Seit der „Verabschiedung“ durch Ulrich Klug im Jahr 1968[1] gilt Kant gemeinhin als ein Vertreter der wissenschaftlich unhaltbaren Vergeltungstheorie.[2] Diese Einschätzung hat jedoch, nur sehr wenig mit Kant zu tun. Im Gegenteil: Kants Metaphysik der Sitten von 1797[3] enthält eine schon recht ausgefeilte Straftheorie von zeitloser Qualität.
A. Einleitung
Vorab: Tatsächlich finden sich bei Kant Belege für eine absolute Vergeltungstheorie. In § 36 der Tugendlehre in der Metaphysik der Sitten kann man folgendes lesen:
Eine solche rächende Strafe darf aber, wie es weiter heißt, niemand anders verhängen
Man muss jedoch – wie auch Kant – die göttliche Strafe strikt von der „richterlichen Strafe (poena forensis)“ (A VI, 331) unterscheiden, um die es in der Rechtslehre allein geht. Um Kants Straftheorie herauszuarbeiten, darf man freilich nicht, wie es üblich ist, einige Stellen herausgreifen, sondern man muss schon die „ganze“ Rechtslehre zur Kenntnis nehmen, d.h. insbesondere auch Kants Aussagen zum subjektiven Recht, zur Aufgabe des Rechts und zum Rechtsstaat. Die Grundzüge seiner Überlegungen sollen im Folgenden in neun Thesen, belegt mit einschlägigen Textnachweisen, vorgestellt werden.[4]
Erste These: Aufgabe des Rechtsstaates ist es, die Freiheit der Bürger „von eines anderen nötigender Willkür nach einem allgemeinen Gesetz“ mit den Mitteln des Rechts zu garantieren.
Im zweiten Teil der Rechtslehre mit der Überschrift „Das öffentliche Recht“ findet sich im Abschnitt über das öffentliche Recht Kants Straftheorie („Vom Straf- und Begnadigungsrecht“, AA VI, 331–337). Der systematische Zusammenhang der Metaphysik der Sitten zeigt, dass sich Kant nicht mit irgendeinem Strafrecht irgendeiner Rechtsordnung beschäftigt. Sein Thema ist vielmehr ein liberales Strafrecht in einem Rechtsstaat, welches seinen Ausgang von der Freiheit des Einzelnen als rechtlich geschützter Freiheit nimmt. Diese Freiheit als „Unabhängigkeit von eines anderen nötigender Willkür“ ist das „einzige, ursprüngliche, jedem Menschen kraft seiner Menschheit zustehende Recht“ (AA VI, 237). Dieses (subjektive) Recht ist freilich nicht schrankenlos, sondern findet seine Grenze in der Freiheit jedes anderen. und es ist die Aufgabe des Rechts, jetzt zugleich verstanden als Inbegriff von Rechtsgesetzen, seine Reichweite zu bestimmen.
Folglich lautet das „allgemeine Prinzip des Rechts“:
Rechtsschutz ist freilich nur in einem Rechtsstaat möglich. Der Rechtsstaat ist nach Kant nicht nur ein Staat, der sich Gesetze gibt und das Handeln seiner Organe und seiner Bürger nach Gesetzen ausrichtet. Diese Gesetze dienen – wenig überraschend – vor allem einem Zweck: der Sicherung der Freiheit.
Weil außerhalb eines Rechtsstaats, also im traditionellerweise so genannten Naturzustand, keine Rechtsicherheit gewährleistet ist, sind alle aus Vernunftgründen gehalten, den Naturzustand zu überwinden.
Auf diese Weise entsteht der Rechtsstaat:
Kant entwickelt in seiner Metaphysik der Sitten nicht nur das Modell eines freiheitlichen Rechtsstaats, sondern nimmt bereits Überlegungen vorweg, wie sie über 270 Jahre später von der „personalen Rechtsgutslehre“ formuliert werden: Strafrecht ist nur legitim, sofern es dem Schutz der Einzelnen und der hierfür notwendigen staatlichen Institutionen
dient.[5] Ein (Straf‑)Recht, welches von allen sozialen Zwecken absieht, ist für Kant gar nicht denkbar.
Zweite These: Da die Motive des Normadressaten nicht Gegenstand des Rechts sind, bleibt als einziges Mittel zur Beeinflussung des Verhaltens der Zwang.
