Der Beitrag befasst sich mit einem Begriff im Schnittfeld von Strafrecht und Verfassungsrecht: mit der „Freiheitsentziehung“ (Art. 104 II 1 GG), die einen massiven und zugleich strafrechtstypischen Grundrechtseingriff darstellt. Zunächst wird ein herkömmliches verfassungsrechtliches Begriffsverständnis anhand der strafvollzugsrechtlichen Ausgestaltung der Freiheitsstrafe der Kritik unterzogen. Im Anschluss fragt der Beitrag nach den legitimationstheoretischen Konsequenzen eines vollständigeren Begriffs der Freiheitsentziehung.
A. Treffpunkt von Straf- und Verfassungsrecht
Die Beziehung zwischen Verfassungsdogmatik und Strafrechtswissenschaft gestaltete sich in jüngerer Zeit nicht immer einfach. Wenngleich Reibungen auch produktive Irritationen bewirkt haben dürften, bleibt auf strafrechtlicher Seite mitunter der Eindruck zurück, die zunehmende Konstitutionalisierung und Europäisierung der Kriminalpolitik löse die Eigenheiten des Strafrechts in weichen Maßstäben, wie dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz,[1] auf oder verflüssige sie in prozeduralen
Legitimationsprinzipien, wie dem der Demokratie[2] – und entkerne dadurch die angestammte Kritikfunktion der Strafrechtswissenschaft gegenüber sicherheitspolitisch motivierter Strafrechtsexpansion.[3]
Demgegenüber möchte der vorliegende Beitrag zu einer konzilianteren Zusammenarbeit der juristischen Teildisziplinen anregen. Er versteht sich als Versuch, bestimmte Wissensbestände des Strafrechts – besonders des Strafvollzugsrechts – für die verfassungsrechtliche Perspektive zu erschließen. Im Zentrum steht ein Begriff, der dazu prädestiniert ist, weil er im Schnittfeld der beiden Forschungsrichtungen liegt, ja gewissermaßen ihren Treffpunkt markiert: die „Freiheitsentziehung“. Dieser Begriff beschreibt einerseits den Modus der Freiheitsstrafe als der Hauptstrafe des modernen Kriminalstrafrechts (§§ 12, 38 StGB); andererseits bezeichnet er einen der am schwersten wiegenden Grundrechtseingriffe, die unsere Verfassungsordnung (Art. 104 II GG) kennt.
Seine nähere Analyse lässt das herkömmliche verfassungsrechtliche Begriffsverständnis (B) vor dem Hintergrund einiger Grundstrukturen des Strafvollzugsrechts (C) als unterkomplex erscheinen (D). Ein entsprechend nachgeschärftes Verständnis kann für die Frage der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung der Freiheitsstrafe bedeutsam sein (E).
