A. Sachverhalt (Zusf. Haas)
Der in extremistischen Kreisen verkehrende Angeklagte ging wahnhaft davon aus, als „Befehlshaber SHAEF United States Space Force“ eine rechtsprechende Gewalt innezuhaben. Aufgrund dieser Wahnvorstellungen veröffentlichte er in eigenen Telegram-Kanälen mit mehreren Tausend mutmaßlich gleichgesinnten Abonnent:innen, die den Angeklagten als Leitfigur sowie seine militärische Legitimation anerkannten, wiederholt selbst gefällte „Todesurteile“ zu Lasten verschiedener Personen. Deren Begründung sah er vielfach in einem „fehlerhaften“ Umgang mit gesundheitsbezogenen Aufgaben im Rahmen der sog. Corona-Pandemie. Inhalt dieser „Urteile“ waren stets der volle Klarname der jeweiligen Person sowie die angedachte Todesform, etwa „Death by Hanging“. Zu einer „Vollstreckung“ der Urteile kam es nicht.
Zudem veröffentlichte der Angeklagte in einem seiner Telegram-Kanäle mit Bezug zu einem Zeitungsartikel eine Sprachnachricht, in der er zwei mittels Klarnamen und Lichtbildern identifizierbaren Ärzten unterstellte, dass diese nur gegen das Corona-Virus getesteten, geimpften oder genesenen Personen Zutritt zur Praxis gewähren würden. Sie seien damit „Geschichte“.
Das LG Oldenburg wertete alle Fälle der geposteten Todesurteile als öffentliche Aufforderungen zu Straftaten gemäß § 111 I, II StGB. Die Veröffentlichung der Sprachnachricht wurde als gefährdendes Verbreiten personenbezogener Daten gem. § 126a I Nr. 2 StGB – hier in Form der Verbreitung von Inhalten, § 11 III StGB – erfasst. Aufgrund seiner wahnhaften Vorstellungen handelte der Angeklagte ohne Schuld, § 20 StGB.
B. Aus den Gründen
[…]
[99] II. Ferner hat sich der Angeklagte in 31 Fällen […] [wegen Öffentlicher Aufforderung zu] Straftaten gemäß § 111 I, II StGB strafbar gemacht.
[100] Unter einer „Aufforderung” ist jede – gegebenenfalls auch konkludente – Kundgebung zu verstehen, die den Willen des Täters zu erkennen gibt, von dem Aufgeforderten ein bestimmt bezeichnetes kriminelles Tun oder Unterlassen zu verlangen (so schon RGSt 4, 106 [108]). Schon die Formulierung „Aufforderung” fordert mehr als bloße Information (vgl. LG Bremen, StV 1986, 439 [441]) und auch mehr als lediglich politische Unmutsäußerungen oder Provokation. Unter der Schwelle tatbestandsrelevanter „Aufforderung” liegt auch die bloße Befürwortung von Straftaten; erforderlich ist vielmehr eine über eine bloße Befürwortung hinausgehende bewusst finale Einwirkung auf andere mit dem Ziel, in ihnen den Entschluss zu bestimmten strafbaren Handlungen hervorzurufen (vgl. BGHSt 32, 310 [311] = NJW 1984, 1631; BGHSt 31, 16 [22] = NJW 1982, 2508; BGHSt 28, 312 [314] = NJW 1979, 1556).
[101] Außerhalb des Tatbestands liegen schließlich auch bloße Meinungsäußerungen, mögen sie im Einzelfall bei dem einen oder anderen Adressaten auch deliktische Pläne auslösen (vgl. NK-Paeffgen, in: NK-StGB, § 111 Rdnr. 12). Anders als bei bloßen Meinungsäußerungen muss bei einer „Aufforderung” gerade die Erwünschtheit des angesonnenen kriminellen Geschehens deutlich werden, so dass auch von einem Appellcharakter als konstituierendem Kriterium einer „Aufforderung” gesprochen werden kann (vgl. BayObLG, NJW 1994, 396; OLG Karlsruhe, NStZ 1993, 389 [390]; OLG Köln, NJW 1988, 1102, und MDR 1983, 338).
