger zu politischen Fragen äußern[28]). Aussagen über die Legitimität der Institution der Strafe, rechtsethische Grenzen der Strafgesetzgebung oder Vorzüge oder Mängel konkreter Gesetzesvorhaben gehörten demnach nicht in den Kompetenzbereich der Strafrechtswissenschaft. Ferner müsste sich die (Straf-)Rechtswissenschaft bei der Interpretation der Rechtstexte damit zufriedengeben, ihre möglichen Bedeutungen herauszuarbeiten; eine Empfehlung, welche Deutungsvariante sodann den Vorzug verdiene, könnte sie dagegen nicht geben.[29]

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Diese weitgehende Selbstbescheidung unter Verzicht auf eine beratende und entscheidungsvorbereitende Funktion der (Straf-)Rechtswissenschaft scheint prima facie das Werturteilsproblem an der Wurzel zu packen. Fraglich ist freilich, ob eine solch radikale Lösung wirklich erforderlich (dazu sogleich) und ob sie überhaupt durchführbar ist. Kelsens Interpretationslehre geht davon aus, dass – obgleich jede Rechtsanwendung immer auch wertende Rechtserzeugung darstellt – eine wertungsfreie Rechtswissenschaft immerhin einen Rahmen abstecken kann, also im Wege der Erkenntnis zu bestimmen vermag, welche Konkretisierungsmöglichkeiten von gesetzlichen Regelungen vertretbar sind und welche nicht. Problematisch erscheint hier jedoch nicht bloß, dass eine vollständige Aufzählung aller in Betracht kommenden statthaften Interpretationsvarianten bei etwas komplexeren Rechtsverhältnissen nicht einmal annäherungsweise leistbar sein dürfe.[30] Vielmehr ist bereits zweifelhaft, ob der Rahmen, der die zulässigen Deutungen von den unzulässigen scheidet, tatsächlich gänzlich wertungsfrei durch einen Akt reiner Erkenntnis zu ermitteln ist.[31] Besonders augenfällig wird das bei Rechtstexten, die bewertende Begriffe enthalten, die gerade auf eine Eigenwertung des Rechtsanwenders abzielen – wie etwa die Merkmale der Angemessenheit in § 34 StGB, des Beschimpfens in § 166 StGB, der niedrigen Beweggründe in § 211 StGB oder der Verwerflichkeit in §§ 240, 253 StGB.

Eine dritte Strategie plädiert dafür, die herkömmliche Konzeption der      (Straf-)Rechtswissenschaft als vorwiegend normativ-hermeneutische Rechtsanwendungswissenschaft durch ein sozialwissenschaftliches Rechtswissenschaftsmodell zu ersetzen. Danach soll (Straf-)Rechtswissenschaft als eine auf die Erforschung von Wirkungszusammenhängen gerichtete Realwissenschaft betrieben werden.[32] Ihre Aufgabe bestünde danach im Kern darin, die sozialen Wirkungen von denkbaren Regelungsvorschlägen, die sich etwa durch die Interpretation bestimmter Rechtstexte gewinnen lassen oder die zur Ausfüllung von Gesetzeslücken in Betracht kommen, zu ermitteln und im Hinblick auf rechtlich vorgegebene oder hypothetisch vorausgesetzte Zwecksetzungen und Wertungen zu beurteilen. Die Entscheidung, welche Zwecksetzungen

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tatsächlich verfolgt und welche Wertungen gelten sollen, fiele allerdings nicht mehr in den Aufgabenbereich einer so verstandenen (Straf-)Rechtswissenschaft. Vielmehr begnügte sie sich mit deskriptiven Aussagen über Normen und ihre Wirkungen und verzichtete auf Eigenwertungen. Gleichwohl wäre sie, im Unterschied zu Kelsens Reiner (Straf-)Rechtslehre, in der Lage, die Rechtspraxis zu unterstützen, indem sie diese über ihre Möglichkeiten informiert und darüber aufklärt, wie sie sich rationalerweise entscheiden müsste, wenn sie bestimmte Ziele anstrebt.