B. Herkömmliche Sicht: Freiheitsentziehung als Fortbewegungshindernis
Wenn man die Freiheitsstrafe vom Grundgesetz aus in den Blick nimmt, stellt sie sich zentral als Eingriff in das Grundrecht auf Freiheit der Person dar, welches die Art. 2 II 2 und 104 GG schützen. Befragt man das Verfassungsrecht weiter daraufhin, was dem Strafgefangenen durch diesen Eingriff des Näheren „entzogen“ wird, erhält man allerdings keine allzu deutliche Antwort, da die Auslegung jenes Grundrechts je nach Autor oder Autorin stark variiert und schon lange umstritten ist.[4] Die Mehrzahl der Grundrechtsinterpreten dürfte aber auf die „körperliche Bewegungsfreiheit“ verweisen, worunter sie wesentlich die „Möglichkeit sich
weg zu bewegen“, also seinen gegenwärtigen Aufenthaltsort zu verlassen, verstehen.[5]
Diese in Rechtsprechung und Lehre weitverbreitete Lesart der Freiheit der Person beruht auf einer ganz bestimmten Vorstellung vom Freiheitsentzug (Art. 104 II GG) im Allgemeinen, von der Freiheitsstrafe im Besonderen. Insofern kann eine Kurzbeschreibung des Bundesverfassungsgerichts, derzufolge bei einer Freiheitsentziehung die Bewegungsfreiheit „nach allen Seiten hin aufgehoben wird“, als maßgeblich betrachtet werden.[6] Diese Formulierung legt den Akzent auf das Eingesperrtsein des Gefangenen, das gewissermaßen pars pro toto für seine Rechtsposition genommen wird. Sie zeichnet ein klaustrophobisches Bild von diesem Zustand, der den Bewegungsradius einer Person „nach allen Seiten hin“ einengt:[7]
„Freiheitsentziehung ist der allseitige Ausschluss der Bewegungsfreiheit einer Person durch Einsperren in einem eng umgrenzten örtlichen Bereich, etwa einem Raum oder einem Gebäude.“[8]
Ob diese Perspektive auf den Freiheitsentzug überzeugt, hängt von verschiedenen Gesichtspunkten ab. Einerseits muss die Begriffsbildung auf der Verfassungsebene als der höchsten Normenschicht allgemein und offen genug bleiben, um Spielraum für unterschiedliche demokratische Gestaltungsmöglichkeiten auf den Folgeebenen zu lassen. Diesem Maßstab genügt die oben zitierte Definition der Freiheitsentziehung zweifellos. Andererseits sollte eine solche Umschreibung trotz ihrer Generalität den Kern des inmitten stehenden Grundrechtsproblems treffen, damit sich im Wege methodengerechter Verfassungskonkretisierung die Grenzen grundrechtskonformer Ausgestaltung entwickeln lassen. Diese Passgenauigkeit erscheint jedoch, wie nachfolgend anhand ausgewählter verfassungsrechtlicher Bezüge des Strafvollzugsrechts gezeigt wird, durchaus fraglich.
C. Alternativdeutung: Freiheitsentziehung als Grundrechtsschranke
I. Gefangene als Grundrechtsträger wie jedermann
Zur durchgängigen Verrechtlichung des Strafvollzugs kam es in der Bundesrepublik vor kaum 50 Jahren. Erst mit den Fortschritten der sog. Großen Strafrechtsreform, die ihren Abschluss 1969 in der Verabschiedung zweier bedeutsamer Reformgesetze fand,[9] gewann auch das in Fachkreisen schon länger angemahnte Projekt einer Vollzugsreform genügend Zugkraft, um auf die politische Tagesordnung zu gelangen.[10] Die Arbeit der 1967 eingesetzten Strafvollzugskommission brachte schließlich das Strafvollzugsgesetz des Bundes von 1976 hervor,[11] das inzwischen großteils durch Landesrecht abgelöst wurde.[12]
Als verfassungsrechtlicher Impuls der gesamten Rechtsentwicklung wirkte der Strafgefangenenbeschluss des Bundesverfassungsgerichts von 1972. In ihm wurde der Anwendung der überkommenen Lehre vom „besonderen Gewaltverhältnis“ auf Strafgefangene eine klare Absage erteilt:[13]
„Auch die Grundrechte Strafgefangener können nur durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes eingeschränkt werden.“[14]
– so der erste Leitsatz der Entscheidung. Damit war die Verrechtlichung des Strafvollzugs nicht mehr nur politisch gewollt, sondern verfassungsrechtlich geboten. Den parlamentarischen Gesetzgeber traf die Pflicht, den vordem maßgeblich durch Verwaltungsvorschriften geregelten Strafvollzug umfassend normativ zu ordnen. Die in diesem Kontext notorischen grundrechtlichen Konfliktfelder konnten nicht länger dem Verwaltungsermessen überantwortet, sondern mussten einer differen-
zierten formellgesetzlichen Ausgestaltung zugeführt werden. Das betraf alle Bereiche des Haftlebens – von der Grundversorgung (Unterbringung, Ernährung, Gesundheit, Religion) über die Außenkontakte und die Beschäftigung Gefangener bis hin zur Freizeitgestaltung –, die der Gesetzgeber je für sich und in ihrem Zusammenhang unter Berücksichtigung der Gefangenenrechte (neu) ausmaß.