[102] Vor diesem Hintergrund werden zu tatbestandsmäßiger „Aufforderung” zwangsläufig nur solche Bekundungen, die auch den Eindruck der Ernstlichkeit erwecken; ein solcher Eindruck ist nur zu bejahen, wenn
der Auffordernde nach dem Gesamtzusammenhang seiner Erklärung zumindest damit rechnet, seine Äußerung werde vom Leser oder Zuhörer gerade als zweckgerichtete Aufforderung zur Begehung bestimmter Straftaten verstanden (vgl. BGHSt 32, 310 = NJW 1984, 1631; NJW 2001, 2896).
[103] Hieran gemessen hat der Angeklagte in 31 Fällen öffentlich – im Internet – zu einer strafbaren Handlung, nämlich zu Totschlagshandlungen gemäß § 212 StGB, aufgefordert. Um eine bloße Befürwortung von Straftaten handelt es sich bei den von dem Angeklagten veröffentlichten Posts nicht. Dass von dem Angeklagten ernstlich angestrebt ist, dass es tatsächlich zur Umsetzung dieser von ihm ausgesprochenen Urteile kommt, hat sich bereits aus der Einlassung im Rahmen der Hauptverhandlung ergeben. Hierbei hat er selber bestätigt, dass nach seiner Vorstellung in jedem Fall eine Umsetzung der Todesurteile erfolgen sollte, auch wenn dies vorzugswürdig durch „Soldaten“ der SHAEF-Streitkräfte erfolgen sollte. Diese Urteile sind überdies für einen unvoreingenommenen Dritten als ernst gemeinter Appel zu verstehen, die Urteile in der konkret bezeichneten Weise umzusetzen. Es ist dabei insbesondere zu berücksichtigen, dass der Angeklagte diese Veröffentlichungen in seinen eigens gegründeten und betriebenen Kanälen mit mehreren tausenden von „Abonnenten“ tätigte. Die Adressaten in diesen Kanälen sind vorwiegend betreffend die Überzeugung des Angeklagten Gleichgesinnte, die den Angeklagten als Leitfigur und militärischen Oberbefehlshaber anerkennen, der legitimiert ist, diese Entscheidungen zu treffen. Dies wird insbesondere daran deutlich, dass auf diese Veröffentlichungen an die Geschädigten unter Bezugnahme auf die „Urteile“ des Angeklagten vielfach herangetreten worden ist. Auch wird dies gerade dadurch deutlich, dass sich Dritte ratsuchend an den Angeklagten wandten, um von diesen eine konkrete Auskunft zu erhalten.
[104] Die Urteile erfüllen überdies das Erfordernis, eine unbestimmte Vielzahl an Personen unmittelbar zur Begehung bestimmter rechtswidriger Taten zu motivieren. Es handelt sich um realisierbare Handlungsanweisungen an die Adressaten der Erklärungen, die im Sinne von Tathandlungen umgesetzt werden können. Es ist jeweils der vollständige Name der betroffenen Person sowie die Tötungshandlung – Erhängen, Erschießen, Giftspritze – konkret angegeben. Weiterhin führt der Angeklagte in einer Vielzahl der Fälle Lichtbilder der betreffenden Personen sowie weitere personenbezogene Daten an.
[105] Die Feststellungen der Kammer tragen auch den zur Verwirklichung des § 111 StGB erforderlichen bedingten Vorsatz des Angeklagten. Dem Angeklagten war nach eigenen Angaben bewusst, dass bei der Vielzahl an Adressaten es zu der Umsetzung seiner ausgesprochenen Urteile kommen könnte und er nahm dies infolgedessen auch zumindest billigend in Kauf.
[…]
[107] III. Der Angeklagte hat sich weiter in einem Fall […] des Gefährdenden Verbreitens personenbezogener Straftaten [gemeint sein dürften Daten, Anm.] nach § 126a I Nr. 2 StGB strafbar gemacht.
[108] Tathandlung ist das Verbreiten personenbezogener Daten, soweit dies öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3 StGB) geschieht (BT-Drs 19/28678, 10). Tatobjekt nach § 126a I sind personenbezogene Daten, also im Sinne von Art. 4 Nr. 1 DS-GVO jegliche Informationen, die sich auf identifizierte oder identifizierbare natürliche Personen beziehen (BT-Drs 19/28678, 11).