Alle Gesetze sind, um praktisch werden zu können, darauf gerichtet, die Willkür zu bestimmen. Kant spricht von „inneren Bestimmungsgründen“ (AA VI, 214). Gleichwohl kann man zwischen zwei Arten der Gesetzgebung unterscheiden:
Die Pflichten nach der rechtlichen Gesetzgebung können nur äußere Pflichten sein, weil diese Gesetzgebung nicht verlangt, daß die „Diejenige, welche eine Handlung zur Pflicht und diese Pflicht zugleich zur Triebfeder macht, ist ethisch. Diejenige aber, welche das letztere nicht im Gesetze mit einschließt, mithin auch eine andere Triebfeder als die Idee der Pflicht selbst zuläßt, ist juridisch. Man sieht in Ansehung der letzteren leicht ein, daß diese von der Idee der Pflicht unterschiedene Triebfeder von den pathologischen Bestimmungsgründen der Willkür der Neigungen und Abneigungen und unter diesen von denen der letzteren Art hergenommen sein müsse, weil es eine Gesetzgebung, welche nötigend, nicht eine Anlockung, die einladend ist, sein soll. (…)
Die Pflichten nach der rechtlichen Gesetzgebung können nur äußere Pflichten sein, weil diese Gesetzgebung nicht verlangt, daß die Idee dieser Pflicht, welche innerlich ist, für sich selbst Bestimmungsgrund der Willkür des Handelnden sei und, da sie doch einer Triebfeder bedarf, nur äußere mit dem Gesetz verbinden kann.“ (AA VI, 219)
Die damit verbundene Unterscheidung zwischen Moral und Rechtsgesetz bzw. „Moralität“ und „Legalität“ (ibid.) ist in doppelter Hinsicht von Bedeutung. Erstens spielen innere Beweggründe für die wechselseitige Abgrenzung der Rechtssphären keine Rolle. Durch böse Gedanken allein wird das Recht eines anderen noch nicht beeinträchtigt. Zweitens appellieren zwar auch die Rechtsgesetze an den Willen der Normadressaten, aber die Rechtsordnung verlässt sich nicht auf ihren guten Willen. Die Bestimmungsgründe von Handlungen kann man zwar analysieren, aber nicht in ihrer Existenz überprüfen.[6]
Wer sich schon von selbst, aus eigener (moralischer) Überzeugung rechtstreu verhält, bedarf somit im Grunde genommen nicht der zusätzlichen Anweisung durch die Gesetze.[7] Das Gesetz ist somit vor allem für die Vernunftwesen notwendig, deren Bestimmungsgründe „pathologisch“ sind, weil sie mit der Freiheit von jedermann nach einem allgemeinen Gesetz unvereinbar sind. Da sie sich nicht bereits durch die Vorstellung der Pflicht zu rechtmäßigem Verhalten haben bestimmen lassen, hilft ihnen gegenüber nur noch Rechtszwang, d.h. Gewalt. Der Zusammenhang zwischen Recht und Zwangsbefugnis ist für Kant grundlegend. So ist „mit dem Rechte zugleich eine Befugnis, den, der ihm Abbruch tut, zu zwingen, nach dem Satze des Widerspruchs verknüpft“ (AA VI, 231). Ohne Rechtsschutz durch Zwang ist ein Recht gar nicht denkbar.[8] Belohnungen hält Kant für ungeeignet, weil nicht eine bestimmte Haltung anerzogen, sondern ein Verhalten erzwungen werden soll. Außerdem sind Belohnungen denjenigen vorbehalten, die mehr tun, als sie von Rechts wegen tun müssen.[9]
Von diesen Prämissen ausgehend hat später Feuerbach seine Lehre vom psychologischen Zwang entwickelt.[10] Bemerkenswerterweise wird Feuerbach gemeinhin in Gegensatz zu Kant gestellt und als prominenter Vertreter der Generalprävention angesehen.[11] Aber Feuerbach war ein
bekennender Kantianer, der dessen Rechtsphilosophie für die Strafrechtspraxis und Strafgesetzgebung fruchtbar machen wollte. Schon das deutet darauf hin, dass der Gegensatz, der üblicherweise zwischen der Generalprävention und der kantischen Position aufgemacht wird, ein scheinbarer ist. Mehr noch: Feuerbach betont vor allem die verhaltenssteuernde Kraft des Gesetzes – wie Kant auch. Insofern handelt es sich aber noch nicht einmal um eine Besonderheit von Strafgesetzen. Alle Gesetze bezwecken, Verhalten zu steuern – weil sie ein Sollen vorschreiben und für den Fall ihrer Missachtung eine Rechtsfolge festsetzen.[12] Auch wer etwa einen Kaufvertrag abschließt, darf sich darauf verlassen, dass er seinen Anspruch notfalls gerichtlich und im Wege der Zwangsvollstreckung durchsetzen kann. Umgekehrt soll die Androhung der Zwangsvollstreckung den säumigen Schuldner dazu anhalten, seine Schuld zu begleichen, wenn sonst nichts mehr wirkt. Gesetze können ihre Autorität aber nur erhalten, wenn sie auch angewendet werden.
Dritte These: Durch die Straftat verletzt der Straftäter nicht nur das subjektive Recht des Opfers, sondern er stellt die Rechtsordnung als solche in Frage.
Aus der Umkehrung des oben erwähnten „allgemeinen Prinzip des Rechts“ folgt, dass eine Handlung dann unrecht ist, wenn ihre Maxime nicht mit der Freiheit der Willkür eines jeden mit jedermanns Freiheit nach einem allgemeinen Gesetze zusammen bestehen kann, m.a.W.: wenn sie das Recht eines anderen verletzt.[13] Man kann jedoch in zweierlei Hinsicht von einer Rechtsverletzung sprechen, nämlich „materialiter“ von der Verletzung des subjektiven Rechts und „formaliter“ von der Verletzung des staatlichen Gesetzes, welches dieses Recht garantieren soll. Wer eine Straftat begeht, nimmt „dem Begriff des Rechts selber alle Gültigkeit“ (AA VI, 308, Fn. zu § 42), denn:
Dass das Verbrechen aus einer Maxime entspringt, bedeutet, dass der Täter sich dazu selbst durch seine freie Willkür bestimmt hat, denn andernfalls könnte ihm die Tat nicht zugerechnet werden.[14] Die verbrecherische Handlungsmaxime läuft aber, wie leicht zu sehen ist, der durch das Gesetz vorgegebenen Maxime zuwider. Kant verdeutlicht dies am Beispiel des Diebstahls.