Rote Fäden des Gesetzeswerks sollten die in den Anfangsparagrafen niedergelegten Prinzipien bilden, wobei man dem kurz nach dem Strafgefangenenbeschluss ebenfalls höchstrichterlich anerkannten Resozialisierungsgrundsatz eine Schlüsselposition als „Vollzugsziel“ zuwies.[15] Am Ende stand ein Gesetz, das bei all seinen Schwächen[16] erstmals die mit dem Freiheitsentzug verbundenen Grundrechtsprobleme auf abstrakt-genereller Ebene würdigte und die seinerzeitige Rechtslage umfassend konsolidierte. Das Grundkonzept des Gesetzes hat sich über die Föderalismusreformen hinweg bis heute erhalten.[17]
II. Strafvollzug als „Eingliederungslage“
Trotz Anpassung des Strafvollzugs an die verfassungsrechtlichen Standards steht außer Zweifel, dass ein Leben in Haft viel strenger reglementiert ist als ein Leben „in Freiheit“[18]. Eben dadurch wird die Strafe, verfassungsrechtlich gesprochen, zu einem Übel.[19] Massive unterbringungstypische Freiheitsverluste betreffen etwa das Familienleben, den Privatsphäreschutz oder die Pflege von Sozialkontakten innerhalb wie außerhalb der Vollzugsanstalt.[20]
Der Unterschied zum 1972 verabschiedeten „besonderen Gewaltverhältnis“ ist daher nicht materieller, sondern formeller Art:[21] Rechtsinhaltlich
bleibt der Strafvollzug für die Gefangenen ein Zustand verminderter Freiheit. Während aber die mit dem Strafgefangenenbeschluss überwundene Rechtslage die Gefangenengrundrechte „in einer unerträglichen Unbestimmtheit zu relativieren“ drohte, müssen Eingriffe seither zumindest gesetzlich positiviert und anhand eines „von der Wertordnung des Grundgesetzes gedeckten gemeinschaftsbezogenen Zweckes“[22] legitimiert werden. Für die Rechtswissenschaft ergab sich daraus eine neue Problemstruktur: Einerseits gilt für den Gefangenenstatus nunmehr – wie für das allgemeine Staat-Bürger-Verhältnis – das rechtsstaatliche Verteilungsprinzip.[23] Andererseits bricht sich die am konstruktiven Ausgangspunkt unbegrenzte Freiheit Strafgefangener an den vielen besonderen, d.h. speziell diese Gruppe treffenden vollzugsbedingten Einschränkungen. Ihre Rechtsposition stellt sich, obgleich strukturell als gewöhnliche Erscheinungsform der Grundrechtssubjektivität verstanden, inhaltlich als grundrechtlicher „Sonderstatus“ dar.[24]
Um diese Gemengelage zu systematisieren, hat sich im Verfassungsrecht eine Lehre gefestigt, die die Zuschreibung eines solchen Sonderstatus an eine Person als deren Eintritt in eine „Eingliederungslage“ deutet.[25] Dieser Rechtsvorgang – hier also die Begründung des „Gefangenenverhältnisses“[26] – beinhaltet einen anfänglichen, für die Eingliederungslage konstitutiven Grundrechtseingriff, der weniger in der Herbeiführung eines klar definierbaren tatsächlichen Zustands besteht als in der Herbeiführung einer Rechtsstellung, welche für den Betroffenen – als „Gefangenen“ – künftig mit weiteren, nämlich der Operationalisierung der Eingliederungslage dienenden Grundrechtseingriffen einhergeht. In dieser Blickachse erscheint die Freiheit der Person als „eine Art Substrat für die Entfaltung personalen menschlichen Lebens überhaupt“, deren vorgängige Einschränkung viele weitere Grundrechte in Mitleidenschaft zieht.[27] Der Eintritt in den Gefangenenstatus lässt die uneingeschränkte Grundrechtsberechtigung zwar bestehen, konfrontiert sie aber mit den die