Für diese Konzeption spricht auf den ersten Blick, dass sie einerseits an der praktischen Funktion der (Straf-)Rechtswissenschaft festhält, andererseits aber durch die Bezugnahme auf gesetzlich vorgegebene oder hypothetisch angenommene Zwecksetzungen und Wertungen auf wissenschaftstheoretisch problematische eigene Werturteile verzichtet. Eine Schwäche besteht aber darin, dass das Modell mit seiner zu einseitigen Fokussierung auf empirische Wirkungszusammenhänge das Verstehen und Interpretieren von Rechtstexten als eine letztlich nicht weiter problematische Vorfrage behandelt. Damit werden die besonderen Herausforderungen und Schwierigkeiten der Gesetzesinterpretation unterschätzt.[33] Auch verliert die sozialwissenschaftliche Konzeption die klassische rechtsdogmatische Arbeit der Systematisierung des geltenden Rechts durch die Bildung von dogmatischen Kategorien, Grundstrukturen und Figuren, die sodann die Rechtsanwendung zu strukturieren, zu vereinfachen, zu vereinheitlichen, zu kontextualisieren und zu kontrollieren vermag, aus dem Blick.

Es verbleibt eine vierte Strategie. Sie bekennt sich dazu, dass die (Straf-)Rechtswissenschaft in erheblichem Maße eine hermeneutische Disziplin mit kritisch-praktischer Funktion darstellt,[34] was in gewissem Umfang Wertungen unvermeidbar macht. Anders als die erste Strategie ebnet sie den Unterschied zwischen Tatsachenaussage und Werturteil aber nicht ein, sondern legt offen, an welchen Stellen sie mit Wertungen operiert, wobei deren subjektiver Entscheidungs­charakter angezeigt wird. Sie gehorcht also insoweit dem Transparenzgebot Max Webers.[35] Dabei gibt sie ihre Prämissen präzise an, denn auch wenn Werturteile als

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solche nicht wahrheitsfähig sind, können sie unter objektiv feststellbaren Mängeln leiden und in dieser Hinsicht rational kritisierbar sein, so etwa, wenn sie auf unzutreffenden tatsächlichen Annahmen beruhen, mit zu beachtenden rechtlichen Vorgaben nicht im Einklang stehen oder anderen Werturteilen des Wertenden widersprechen. Am Beispiel: Das Werturteil, Strafe sei legitim, weil sie die Allgemeinheit von der Begehung weiterer Straftaten abschrecke, wäre fehlerbehaftet, wenn die angenommene Präventivwirkung von Strafen tatsächlich nicht bestünde oder eine generalpräventiv begründete Strafe gegen die Menschenwürdegarantie des Art. 1 GG verstieße. (Ob das der Fall ist, braucht hier nicht entschieden zu werden.) Schließlich folgt die vierte Strategie einer Sparsamkeitsmaxime, d.h. sie verzichtet auf Werturteile, wo es ihrer nicht bedarf.

Welche Konsequenzen ergeben sich aus einem solchen Verständnis für die Strafrechtswissenschaft im Einzelnen? Das sei im Hinblick auf vier Problemkreise kurz skizziert.