Er missachtet also nicht nur das Eigentumsrecht des Opfers, sondern das Eigentum als Rechtsinstitut – als ob das Verbot des Diebstahls für ihn nicht gälte.[15] Obwohl also jede Rechtsverletzung diese beiden Aspekte aufweist, erfordert sie noch nicht den Einsatz des Strafrechts. Vielmehr unterscheidet Kant zwischen einer:
und sonstigen Übertretungen. Die erstere nennt er „Verbrechen schlechthin (crimen)“ oder „öffentliches Verbrechen (crimen publicum)“. Durch sie wird „das gemeine Wesen und nicht bloß eine einzelne Person“ gefährdet. Nur für sie ist die „Kriminalgerechtigkeit“ zuständig, während „Privatverbrechen“ von den Zivilgerichten abgeurteilt werden sollen (ibid.).[16] Soweit das gemeine Wesen, d.h. die staatliche Rechtsordnung schlechthin betroffen ist, ist eine staatliche Reaktion notwendig, die die Geltung der Rechtsordnung gegenüber der für unmaßgeblich zu erklärenden Maxime des Verbrechers bestätigt.[17]
Vierte These: Vergeltung bedeutet nichts anderes, als das dem Straftäter ein Übel für schuldhaft begangenes Unrecht zugefügt wird.
Vergeltung ist kein Strafzweck, sondern schlechthin die Definition der Strafe.
Strafrecht definiert Kant als:
Mit Befehlshaber ist, wie sich bereits aus dem Vorstehenden unschwer ergibt, nicht irgendein absoluter Herrscher gemeint, der nach Belieben seine Untertanen mit Strafen malträtieren könnte. Zwar mag man die anschließende Formulierung Kants, dass der „Oberste im Staate“ nicht bestraft werden könne (ibid.), auf den ersten Blick in diesem Sinne verstehen, doch eine derartige Sichtweise greift zu kurz. Der Befehlshaber in dem Staat, der Kant vorschwebt und der wohlgemerkt ein Rechtsstaat ist, ist nicht irgendeine einzelne Person, sondern er repräsentiert die Gesamtheit derjenigen, die sich durch einen vereinigten Willen in einen rechtlichen Zustand begeben haben (s. AA VI, 311).[18] Die „Vereinigung einer Menge von Menschen unter Rechtsgesetzen“ (AA VI, 313) unterliegt aber als solche nicht dem Strafgesetz.
Strafe ist nun selbst der Schmerz, mit dem der Verbrecher wegen seines Verbrechens belegt wird. In dem gesamten Abschnitt „E. Vom Straf- und Begnadigungsrecht“ spricht Kant an keiner Stelle davon, dass die Zufügung eines Übels (des „Schmerzes“) ein außerhalb der staatlichen (!) Strafe liegender und mit ihr besonders verfolgter Zweck – etwa: die Vergeltung oder die Wiedergutmachung von Unrecht – sei.
Der Grund für die Verhängung der Strafe ist, dass jemand „verbrochen hat“ (AA VI, 331). Daraus folgt zweierlei. Ein Verbrechen ist nach Kant die „Übertretung eines öffentlichen Gesetzes“ (ibid.). Das ist nichts anderes als das Verfassungsprinzip des nulla poena sine lege (Art. 103 II GG). Bestraft werden darf nur eine Tat, die zum Zeitpunkt ihrer Begehung gesetzlich als Straftat festgelegt war. Öffentlich ist ein Gesetz, das allgemein bekannt gemacht worden ist. Erst dann erlangt es seine verpflichtende Kraft.[19] Nur eine dem Bürger bekannte Strafdrohung kann ihm überhaupt
einen (Klugheits-)Grund liefern, von dem inkriminierten Verhalten abzustehen.[20]
Dies setzt jedoch die Fähigkeit voraus, sein Handeln nach Bestimmungsgründen auszurichten, mit anderen Worten: Zurechnungsfähigkeit. Verbrochen hat nur derjenige, und damit gelangen wir zur fünften These, dem das Verbrechen zugerechnet werden kann.
Fünfte These: Die Zurechnung der Straftat enthält einen rechtlichen Tadel.
Neuere Straftheorien rücken den Tadel in den Mittelpunkt ihrer Betrachtungen. Die Funktion der Strafe sei es, das Fehlverhalten des Täters zu missbilligen.[21] Damit vergleichbar ist die herkömmliche Redeweise von der Strafe als „sozialethischer Missbilligung“[22] – nur dass es hier nicht um irgendeine Form von Sozialethik, sondern um Recht und rechtliche Missbilligung geht.