Freiheitsstrafe legitimierenden „gemeinschaftsbezogenen Zwecken“[28]. Trotz der uneingeschränkten Grundrechtsberechtigung Gefangener erscheint es deshalb so, als wären ihre Rechte (doch) nicht prinzipiell unbegrenzt, sondern prinzipiell begrenzt.[29]
Diese Zusammenhänge erleichtern die verfassungsrechtliche Einordnung freiheitsentziehender Maßnahmen wie der Freiheitsstrafe. Wenn sich der (gerechtfertigte) Freiheitsentzug als komplexes Ausübungshindernis für zahlreiche Gefangenengrundrechte auswirkt, dann liegt es nahe, seine verfassungsrechtliche Verankerung in Art. 104 II GG als immanente Schranke dieser Rechte zu lesen: Juristisch bedeutet „Freiheitsentzug“ dann die Anwendung dieser Grundrechtsschranke auf die Grundrechte einer Person.[30] Der materiell-rechtliche Unterschied zwischen der „Eingliederungslage“ und dem Leben „auf freiem Fuße“ besteht in erster Linie darin, dass dem Gefangenen aus dieser Schranke ein nahezu alle grundrechtlich geschützten Lebensbereiche durchziehender normativer Widerpart erwächst. Die sich ergebende kontinuierliche Ausgleichsbedürftigkeit verweist zugleich auf das dritte und letzte der hier zu betrachtenden Merkmale der Freiheitsstrafe: ihre Verfahrensprägung.
III. Verfahrensprägung des Strafvollzugs
Am Ausgangspunkt ist der Strafgefangene Grundrechtsträger wie jedermann.[31] Die Begründungslast für einen Eingriff in seine Rechte trifft alle Adressaten der Grundrechtsbindung entlang der rechtsstaatlichen
Bindungshierarchie (Art. 1 III, 20 III GG), sodass der Gefangenenstatus primär durch den Gesetzgeber und sekundär durch Verwaltung und Justiz auszuformen ist. Zu den Formprinzipien der Gefangenenrechte zählt allerdings die übergreifende verfassungsimmanente Schranke aus Art. 104 II GG, die auf allen Bindungsebenen die Funktionsfähigkeit des Strafvollzugs diesen Rechten gegenüber in Stellung bringt.[32]
Infolgedessen zielt das Gefangenenverhältnis unter Ausschöpfung der Entscheidungsressourcen gewaltenteiliger Rechtserzeugung auf die Herstellung praktischer Konkordanz[33] zwischen diesen und allen übrigen Belangen. Das verleiht dem Strafvollzugsrecht innere Dynamik und Entwicklungsoffenheit. Allgemein lässt sich von einer Verfahrensprägung des Strafvollzugs sprechen: Nach dem gesetzlichen Modell ist er „als Interaktionsprozess“ angelegt, der verschiedene Phasen durchläuft und typische Lebenssituationen der Inhaftierten koordiniert.