(1) Straftheorie und Verbrechenslehre: Die Straftheorie als Teilgebiet der Strafrechtswissenschaft kann die Institution der Strafe stets nur – aber auch immerhin – relativ zu bestimmten subjektiven Interessen und Wertungen begründen. Dass diese Interessen verfolgt, diese Wertungsentscheidungen realisiert werden sollen, vermag sie nicht darzutun. Somit liegt es jenseits ihrer Möglichkeiten, die Institution der Strafe in einem absoluten Sinne zu rechtfertigen; entsprechende Bestrebungen[36] sind zum Scheitern verurteilt. Freilich kann sie Scheinbegründungen – metaphysische und andere – entschleiern, falsche empirische Annahmen über die Wirkungsweise von Strafe aufzeigen sowie auf unerwünschte Nebenfolgen hinweisen und dadurch verschiedene Begründungskonzeptionen delegitimieren. Insoweit kommt ihr eine wichtige aufklärend-kritische Funktion zu. Ebenso verhält es sich in Bezug auf die Verbrechenslehre. Die Suche nach absoluten Grenzen der Pönalisierung, etwa in Form der materiellen Rechtsgutslehren,[37] erweist sich als fehlgeleitet.[38] Wo die Grenzen der Strafbarkeit zu ziehen sind, hängt von grundlegenden weltanschaulichen Festlegungen ab, die der Strafgesetzgebung (jenseits des Verfassungsrechts) nicht vorgegeben sind.

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(2) Kriminalpolitische Beratung: Die Strafrechtswissenschaft kann die Rechtspolitik bei der Verwirklichung ihrer kriminalpolitischen Ziele beraten, indem sie untersucht, ob diese Ziele erreichbar sind, welche gesetzlichen Regelungen dazu geeignet wären und mit welchen Schwierigkeiten und Folgen gerechnet werden müsste.[39] Eigene Werturteile braucht die Strafrechtswissenschaft dabei in der Regel nicht zu treffen, da es für die Aufklärung und Information der Rechtspolitik über die bestehenden Optionen keine Rolle spielt, wie sie selbst deren Anliegen bewertet. Eine gewisse Ausnahme gilt bei axiologischen Einschätzungen. Geht es darum, eine vorgeschlagene Regelung – etwa im Hinblick auf den ins Auge gefassten Strafrahmen – vergleichend einzuordnen, beinhaltet dies notwendig eine subjektive Wertungskomponente.

(3) Interpretation: Bei der Erarbeitung von Interpretationsvorschlägen für Gesetzestexte sind Wertungen kaum vermeidbar. Das betrifft etwa die Kontextualisierung von Normformulierungen,[40] die Zurechnung von Äußerungen und Stellungnahmen im Gesetzgebungsverfahren zum gesetzgeberischen Willen, die Gewichtung von Interpretationstopoi, die Graduierung der Begriffsmerkmale bei Typusbegriffen[41] oder die Ausfüllung bewertender Begriffe, die auf eine Eigenwertung des Rechtsanwenders abzielen. Die Offenlegung der entsprechenden Wertungen inklusive ihrer Prämissen zeigt dem Rechtsanwender auf, an welcher Stelle er über Entscheidungsspielräume verfügt, bietet ihm aber zudem (sofern keiner der oben erwähnten Wertungsmängel vorliegt) eine vertretbare Interpretation an und nennt ihm Gründe, die für ihre Annahme sprechen.[42]

(4) Dogmatische Systembildung: Auch die Systematisierung des geltenden Rechts durch die Bildung von dogmatischen Kategorien, Grundstrukturen und Figuren kommt nicht ohne Wertungen aus. Indem die Strafrechtswissenschaft die Mannigfaltigkeit des positiven Strafrechts

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ordnet, bezieht sie diese auf begriffliche Einheiten, die idealtypisch[43] bestimmte Aspekte hervorheben und andere in den Hintergrund treten lassen, Gemeinsamkeiten oder Unterschiede in einer Hinsicht sichtbar machen und in anderer Hinsicht ignorieren, Hierarchien und Relationen bilden, die prinzipiell auch anders gestaltet werden könnten. Freilich erstreckt sich das Wertungserfordernis dabei zunächst nur auf die Auswahl der Ordnungskategorien; inwieweit sodann das Ordnen der strafrechtlichen Materie ebenfalls Wertungen verlangt, hängt von den gebildeten Kategorien ab.