[109] Hieran gemessen verbreitete der Angeklagte personenbezogene Daten der Geschädigten […]. Nach den Feststellungen veröffentlichte der Angeklagte in seinem Telegram-Kanal, der mehrere Tausend „Abonnenten“ aufwies, neben den vollen Namen der Geschädigten die Praxisanschrift sowie Lichtbilder der Geschädigten, die zum Tatzeitpunkt frei verfügbar auf der Internetseite der Geschädigten einsehbar waren.
[110] Zentrale Bedeutung fällt dem Erfordernis der Eignung (des Verbreitens) zu, die Person, deren Daten verbreitet werden, oder eine dieser nahestehende Person der Gefahr der Begehung gegen sie gerichteter Straftaten auszusetzen (BeckOK StGB/Rackow, 54. Ed. 1.8.2022, StGB § 126a Rn. 7). Für die Gefahreignung soll es nach der Gesetzesbegründung auf die Umstände des Verbreitens sowie auf die Gesamtumstände des Falles ankommen, etwa auch darauf, ob das Verbreiten über eine extremistisch ausgerichtete Webseite bzw. aus einer extremistischen Gruppierung heraus erfolgt. Weiterhin soll relevant sein können, dass im Rahmen des Verbreitens ein Bezug zu Straftaten hergestellt oder Andeutungen beigefügt werden („Emoticons“), die das Verbreiten in die Nähe einer konkludenten Aufforderung rücken (BT-Drs 19/28678, 11; BeckOK StGB/Rackow, 54. Ed. 1.8.2022, StGB § 126a Rn. 8). Als Bezugsdelikte eines tatbestandlichen Verbreitens kommen Verbrechen (§ 126a I Nr. 1) so-
wie Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung, gegen die körperliche Unversehrtheit und die persönliche Freiheit in Betracht. Erfasst nach § 126a Abs 1 Nr. 2 StGB sind schließlich zudem Taten „gegen eine Sache von bedeutendem Wert“. Besondere Anforderungen an Bezugstaten der drei letztgenannten Deliktsgruppen formuliert § 126a I Nr. 2 StGB nicht, sodass dementsprechend auch niedrigschwellige Körperverletzungen bis hinunter an die Erheblichkeitsschwelle und Freiheitsberaubungen, etwa im Rahmen von Blockadeaktionen, in Betracht kommen (BeckOK StGB/Rackow, 54. Ed. 1.8.2022, StGB § 126a).
[111] Unter Berücksichtigung der Gesamtumstände ist die von dem Angeklagten verfasste Audionachricht in Zusammenschau mit den Lichtbildern sowie der Praxisanschrift dazu geeignet, die Geschädigten der Gefahr von gegen sie gerichtete Straftaten im Sinne des § 126a I Nr. 2 StGB auszusetzen.
[112] Hierbei ist zu berücksichtigen, an welchen Adressatenkreis diese Sprachnachricht gerichtet war sowie in welchem Kontext sie erfolgte. Der Angeklagte veröffentlichte die Nachricht in seinem Telegram-Kanal, in dem sich vorwiegend gleichgesinnte Adressaten befanden, die dieselbe Weltanschauung insbesondere auch in Bezug auf die Corona-Pandemie teilen. Weiterhin kam es entsprechend der Feststellungen zu der Aussprache von diversen „Todesurteilen“ unter anderem auch gegen Impfbefürworter. Der Angeklagte kritisiert in seiner Sprachnachricht eindeutig die Haltung der Geschädigten als Impfbefürworter und vergleicht die Nichtbehandlung von Ungeimpften mit der Christen- und Judenverfolgung sowie der Hexenverbrennung. Auch nimmt er explizit Bezug darauf, dass die Pharmaindustrie Geschichte sei und damit die Geschädigten auch. Die den Geschädigten gegenüber ablehnende Haltung wird damit deutlich. Dass der Angeklagte keine konkreten, gegen die beiden Ärzte zu verübenden Straftaten benennt, ist hier nicht von Bedeutung. Unter Berücksichtigung des Kontextes der Veröffentlichung ist dieser Post des Angeklagten dazu geeignet, dass die durch die polarisierende Nachricht aufgestachelten Adressaten sich zumindest dazu berufen fühlen, die Geschädigten an der Praxisanschrift aufzusuchen um diese in ihrer persönlichen Freiheit oder körperlichen Unversehrtheit zu schädigen.