Auch insoweit kann man jedoch schon bei Kant fündig werden. Nach seiner berühmten Definition ist
Zurechnung bedeutet zunächst, dass eine Tat aus freier Willkür entsprungen ist.[23] In der strafrechtlichen Terminologie heißt das, dass sie zur Schuld zugerechnet werden kann. Zuständig für die rechtskräftige Zurechnung ist der Richter.
Zurechnungsurteile werden – nur – im Hinblick darauf gefällt, ob eine Handlung einer Norm widerspricht. Das ist auf zweierlei Weise möglich:
Wer mehr tut, als er muss, wird folglich gelobt, wer weniger tut, wird getadelt. „Moralisch“ hat bei Kant nicht die Bedeutung, die wir heute mit diesem Ausdruck verbinden, etwa als „den Sitten entsprechend“ im Gegensatz zu „dem Recht entsprechend“. Moralisch bezeichnet vielmehr das System von Verhaltensregeln, an dem die fragliche Handlung gemessen wird. Das können (im heutigen Sinne) moralische Regeln oder auch Rechtsgesetze sein.[24] Ausdruck findet der Tadel in der Strafe. Damit hat nicht nur ein strafrechtliches Zurechnungsurteil die Bedeutung eines Tadels, sondern dieser Tadel ist auch mit der Strafe und ihrer Vollstreckung verbunden – eben weil sie nur durch das Zurechnungsurteil begründet werden kann.
Sechste These: Wenn der Staat ein bestimmtes Verhalten mit Strafe bedroht, ist er auch unbedingt verpflichtet, das Strafgesetz anzuwenden.
Verbreitet wird die folgende Passage als Beleg dafür herangezogen, dass Kanteine Vergeltungstheorie in Absehung von jeglichen Zweckerwägungen vertritt, in der vielmehr die Bestrafung Selbstzweck ist.
Kant bezeichnet das Strafgesetz als kategorischen Imperativ. Kategorische Imperative sind unbedingt ohne Rücksicht auf einen besonderen Zweck verbindlich, während andere („technische“) Imperative ein Mittel zur Verfolgung eines bestimmten Zwecks angeben und somit unter der hypothetischen Bedingung verbindlich sind, dass dieser Zweck verfolgt wird.[25]
Kant wendet sich dagegen, die Bestrafung einer Tat von anderen Zwecken abhängig zu machen. Sein Hinweis auf die Äußerung des Kaiphas im Prozess gegen Jesus, es sei „besser, daß ein Mensch sterbe, als daß das ganze Volk verderbe“ (AA VI, 332 zitiert Joh. 11,50) stellt klar, dass an einem Unschuldigen kein Exempel statuiert werden darf.[26] Man kann sich die Situation aber auch umgekehrt vorstellen: Ein Schuldiger wird aus irgendeinem Grund laufen gelassen.[27] Auch das ist nicht akzeptabel, denn
Kant argumentiert dezidiert gegen den Sinnspruch von Seneca: „Nemo prudens punit quia peccatum est, sed ne peccetur“[28] und bezieht damit in der damaligen Diskussion über Strafe und Strafrecht einen Standpunkt, der etwa dem von Beccaria entgegengesetzt ist. Während Beccaria fordert, dass der Zweck der Strafe kein anderer sein könne, „als den Schuldigen daran zu hindern, dass er seinen Mitbürgern neuen Schaden zufüge, und Andere von ähnlichen Handlungen abzuhalten“[29], stellt eine derartige Strafbegründung für Kant die Dinge auf den Kopf. Vielmehr muss
Die Begründung der Strafe ist jedweden Nutzenerwägungen vorgelagert und sie ergibt sich aus dem Gesetz selbst. Weil der Gesetzgeber ein Strafgesetz erlassen hat und weil der Verbrecher dieses Gesetz übertreten hat, darum muss Strafe verhängt werden. Die pragmatische Strafklugheit ist schlicht kein rechtlicher Gesichtspunkt.[30] Sie muss deshalb nicht ganz außer Acht gelassen werden, sondern kann etwa bei der Strafvollstreckung berücksichtigt werden, um „aus dieser Strafe einigen Nutzen für ihn selbst oder seine Mitbürger zu ziehen“ (AA VI, 331).[31] Wer eine rechtmäßig verhängte Strafe verbüßt, wird dann auch nicht „bloß“ als Mittel zur Verfolgung anderer Zwecke benutzt. Rechtsgrund der Strafe ist allein die Begehung der Straftat. In heutiger Diktion ist das nichts anderes als das Legalitätsprinzip.[32]
Der Gesetzesvollzug scheint aber dann zu einer bloßen Formalie ohne weiteren Sinn zu verkommen, wenn sich die staatliche Gemeinschaft auflöst. Und so erscheint Kants berühmtes Inselbeispiel als Paradigma für das Verständnis einer letzten Endes doch zweckfreien und damit sinnlosen Strafe. So schreibt Kant:
Da die völlige Auflösung eines Staates ein recht unwahrscheinlicher Fall ist, dürfte ein potentieller Straftäter kaum darauf hoffen dürfen, so dass die Autorität des Gesetzes von dieser bloßen Möglichkeit nicht infrage gestellt würde. Eine solche Überlegung verfehlt jedoch die Pointe des
Inselbeispiels. Da nämlich die Erde rund ist, kämen die Inselbewohner nach der Auflösung ihres Staates zwangsläufig wieder mit anderen Menschen in Kontakt,[33] worauf sich erneut die Gründung eines Staates als Postulat der Vernunft ergäbe. Wie aber soll man sich mit Leuten auf einen rechtlichen Zustand einlassen, die bereits bei anderer Gelegenheit gezeigt haben, sich nicht an das Recht zu halten.[34] M.a.W.: Die Insulaner haben gelogen; weshalb sollte man ihnen noch einmal glauben.