D. Fazit

Werturteile sind nicht wahrheitsfähig und drücken keine Erkenntnisse aus. Als wissenschaftliche Äußerungen sind sie daher problematisch. Ein vollständiger Verzicht auf sie ist allerdings nicht möglich, wenn die Strafrechtswissenschaft weiterhin als kritisch-praktische Disziplin mit entscheidungsvorbereitender Funktion fungieren will. Die Strafrechtswissenschaft muss aber zumindest offenlegen, an welchen Stellen sie mit Wertungen operiert, und darf von ihnen nur sparsamen Gebrauch machen. Verbindlichkeit und Objektivität kann sie für diese Wertungen nicht beanspruchen.


Der Verfasser ist Inhaber des Lehrstuhls für Strafrecht, Strafprozessrecht, Rechtsphilosophie und Rechtssoziologie an der Ludwig-Maximilians-Universität München.

[1] Allgemein dazu Weber, Gesammelte Aufsätze zur Wissenschaftslehre, 7. Aufl. 1988, S. 499 f.; vertiefend Albert, Konstruktion und Kritik, 2. Aufl. 1975, S. 55; Dreier, Kelsen im Kontext, 2019, S. 351 ff. Speziell zu den Implikationen der Weberschen Wissenschaftstheorie für die Rechtswissenschaft Peters, in dies./Schrott (Hrsg.), Eine Theorie von der Wissenschaft des Rechts, 2023, S. 35. Zur Werturteilsproblematik im Strafrecht Hilgendorf, in Juristische Studiengesellschaft Karlsruhe (Hrsg.), Die Wertfreiheit in der Jurisprudenz, 2000, S. 1 ff.

[2] In diesem Zusammenhang ist freilich zu beachten, dass nicht jeder Gebrauch bewertender Begriffe eine Äußerung zu einem Werturteil macht und damit Fragen nach der Wahrheitsfähigkeit aufwirft. Am Beispiel: Die Erklärung, bei einem PKW handele es sich um ein „gutes Auto“, stellt eine wahrheitsfähige Tatsachenaussage dar, wenn mit ihr ausgedrückt werden soll, dass das Fahrzeug die Anforderungen eines vorausgesetzten Bewertungsmaßstabs – etwa den schnellen oder sicher oder umweltschonenden Transport der Insassen – erfüllt. Die Festlegung des Bewertungsmaßstabes – gut ist ein Fahrzeug dann, wenn es die Insassen schnell oder sicher oder umweltschonend an ihr Ziel bringt – bildet dagegen ein Werturteil, bei dem sich die Frage nach der Wahrheitsfähigkeit stellt.

[3] Zu einem umfassenden Überblick über die Debatte Staake, Werte und Normen, 2018, S. 97 ff.

[4] Die Metaethik befasst sich mit den semantischen, epistemologischen und ontologischen Fragen der Moral, darunter der nach der Begründbarkeit bzw. Rechtfertigbarkeit moralischer Urteile. Zum Überblick über den gegenwärtigen Diskussionsstand s. Rüther (Hrsg.), Grundkurs Metaethik, 2016; Stahl, Einführung in die Metaethik, 2013; eine Zusammenstellung klassischer Texte bei Heinrichs/Heinrichs (Hrsg.), Metaethik, 2016.

[5] Mackie, Ethics, 1977, S. 35.

[6] Ebd.

[7] Ausführlicher zu den folgenden Überlegungen Engländer ARSP 2004, 86; ders. Homo Oeconomicus 39 (2022), 25.

[8] Für eine Anwendung des Falsifikationismus auf normative Theorien z.B. Steinvorth, Gleiche Freiheit, 1999, S. 28 ff. Zur hypothetisch-deduktiven Methode in den empirischen Wissenschaften s. Albert, Kritik der reinen Erkenntnislehre, 1987, S. 70 ff.; Popper, Logik der Forschung, 10. Aufl. 1991, S. 34 ff.; sowie – stärker empiristisch akzentuiert – Quine, Pursuit of truth, rev. ed. 1992, S. 1 ff.