[34] Eingeleitet wird dieser Prozess mit Rechtskraft des Strafurteils durch die Staatsanwaltschaft als Vollstreckungsbehörde, die den verurteilten Straftäter zum Haftantritt lädt (§ 457 II 1 StPO). Daran schließen sich das Aufnahmeverfahren und eine Phase der Vollzugsplanung an (§§ 5 ff. StVollzG), die anhand verschiedener Differenzierungsmerkmale (z.B. Geschlecht, Gefährlichkeit, Alter, Wohnort, u.a.) die Zuordnung zu einer Anstalt und einer Vollzugsform – insbesondere offener oder geschlossener Vollzug (§ 10 StVollzG) – gewährleisten.[35] Auch während der Unterbringung unterliegt der individuelle Vollzugs- oder Resozialisierungsplan fortlaufender Konkretisierung im Hinblick auf die (Chancen zur) Erreichung des Vollzugsziels, § 7 III StVollzG. Die letzte Vollzugsphase bilden Entlassungsvorbereitung und Entlassung.[36] Von der Austragung hafttypischer Grundrechtskonflikte während all dieser Phasen unterrichten die zahlreichen einschlägigen Judikate des Bundesverfassungsgerichts.[37]
Ein frühzeitiger allgemeiner Hinweis auf die Verfahrensnatur der gesamten Strafrechtsverwirklichung findet sich in einem Urteil des
Bundesverfassungsgerichts von 1962, in dem das Gericht verschiedene prozessuale Abschnitte zu einem „Gesamtvorgang des Freiheitsentzugs“ verklammert.[38] Besonders deutlich spricht die Verfahrensprägung der Freiheitsstrafe aber wiederum aus dem Wissenschaftsdiskurs der Reformphase um 1970. Sie wird in Stellungnahmen unterschiedlicher theoretischer Provenienz betont. Noch immer vielzitiert ist die Bemerkung Schüler-Springorums, dass diese Kriminalsanktion im Unterschied zu allen anderen „nicht nur ‚vollstreckt‘, sondern darüber hinaus ‚vollzogen‘ wird“.[39] Der Vollzug ist somit als eigenes Stadium der Strafrechtsverwirklichung erkannt und in den Mittelpunkt juristischer Aufmerksamkeit gerückt. Mit systemtheoretischer Grundierung findet sich ein ähnlicher Gedanke im selben Zeitkontext bei Calliess ausgesprochen, der die Strafe als „dialogischen Prozess“ begreift, an dem der Straftäter als Verfahrenssubjekt mit eigenen Rechten und Pflichten teilnimmt.[40] Andere Autorinnen und Autoren mit rollentheoretischem oder organisationssoziologischem Ansatz bevorzugen demgegenüber den von Goffman geprägten Begriff der „totalen Institution“, um die Asymmetrien und Abhängigkeiten zum Ausdruck zu bringen, durch welche die Interaktion zwischen dem Personal und den Insassen einer Justizvollzugsanstalt gekennzeichnet sind.[41]
IV. Zwischenfazit
Drei allgemeine, verfassungsrechtlich (mit-)bedingte Merkmale einer Freiheitsentziehung wurden anhand des Strafvollzugsrechts herausgestellt: Kraft grundrechtlichen Gesetzesvorbehalts bedarf eine Freiheitsentziehung formellgesetzlicher Ausgestaltung; im Verhältnis zu den Gefangenengrundrechten manifestiert sich die Freiheitsentziehung als verfassungsimmanente in Art. 104 II GG vorgesehene Grundrechtsschranke; die daraus resultierende Ausgleichsbedürftigkeit zwischen Gefangenenrechten und Funktionserfordernissen des Strafvollzugs ist schließlich ein Hauptgegenstand des Vollzugs als Verfahren. Wie verhält
sich diese Bestandsaufnahme über die Freiheitsstrafe nun aber zur herkömmlichen Definition der Freiheitsentziehung?