Man kann diese Argumentation anhand der Frage verdeutlichen, ob man „ein allgemeines Gesetz zu lügen“ wollen könne, mit der Kant in der Grundlegung die erste Variante des kategorischen Imperativs[35] erläutert. Ein allgemeines Gesetz zu lügen könne man gar nicht wollen,
Ein Gesetz, das nicht angewendet wird, ist nichts anderes als eine Lüge des Gesetzgebers. Da der Gesetzgeber nach Kant nichts anderes ist als die Gesamtheit der in der bürgerlichen Gesellschaft organisierten Mitglieder, haftet diese Lüge dann als „Blutschuld“ (AA VI, 333) – wie jede Kollektivschuld – jedem einzelnen Mitglied dieses Kollektivs an.[36]
Durch das Inselbeispiel will Kant also deutlich machen, dass man das Recht aus prinzipiellen Erwägungen hinaus nicht infrage stellen kann. Die Konsequenz eines Verzichts auf die Exekution des Strafurteils im Inselbeispiel wäre die völlige Rechtlosigkeit – für Kant keine annehmbare Alternative.
Siebte These: Eine Ausnahme gilt nur dann, wenn der angedrohte Zwang seinen Zweck offensichtlich nicht erfüllen kann.
Für einen Fall des entschuldigenden Notstands (vgl. § 35 StGB) akzeptiert Kant eine Ausnahme von der Verpflichtung, Unrecht zu bestrafen. Kant exemplifiziert diese Ausnahme am klassischen „Brett des Karneades“.[37] Selbst in höchster Lebensgefahr kann es kein Recht geben, zur Rettung des eigenen Lebens einen anderen zu töten.[38] Denn bei Anerkennung eines Notrechts – notwendigerweise für alle in Lebensgefahr befindlichen Personen – stünde Rechtszwang gegen Rechtszwang, was mit einem wechselseitigen Rechtsverhältnis freier Personen unvereinbar ist.[39] Gleichwohl versagt in derartigen Situationen die Verhaltenssteuerung durch das Recht.
Kants Behandlung der Notstandstat als „unstrafbar (impunibile)“ (AA VI, 236) bedeutet, dass der Notstandstäter für seine rechtswidrige Tat nicht zur Verantwortung gezogen und ihm die Rechtsfolge seines verbotenen Handelns nicht zugerechnet wird.[40] Wäre die Behauptung richtig, dass Vergeltung ein Selbstzweck sei, dann ließe sich diese Ausnahme nicht erklären. Denn am Verlust des Lebens des Opfers ist ebenso wenig zu rütteln wie daran, dass er auf eine unrechte Tat zurückzuführen ist. Der Zweck des ganzen Unternehmens Strafrecht besteht eben auch für Kant gerade nicht in der Verwirklichung irgendeiner transzendentalen[41]
Gerechtigkeit, sondern es geht um die Frage, wie (Straf-)Recht Verhalten steuern und auf diese Weise Freiheit schützen kann.
Achte These: Der Gegensatz zwischen Vergeltungs- und Präventionstheorie ist ein Scheinproblem.
Nach den bisherigen Überlegungen erweist sich der Streit zwischen Vergeltungs- und Präventionstheorie, jedenfalls soweit es Kant betrifft, als ein Scheinproblem. Jede Rechtsnorm, nicht nur ein Strafgesetz, soll das Verhalten der Normadressaten beeinflussen und wirkt daher präventiv. Rechtsnormen müssen jedoch auch angewendet werden – oder sie sind – auch und gerade für Kant – kein Recht. Durch die Verhängung der Strafe demonstriert der Staat, dass er es ernst meint und auch in Zukunft auf Straftaten entsprechend reagieren wird. Wenn ein Rechtsstaat der Inbegriff einer rechtlichen Ordnung ist, dann hört er auf, ein Rechtsstaat zu sein, wenn er seine Gesetze nicht anwendet. Das ist alles andere als eine selbstzweckhafte Vergeltungstheorie.