[113] Der Angeklagte hat auch insoweit vorsätzlich gehandelt. Die Verbreitung der Daten sollte den Umständen nach dazu bestimmt sein, die
betreffenden Personen der Gefahr einer gegen sie in § 126a StGB erfassten Straftat auszusetzen. Unter Bestimmung ist die Zielsetzung zu verstehen; der Wille des Täters muss die möglichen Folgen der Tat umfassen. Durch Ergänzung um dieses subjektive Element wird der Tatbestand eingeschränkt und eine ausufernde Ausweitung wird verhindert (BT-Drs 19/29638, 1). Bereits aus dem Wortlaut der Sprachnachricht wird die den Geschädigten ablehnende Haltung gegenüber deutlich. Auch ist der Angeklagte von seiner eigenen Legitimation als militärischer Befehlshaber überzeugt, sodass er es für möglich hält und auch billigend in Kauf nimmt, dass es zu entsprechenden Straftaten zu Lasten der Geschädigten kommt. Die Veröffentlichung war gerade dazu bestimmt, die Geschädigten dieser Gefahr auszusetzen.
[114] E. Der Angeklagte handelte durchgehend im Zustand der Schuldunfähigkeit im Sinne des § 20 StGB, da er auf Grund einer wahnhaften Erkrankung, einer krankhaften seelischen Störung, nicht in der Lage war, das Unrecht der Taten einzusehen. Er war danach freizusprechen.
C. Würdigung von Janick Haas
Das LG Oldenburg beschäftigte sich erstmals in einer Entscheidung mit den tatbestandlichen Anforderungen an eine Strafbarkeit wegen gefährdendem Verbreiten personenbezogener Daten gem. § 126a I StGB und warf dabei – auch in Abgrenzung zu § 111 I, II StGB – einige dogmatische Fragestellungen auf.
I. Bei der rechtlichen Würdigung der Veröffentlichung der personenbezogenen Daten der Ärzte sowie der Sprachnachricht hinsichtlich einer Strafbarkeit gem. § 126a I StGB hatte sich das LG im Wesentlichen mit der tatbestandlichen Eignung und Bestimmung einer Datenverbreitung auseinanderzusetzen.
1. Es bedarf der Eignung der Datenverbreitung – hier die Veröffentlichung der personenbezogenen Daten im Telegramkanal des Angeklagten –, die betroffene Person (oder eine dieser nahestehende Person) der Gefahr der Begehung gegen sie gerichteter Straftaten auszusetzen.
a) Zur Konturierung einer solchen Eignung zog das LG entsprechend der Gesetzesbegründung[1] die „Umstände des Verbreitens“ und die „Gesamtumstände des Falles“ heran. Eine weitere Konkretisierung der nach wie vor sehr abstrakten Merkmalsbeschreibung erfolgte dann – ebenfalls entsprechend der Gesetzesbegründung – beispielhaft. So spreche etwa das „Verbreiten über eine extremistisch ausgerichtete Webseite“ für eine tatbestandsspezifische Eignung. Ebenso soll es relevant sein, wenn ein Verbreiten durch Andeutungen einen Bezug zu Straftaten herstellt, sodass das Verbreiten in die Nähe einer konkludenten Aufforderung rückt.[2]
Es ist zu klären, welche Umstände der Verbreitung verallgemeinerungsfähig für die Bejahung einer gem. § 126a I StGB tatbestandsspezifischen Eignung herangezogen werden können. Hierfür ist die Zielrichtung von § 126a StGB maßgeblich. Bezweckt wird der Schutz des „öffentlichen Friedens“ in der Ausprägung des Schutzes von Individualpersonen und der Allgemeinheit vor den Auswirkungen sog. Feindeslisten.[3] Listen mit personenbezogenen Daten und bedrohungsähnlichen Zusätzen, wie die Person könne „ja mal Besuch bekommen“ oder „gegen so jemanden müsse man mal etwas unternehmen“, lösen nach der Gesetzesbegründung bei betroffenen Personen mitunter die Sorge aus, Opfer von Straftaten zu werden.[4] Die mit einer potenziellen Verängstigung einhergehende Eignung der Datenverbreitung, die Straftatbereitschaft anderer zu wecken oder zu fördern, begründe die Strafwürdigkeit des Verhaltens.[5]
Damit adressiert das Gesetz ein durch Kommunikation geschaffenes Klima potenzieller Straftatbegehung gegenüber natürlichen Personen. Liegt ein solches Klima vor, muss dieses explizit auf die Datenverbreitung – hier die Veröffentlichung der Daten der Ärzte – zurückzuführen sein. Die Bedrohungsatmosphäre muss als Werk der datenverbreitenden Person anzusehen sein.[6] Ist der Verbreitung von Daten keine konkludente oder ausdrückliche Kommunikation zuzuordnen – so etwa bei einer bloßen Nennung von Namen oder Adressen in einem allgemeinen Kommunikationsforum –, wird sich eine Drohkulisse aus dem Verhalten
nicht ableiten lassen. Erst einem dem Verbreitungsakt zugehörigen Kommunikationsakt kann entnommen werden, dass Straftaten gegen die betroffenen Personen erwünscht sind oder befürwortet werden. Es ist im Einzelfall zu untersuchen, ob kommunikative Gesichtspunkte vorliegen, die zur Verbreitung von Daten hinzutreten und diese – im Rahmen einer Auslegung – aufforderungsähnlich erscheinen lassen.