[9] In Übereinstimmung damit nimmt eine in der juristischen Methodenlehre vertretene Auffassung an, dass bei der Prüfung juridischer Theorien oder Normhypothesen das Rechtsgefühl eine beobachtungsäquivalente Rolle spielen könne; vgl. v. Savigny, Die Überprüfbarkeit der Strafrechtssätze, 1967, S. 82 f., 91 ff.; ders., Juristische Dogmatik und Wissenschaftstheorie, 1976, S. 120 ff.

[10] Dazu Albert (Fn. 8), S. 43 ff.

[11] Der Begriff der Tatsache wird hier verwendet als abkürzende Bezeichnung der existierenden Entitäten der Realität und ihrer Beziehungen zueinander, ohne dass damit eine bestimmte ontologische Annahme über den Status von Tatsachen verbunden sein soll.

[12] So z.B. Boyd in Sayre-McCord (Hrsg.), Essays on Moral Realism, 1988, S. 181 ff.; Enoch, Taking Morality Seriously, 2011; v. Kutschera, Grundlagen der Ethik, 2. Aufl. 1999, S. 219 ff.; Werner Ethics 93 (1983), 653 ff.

[13] Etwa Hartmann, Ethik, 3. Aufl., 1949, S. 148 ff.

[14] Je nachdem, wie sich moralische Platonisten die Erfassung objektiver Werttatsachen vorstellen, kann es sich bei ihnen aus erkenntnistheoretischer Sicht allerdings auch um Vertreter einer moralischen Erkenntnis durch reine Vernunfterkenntnis handeln. Für sie gelten die unter II.2. angestellten Überlegungen entsprechend.

[15] Mackie (Fn. 5), S. 38 ff., bezeichnet diesen Einwand als „argument from queerness“.

[16] Kein Ausweg ist es dabei, Wertbegriffe als theoretische Begriffe zu klassifizieren, die sich auf nicht beobachtbare Aspekte der Realität beziehen, oder Werteigenschaften als sekundäre Qualitäten wie Farbe, Geschmack, Geruch oder Klang aufzufassen, die nur in Abhängigkeit von menschlichen Empfindungen oder Wahrnehmungen bestimmt werden können. Näher dazu Engländer ARSP 2004, 86, 91 f.

[17] Zur Ontologie sozialer Tatsachen vgl. Searle, The Construction of Social Reality, 1995.

[18] Goldman, Moral Knowledge,1988. Zum Gedanken eines kohärenztheoretischen Überlegungsgleichgewichts in der politischen Philosophie vgl. Rawls, A Theory of Justice, rev. ed., 1999, S. 42 ff.

[19] So z.B. Habermas, Wahrheit und Rechtfertigung, 1999, S. 271 ff.

[20] Zu einem Versuch, auf einer Analyse der Semantik präskriptiver Sätze aufbauend eine utilitaristische Ethik zu begründen, vgl. allerdings Hare, Moral Thinking: Its Levels, Method, and Point, 1982. Kritisch dazu Tugendhat, Philosophische Aufsätze, 1992, S. 292 ff.

[21] Kein Ausweg ist es, die zu begründenden Werte, Zwecke, Regeln und Prinzipien lediglich als Hypothesen zu behandeln, da keine Prüfungskriterien zur Verfügung stehen, nach denen die nur hypothetisch angenommene Werte, Zwecke, Regeln oder Prinzipien als richtig oder falsch beurteilt werden könnten. Näher dazu Engländer ARSP 2004, 86, 94.

[22] So aktuell etwa Audi, The Good in the Right, 2004.

[23] Zur Debatte über das Wissenschaftsverständnis der Jurisprudenz s. Dreier (Hrsg.), Rechtswissenschaft als Beruf, 2018; Engel/Schön (Hrsg.), Das Proprium der Rechtswissenschaft, 2007; Jestaedt/Lepsius (Hrsg.), Rechtswissenschaftstheorie, 2008.