Durch die Strafgesetze und ihre Exekution sollen also künftige Straftaten verhindert werden, indem potentiellen Tätern ein Übel in Aussicht gestellt wird, welches im Ernstfall auch eintritt. Keineswegs aber soll an ihnen je nach tagespolitischen Bedürfnissen ein Exempel statuiert werden. Prävention ist somit nicht ohne „Vergeltung“ zu haben.[42] Prävention ist jedoch nur ein unkontrollierbarer Nebeneffekt von Strafrecht und Bestrafung, weil man die Triebfedern, aus denen jemand handelt, nur theoretisch analysieren, nicht aber praktisch feststellen kann. Vielleicht zeigt sich gerade darin die Liberalität des Rechtsstaats: dass er auf den Anspruch verzichtet, eine moralische Besserungsanstalt zu sein.
Neunte These: Das Maß der Strafe richtet sich nach dem Unrecht und der Schuld und ist insofern kontingent.
Im Hinblick auf das Strafmaß vertritt Kant ein rigoroses Talionsprinzip. Das klingt ebenfalls wieder sehr nach Vergeltung.
Für den Mörder kann es daher nur die Todesstrafe geben, für Räuber und Diebe Zwangsarbeit (s. AA VI, 332 f.). Aber schon das letzte Beispiel passt nicht mehr genau, und bei Vergewaltigung oder sexuellem Kindesmissbrauch etwa sieht das auch Kant so. Derartige Verbrechen lassen „keine Erwiderung“ zu, „weil diese entweder an sich unöglich oder selbst ein strafbares Verbrechen an der Menschheit überhaupt sein würden“ (AA VI, 363 für die Kastration). Zweifelhaft ist, ob ein derart striktes Talionsprinzip überhaupt aus den Grundsätzen der kantischen Rechtslehre folgt oder ob man nicht – lediglich – den Schluss ziehen muss, dass das Strafmaß dem Ausmaß des Unrechts und der Schuld entsprechen muss.
Kants Anliegen ist vor allem ein Ende der Beliebigkeit der damals herrschenden richterlichen Strafzumessungspraxis.[43]
Eine derartige Strafzumessung „dem Geiste des Strafgesetzes gemäß“ berücksichtigt, dass der Straftäter sich durch seine Straftat in gewisser Form selbst von der Partizipation an der bürgerlichen Gesellschaft ausgeschlossen hat, indem er nämlich die Gesetze der Freiheit missachtet hat. Durch die Strafe wird ihm nun eben dies zuteil. Strafe ist eine Form des Ausschlusses von der vollen Teilhabe durch eine Rechtseinbuße, die sich am nachdrücklichsten in der Freiheitsstrafe manifestiert. Aber auch eine Geldstrafe kommt als Alternative in Betracht, weil dadurch die wirtschaftliche Grundlage für die Betätigung in der Gesellschaft betroffen ist. Die Einbuße an Freiheit oder Vermögen muss der Schwere der Tat angemessen sein.[44] In der Sache folgt daraus eine „tatproportionale Strafzumessung“[45] als Voraussetzung dafür, dass Strafe als gerecht und nicht als willkürliche Rache erscheint.
B. Schluss
Für Kant ist Vergeltung also keineswegs ein Selbstzweck, sondern eine Form des Rechtszwangs zur Durchsetzung des Rechts. Oder in den Worten Hruschkas: „Der Begriff einer obersten Gewalt … und der einer Strafgerechtigkeit … implizieren einander.“[46] Nicht nur ist der Rechtsstaat eine notwendige Bedingung für Strafgerechtigkeit, sondern Strafgerechtigkeit ist auch eine notwendige Voraussetzung für Rechtsstaatlichkeit.
Vielleicht beruht der Streit über die verschiedenen Strafzwecklehren auch darauf, dass man dem Begriff der Strafe zu viel auflädt, anstatt zu differenzieren: Strafe ist per definitionem ein Übel, welches für schuldhaftes Unrecht verhängt wird (insofern also Vergeltung). Strafe hat qua richterlicher Zurechnung die (kommunikative) Bedeutung von Tadel. Ihre Vollstreckung dient dem Zweck der Prävention. Das ist dann aber keine Vereinigungs„theorie“ im üblichen Sinne, in der verschiedene Versatzstücke nach Art eines Eintopfs zusammengerührt werden.
Joachim Renzikowski ist Inhaber der Professur für Strafrecht und Rechtsphilosophie/Rechtstheorie an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg.
[1] Klug in Baumann (Hrsg.), Programm für ein neues Strafgesetzbuch – Der Alternativentwurf der Strafrechtslehrer, 1968, 36 ff.
[2] S. statt vieler Roxin/Greco, Strafrecht AT I, 5. Aufl. 2020, § 3 Rn. 3.
[3] Kant Metaphysik der Sitten (2. Aufl. 1798), in: Kants gesammelte Schriften, hrsg. von der Königlich Preußischen Akademie der Wissenschaften. Erste Abteilung, Band 6, 1907, 203–493, nachfolgend im Text zitiert als AA VI mit Seitenangabe.
[4] Originalität wird hierbei nicht beansprucht, vgl. etwa die ausgearbeiteten Darstellungen von Altenhain in Strafrechtsprofessoren der Tübinger Juristenfakultät u.a. (Hrsg.), Gedächtnisschrift für Rolf Keller, Tübingen 2003, 1 ff. und Hruschka in Paeffgen u.a. (Hrsg.), Strafrechtswissenschaft als Analyse und Konstruktion. Festschrift für Ingeborg Puppe, 2011, 17 ff.