Eine entsprechende Auslegung des zugehörigen Kommunikationsakts hat das LG im Ergebnis vorgenommen. Es kam nachvollziehbar zu dem Schluss, dass die Veröffentlichung der Daten zusammen mit der Sprachnachricht, wonach die Betroffenen nunmehr „Geschichte“ seien, im Zusammenhang mit den bereits verkündeten Todesurteilen geeignet war, die betroffenen Personen der Gefahr der Begehung von gegen sie gerichteten Straftaten auszusetzen.
b) Nicht weiter konkretisiert hat das LG die einschlägigen Bezugstaten, da die Eignung jedenfalls dahingehend bestanden habe, dass sich durch die früheren Urteile aufgestachelte Personen „dazu berufen fühlen, die Geschädigten […] in ihrer persönlichen Freiheit oder körperlichen Unversehrtheit zu schädigen“.
Allerdings indiziert der Wortlaut des Tatbestands von § 126a I StGB durch die getrennte Auflistung von Verbrechen in Nr. 1 und spezieller Vergehen in Nr. 2, dass eine hinreichende Konkretisierung der betreffenden Katalogtat(en) notwendig ist. Eine präzise Anwendung der Norm gebietet zudem § 260 V 1 StPO. Es ist davon auszugehen, dass eine gefährdende Datenverbreitung, die dazu geeignet ist, zu Verbrechen anzustacheln, regelmäßig schwerer wiegen wird, als dies bezüglich Vergehen insbesondere im unteren strafwürdigen Bereich[7] der Fall ist. Deshalb sind bereits auf Tatbestandsebene Feststellungen hinsichtlich der Delikte (z. B. Sachbeschädigungen gem. § 303 StGB) oder Deliktsgruppen (z. B. Straftaten gegen das Leben) zu treffen.
Hier lag es zumindest nicht allzu fern, dass auch eine Eignung zur Verbrechensförderung in Form von Tötungsdelikten bestand. Dies hätte erörtert werden müssen.
2. Das Gericht bejahte sodann auf subjektiver Tatbestandsebene, dass die Verbreitung personenbezogener Daten den konkreten Umständen
nach dazu bestimmt war, die betreffenden Personen der tatbestandlichen Gefahr auszusetzen. Damit folgte das LG der gesetzgeberischen Einschätzung, den Begriff „Bestimmung“ als Zielsetzung, mithin als den Willen bezüglich der möglichen Folgen der Tat aufzufassen.[8]
Die Bestimmungsklausel wird in der Literatur bislang überwiegend als objektives Merkmal erfasst, da sie an Umstände der Datenverbreitung anknüpfe.[9] Ein solches Verständnis korrespondiert mit denjenigen Stimmen, die unter Umständen des gesetzlichen Tatbestandes im Sinne von § 16 I 1 StGB allein objektive Tatbestandsmerkmale begreifen.[10] Eine entsprechende Auslegung des § 126a I StGB erscheint jedoch insbesondere mit Blick auf den Willen des Gesetzgebers nicht zwingend.[11] Der Wortlaut des § 126a I StGB gibt eine subjektive Interpretation jedenfalls auch her.[12]
Wenn das LG dann aber Eventualvorsatz bezüglich des Bestimmungserfordernisses genügen lässt, trägt es der gesetzgeberischen Vorstellung hinsichtlich der anvisierten, potenziellen Tatfolgen nicht hinreichend Rechnung. Es ist bei einem subjektiven Verständnis vielmehr direkter Vorsatz im Sinne einer Absicht zu fordern.[13]
II. In den Fällen der veröffentlichten Todesurteile prüfte das LG ausschließlich eine Strafbarkeit gem. § 111 I, II StGB und blendete § 126a I StGB in diesem Zusammenhang aus. Der Tatbestand des § 126a I StGB wäre aber auch hier erfüllt gewesen, sodass das Gericht von einem Subsidiaritätsverhältnis ausgegangen sein muss.[14] Hierfür lässt sich etwa das Ansinnen des Gesetzgebers anführen, wonach § 126a StGB eine im Verhältnis zu § 111 StGB lückenschließende Funktion beizumessen sei.[15] Es soll bereits solche straftatbezogene Kommunikation sanktioniert werden, die nicht im Sinne von § 111 I, II StGB erkennbar ein bestimmtes Tun
von Dritten verlangt, sondern nur eine Appellähnlichkeit aufweist.[16] Insoweit ist § 126a I StGB als vorverlagertes oder abstraktes Aufforderungsdelikt zu begreifen, welches durch § 111 I, II StGB als konkretes Aufforderungsdelikt[17] verdrängt wird.