[24] Hörnle in Dreier (Fn. 23), S. 187 ff.; Kuhlen in Juristische Studiengesellschaft Karlsruhe (Fn. 1), S. 35 ff.

[25] Kelsen, Reine Rechtslehre, 2. Aufl. 1960, S. 1. Zu Kelsens Wissenschaftsprogramm s. Dreier (Fn. 1), S. 27 ff.

[26] Dreier (Fn. 1), S. 32.

[27] Kelsen (Fn. 25), S. III. Die verlangte Entpolitisierung bezieht sich dabei nur auf die Rechtswissenschaft, nicht auf dessen Untersuchungsgegenstand, das positive Recht. Dieses ist für Kelsen stets ein Ergebnis von Politik und damit mit ihr verbunden. Vgl. Kelsen in Klecatskyu.a. (Hrsg.), Die Wiener rechtstheoretische Schule, Bd. 1, 1968, S. 611, 620.

[28] Kelsen JW 1929, 1723, 1724.

[29] Kelsen (Fn. 25), S. 353. Ausf. zu Kelsens Interpretationslehre Dreier, Rechtslehre, Staatssoziologie und Demokratietheorie bei Hans Kelsen, 2. Aufl. 1990, S. 145 ff.

[30] Dreier (Fn. 1), S. 62.

[31] Krit. dazu Christensen, Was heißt Gesetzesbindung, 1989, S. 252 ff.

[32] Albert, Kritische Vernunft und rationale Praxis, 2010, S. 163 ff.; ders., Rechtswissenschaft als Realwissenschaft, 1993; ders., Kritischer Rationalismus, 2000, S. 57 ff.; Eidenmüller JZ 1999, 53 ff.

[33] S. dazu auch Huster in Hilgendorf(Hrsg.), Wissenschaft, Religion und Recht, 2006, S. 385, 393 ff.; Neumann in Hassemer/Neumann/Saliger(Hrsg.), Einführung in die Rechtsphilosophie und Rechtstheorie der Gegenwart, 2016, 11.4.2.

[34] Freilich darf dies nicht zu einer Ausblendung empirischer Wirkungszusammenhänge führen. Insoweit zu Recht kritisch Hörnle (Fn. 24), S. 215 ff.

[35] Weber (Fn. 1), S. 500.

[36] Klassisch Kant, Die Metaphysik der Sitten, Werkausgabe Bd. VIII, 1968, S. 452 ff.; gegenwärtig z.B. Zaczyk, FS Eser, 2005, 207.

[37] Hassemer, FS Androulakis, 2002, 207; Neumann, FS Fischer, 2018, 183; Roxin GA 2013, 433.

[38] Zur Kritik Engländer ZStW 127 (2015), 616; ders., FS Neumann, 2017, 547; Stuckenberg GA 2011, 653.

[39] Näher zu den kriminalpolitischen Ambitionen der Strafrechtswissenschaft Kölbel/Kubiciel GA 2023, 181; Münkler GA 2023, 230.

[40] Zur Bedeutung des Kontextes bei der Bedeutungsbestimmung Herbert, Rechtstheorie als Sprachkritik, 1995, S. 241 ff.

[41] S. dazu Puppe, Kleine Schule des juristischen Denkens, 5. Aufl. 2023, S. 66 ff.

[42] Die rechtswissenschaftliche Erarbeitung von Interpretationsvorschlägen kann daher eine unter Zeit- und Ressourcenknappheit tätig werdende Rechtspraxis entlasten. Zur weitergehenden Entlastungsfunktion der rechtsdogmatischen Systematisierung s. Alexy, Theorie der juristischen Argumentation, 2. Aufl. 1991, S. 329 f.

[43] Instruktiv zu Parallelen zu Webers Methode der Bildung von Idealtypen Peters (Fn. 1), S. 43 ff., 47 ff.