[5] S. etwa Marx, Zur Definition des Begriffs „Rechtsgut“, 1972; Hassemer, Theorie und Soziologie des Verbrechens, 1973, 68 ff.
[6] Vgl. Kant Kritik der reinen Vernunft (2. Aufl. 1787) in Kants gesammelte Schriften, Band 3, 1911, B 373 Fußnote: „Die eigentliche Moralität der Handlungen (Verdienst und Schuld) bleibt uns daher, selbst die unseres eigenen Verhaltens, gänzlich verborgen. Unsere Zurechnungen können nur auf den empirischen Charakter bezogen werden.“ Daraus folgen prinzipielle Schwierigkeiten für solche Positionen, die, wie die positive Generalprävention, die Bewusstseinsbildung betonen, s. etwa Frisch in Hefendehl u.a. (Hrsg.), Streitbare Strafrechtswissenschaft. Festschrift für Bernd Schünemann, 2014, 55, 63 ff.
[7] In diesem Sinne etwa bereits Augustinus, De libero arbitrio, I.15, 31. Darauf kann man freilich nicht vertrauen, denn die Menschen „mögen auch so gutartig und rechtliebend gedacht werden, wie man will, so liegt es doch a priori in der Vernunftidee eines solchen (nicht-rechtlichen) Zustandes, daß, bevor ein öffentlich gesetzlicher Zustand errichtet worden, vereinzelte Menschen … niemals vor Gewalttätigkeiten gegeneinander sicher sein können …“ (AA VI, 312).
[8] Näher dazu Ripstein JRE 16 (2008), 227, 232 ff.
[9] Zur Supererogation s. Hruschka/Joerden ARSP 73 (1987), 93 ff.
[10] Ausführlich ausgearbeitet in Feuerbach, Revision der Grundsätze und Grundbegriffe des positiven peinlichen Rechts. Erster Theil, 1799, 43 ff.; s. ferner ders., Lehrbuch des gemeinen in Deutschland gültigen peinlichen Rechts, 14. Aufl., hrsg. v. Mittermaier, 1847, §§ 10 ff.
[11] So etwa Roxin/Greco AT I, § 3 Rn. 22.
[12] Es ist müßig, darüber zu streiten, ob diese Vorstellung nicht deshalb überholt ist, weil ein rational-choice-Ansatz für das Strafrecht nicht taugt: Viele Straftäter handeln gerade nicht überlegt, so etwa die Kritik von Jakobs, Strafrecht AT, 2. Aufl. 1991, 1/28 an der negativen Generalprävention. Von einem Gesetz kann nicht mehr erwartet werden als einen weiteren (Klugheits-)Grund neben anderen sinnlichen Beweggründen zu liefern, s. dazu auch Greco, Lebendiges und Totes in Feuerbachs Straftheorie, 2009, 359 ff.
[13] Daran anknüpfend entwickelt später Feuerbach seine Lehre vom Verbrechen als Rechtsverletzung, s. Lehrbuch (Fn. 10), § 21: „Wer die Grenzen der rechtlichen Freiheit überschreitet, begeht eine Rechtsverletzung, Beleidigung (Läsion). Wer die durch den Staatsvertrag verbürgte, durch Strafgesetze gesicherte Freiheit verletzt, begeht ein Verbrechen.“
[14] Das Vermögen, seinen Handlungen Maximen zu geben, nennt Kant freie Willkür (AA VI, 213 f.); diese Willkür ist Voraussetzung für Zurechnungsurteile (dazu sogleich) und macht den Betroffenen zu einer „Person“ (AA VI, 223).
[15] S. dazu Ripstein JRE 16 (2008), 240 ff.
[16] Näher dazu und zur historischen Herkunft dieser Unterscheidung Hruschka in Jahn u.a. (Hrsg.), Strafrechtspraxis und Reform. Festschrift für Heinz Stöckel, 2010, 77, 88 ff.
[17] S. Ripstein JRE 16 (2008), 243 f.
[18] Vgl. Ripstein JRE 16 (2008), 237.
[19] Kant AA VI, 311: „Der Inbegriff der Gesetze, die einer allgemeinen Bekanntmachung bedürfen, um einen rechtlichen Zustand hervorzubringen, ist das öffentliche Recht.“
[20] Auf diese Überlegung stützt dann Feuerbach, Lehrbuch (Fn. 10), § 20 seine Ausarbeitung des Grundsatzes „Keine Strafe ohne Gesetz“.
[21] Von Hirsch in von Hirsch/Neumann/Seelmann (Hrsg.), Strafe – Warum?, 2011, 43, 49 ff.
[22] Vgl. BVerfGE 27, 18, 29; 96, 245, 249; Jescheck/Weigend, Lehrbuch des Strafrechts AT, 5. Aufl. 1996, 65; weitere Nachw. bei Kühl ZStW 116 (2004), 870, 876 ff.
[23] Zur Geschichte des Zurechnungsbegriffs ausführlich Hruschka in Kaufmann/Renzikowski (Hrsg.), Zurechnung als Operationalisierung von Verantwortung, 2004, 17 ff.