III. Das Urteil des LG Oldenburg legte einen ersten Grundstock für den gerichtlichen Umgang mit § 126a I StGB. Es setzte sich schwerpunktmäßig mit der tatbestandsspezifischen Gefahreneignung auseinander. Die insoweit angestellten Erwägungen überzeugen im Ergebnis und lassen sich auf einen notwendigen, zum Verbreitungsakt hinzutretenden Kommunikationsakt verdichten. Die im Einzelfall einschlägigen Bezugstaten sollten zukünftig präziser herausgearbeitet werden.
Der Autor ist Rechtsreferendar und Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Professur für Strafrecht, Strafprozessrecht, Kriminologie und Medizinstrafrecht von Prof. Dr. Jens Puschke LL.M.(King’s College) an der Philipps-Universität Marburg.
[1] BT-Drs. 19/28678, S. 10 ff.
[2] S. auch Rackow, in Beck’scher Online-Kommentar, StGB, 60. Ed. 2023, § 126a Rn. 8.
[3] BT-Drs. 19/28678, S. 8; s. zur Kritik hieran etwa Vassilaki K&R 2021, 763, 764.
[4] BT-Drs. 19/28678, S. 1.
[5] BT-Drs. 19/28678, S. 1.
[6] Vgl. Eisele, Schriftliche Stellungnahme zur Sachverständigenanhörung im Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz des Deutschen Bundestages am 19. Mai 2021, S. 3 f.; s. auch Zimmerman, in Satzger/Schluckebier/Werner (Hrsg.), StGB, 6. Aufl. 2024, § 126a Rn. 16.
[7] Vgl. hierzu Rackow (Fn. 2), § 126a Rn. 10.
[8] BT-Drs 19/29638, S. 1; zustimmend Kindhäuser/Hilgendorf, StGB, 9. Aufl. 2022, § 126a Rn. 6.
[9] S. etwa Rackow (Fn. 2), § 126a Rn. 9; Gerhold, in Schumann/Mosbacher/König (Hrsg.), Medienstrafrecht, 2023, § 126a Rn. 19 jeweilsm. w. N.
[10] S. etwa Joecks/Kulhanek, in Münchener Kommentar zum StGB, 4. Aufl. 2020, § 16 Rn. 7.
[11] BT-Drs. 19/31115, S. 10.
[12] A. A. insbesondere Fischer, StGB, 71. Aufl. 2024, § 126a Rn. 8.
[13] S. entsprechend Fischer (Fn. 12), § 126a Rn. 8; s. auch Korenke/Kühne NK 2022, 457, 469.
[14] S. hierzu Rackow (Fn. 2), § 126a Rn. 14; a. A. Gerhold (Fn. 9), § 126a Rn. 26.
[15] BT-Drs. 19/28678, S. 8.
[16] BT-Drs. 19/28678, S. 8; s. zum notwendigen Appellcharakter der Tathandlung gem. § 111 I StGB etwa KG NStZ-RR 2002, 10, 10.
[17] Vgl. Bosch, in Münchener Kommentar zum StGB, 4. Aufl. 2021, § 111 Rn. 3.