[24] Der Gegensatz zu „moralisch“ ist bei Kant „pragmatisch“ oder „technisch“. Derartige pragmatische Regeln sind Imperative der Klugheit, die zeigen, welche Handlung vorgenommen werden muss, um einen bestimmten Zweck zu erreichen, s. dazu auch Byrd/Hruschka, Kant’s Doctrine of Right – a Commentary, 2010, 3 f.
[25] S. Kant AAVI, 222 f.
[26] Das aber wäre die – äußerste – Konsequenz eines stringent durchgeführten Utilitarismus, vgl. etwa das Beispiel, das Smart (in Smart/Williams, Utilitarianism for and against, 1973, 69 ff.) diskutiert: Der Sheriff einer Kleinstadt steht zwischen der Wahl, dem Mob einen Unschuldigen zur Lynchjustiz auszuliefern oder Ausschreitungen zu riskieren, in denen Hunderte ihr Leben verlieren werden. Williams‘ Kritik (ibid., 93 ff.) richtet sich vor allem gegen diese Konsequenz des Utilitarismus.
[27] Kant nennt hier als Beispiel den Verbrecher, dem die Todesstrafe erlassen wird, weil er sich für gefährliche medizinische Experimente zur Verfügung stellt.
[28] Seneca, De Ira, Liber I, XIX,7.
[29] Beccaria, Ueber Verbrechen und Strafe, übersetzt von Glaser, 1851, 40 f.
[30] Näher dazu Hruschka FS Puppe, 2011, 24 ff.
[31] So etwa Feuerbach, Anti-Hobbes oder über die Grenzen der höchsten Gewalt und das Zwangsrecht der Bürger gegen den Oberherrn, 1798, 226 (Fußnote): „Die von den philosophischen Criminalisten so oft gebrauchte Sentenz des Seneca … ist daher in verschiedenern Rücksicht wahr und falsch. Sie ist jenes, wenn sie auf den Zweck der Execution der Strafe; sie ist dieses, wenn sie auf den Rechtsgrund derselben bezogen wird.“
[32] Vgl. Byrd/Hruschka JZ 2007, 957, 960 ff.
[33] Vgl. Kant AA VI, 262: „… wenn [die Erde] eine unendliche Ebene wäre, [könnten] die Menschen sich darauf so zerstreuen …, daß sie in gar keine Gemeinschaft miteinander kämen, diese also nicht eine notwendige Folge von ihrem Dasein auf Erden wäre.“ Eingehend dazu Hruschka Kant und der Rechtsstaat, 2015, 48, insbes. 67 ff.
[34] Ebenso versteht Altenhain GedS Keller, 2003, 12 das Inselbeispiel.
[35] Kant Grundlegung zur Metaphysik der Sitten (2. Aufl. 1785), in Kants gesammelte Schriften, hrsg. von Königlich Preußischen Akademie der Wissenschaften. Erste Abteilung, Band 4, 1911, 385, 402: „Ich soll niemals anders verfahren als so, daß ich auch wollen könne, meine Maxime solle ein allgemeines Gesetz werden.“
[36] Hruschka ZStW 122 (2010), 493, 501 f., hat darauf hingewiesen, dass die Redeweise von der „Blutschuld“ dem damaligen Sprachgebrauch zufolge keineswegs etwas Mystisches bedeutet, sondern lediglich „von denjenigen gesagt [wird], die eine[n] Verbrecher, welcher Todesstrafe verdient, dennoch von dieser Strafe befreyen“. So zu lesen in Johann Georg Walch, Philosophisches Lexikon, 4. Aufl., hrsg. von Hennings (1775), 1968, Bd. I, Sp. 454.
[37] Zu seinem Ursprung s. Aichele JRE 11 (2003), 245 ff.
[38] S. Kant AA VI, 236: „… und gleichwohl kann es keine Not geben, welche, was unrecht ist, gesetzmäßig machte.“
[39] Vgl. Küper Immanuel Kant und das Brett des Karneades, 1999, 6 ff.
[40] Vgl. Hruschka GA 1991, 1, 8 ff.; krit. Küper, Kant und das Brett des Karneades, 1999, 48 ff.
[41] Nicht: „metaphysische“ Gerechtigkeit. Gerechtigkeit hat mit Metaphysik nichts zu tun, außer man vertritt eine extreme Naturrechtlehre, wonach alle Dinge ihr Richtmaß in sich tragen und somit „recht“ und „unrecht“ nichts anderes als empirische Eigenschaften sind. Kant kennt aber sehr wohl den Unterschied zwischen Sein und Sollen, so dass dieser Vorwurf im Hinblick auf seine Straftheorie barer Unsinn ist.
[42] S. auch Ripstein JRE 16 (2008), 237 ff., 247 f.
[43] Vgl. dazu Schaffstein, Die allgemeinen Lehren vom Verbrechen in ihrer Entwicklung durch die Wissenschaft des Gemeinen Strafrechts, 1930, 39 ff.
[44] Ripstein JRE 16 (2008), 246.
[45] So die gleichnamige Schrift von Hörnle aus dem Jahr 1999.
[46] Hruschka FS Puppe, 2011, 32.