D. Kritik der herkömmlichen Definition
Nach verbreiteter Vorstellung ist eine Freiheitsentziehung ein allseitiges Fortbewegungshindernis.[42] Vielen gilt das Eingesperrtsein einer Person als pars pro toto für deren Gefangenschaft. Entzogen ist dem Gefangenen danach im Wesentlichen die Freiheit, den Raum, in dem er sich befindet, wieder zu verlassen.[43] Die obigen Betrachtungen nähren allerdings Zweifel an der Passgenauigkeit dieses Bildes. Denn offenbar blendet es zen-trale Aspekte freiheitsentziehender Maßnahmen aus:
Erstens reduziert es den verfahrensrechtlich gestuften „Gesamtvorgang“[44] auf eine bloße Situationsbeschreibung. Jedoch stellen sich die Freiheitsentziehung im Allgemeinen, die Freiheitsstrafe im Besonderen, als komplexe, rechtlich geordnete „Interaktionsprozesse“[45] dar, deren Dynamik und Gestaltbarkeit die herkömmliche verfassungsrechtliche Definition nicht widerspiegelt. Der von ihr beschriebene Zustand des Eingesperrtseins mag zwar eine rechtliche und tatsächliche Folge jenes Gesamtvorgangs sein.[46] Den Vorgang als solchen erfasst sie aber nicht.
Zweitens ist diese Zustandsbeschreibung zu eng, weil sie nur ein einzelnes Stadium jenes Gesamtvorgangs, nämlich die geschlossene Unterbringung der betroffenen Person, erfasst. Mag diese Belastungssituation auch häufig mit einer Freiheitsentziehung, zumal mit der Freiheitsstrafe, einhergehen, erfährt sie doch erhebliche Relativierungen. Beispielsweise bildet der offene Vollzug eine Standardmodalität des modernen Strafvollzugs (§ 10 StVollzG). Entsprechende Haftanstalten sehen „keine oder nur verminderte Vorkehrungen gegen Entweichungen“ vor (§ 141 II StVollzG), sodass Gefangene in relativ selbstbestimmter Weise einer geregelten Arbeit außerhalb der Anstalt nachgehen und ihre
Sozialkontakte pflegen können. Und selbst der geschlossene Vollzug in einer ausbruchsicheren Haftanstalt umfasst reguläre Vollzugslockerungen, wie Ausführung, Freigang, Hafturlaub oder Außenbeschäftigung.
Drittens schließlich – und dieser Punkt ist verfassungsrechtlich zentral – geht die herkömmliche Kurzformel am eigentlich relevanten Grundrechtsproblem vorbei. In gewisser Hinsicht bewegt sich die Idee von der Freiheitsentziehung als Fortbewegungshindernis fast noch in den Bahnen der Lehre vom „besonderen Gewaltverhältnis“. Denn sie verengt die mit der anstaltsmäßigen „Eingliederung“[47] einer Person verbundenen Freiheitsverluste auf einen kleinen Ausschnitt der Grundrechte, nämlich den der ungehinderten räumlichen Fortbewegung, wodurch die insgesamt eintretende Verengung des Freiheitsradius aus dem Blick gerät. Stellt man hingegen die uneingeschränkte Grundrechtsberechtigung Gefangener mit dem Strafgefangenenbeschluss an den Ausgangspunkt der Betrachtung, dann zeigt sich, dass die Freiheitsentziehung weit mehr an „Freiheit“ als die Möglichkeit zur Ortsveränderung nimmt: Sie reglementiert die Lebensführung der Gefangenen im Ganzen – von den Vitalbedürfnissen (Wohnen, Ernährung, Gesundheit) über die Sozialkontakte (Familie, Beruf) bis zur Freizeitgestaltung – und involviert dementsprechend Einschränkungen sämtlicher der damit zusammenhängenden Grundrechte. Sie alle sind mit den objektiven Funktionserfordernissen des Vollzugs zum Ausgleich zu bringen. In der Summe wird dem Gefangenen geradezu „seine Erwachsenenrolle verweigert“[48]. Nicht in der „verschlossenen Tür“ besteht also das eigentliche Grundrechtsproblem, sondern in jenem übergreifenden Ausübungshindernis, welches die vor der Freiheit der Person (Art. 2 II 2 GG) gerechtfertigte verfassungsimmanente Schranke nach Art. 104 II GG für die allermeisten übrigen Freiheitsrechte (Art. 6, 8, 9, 11, 13 GG)[49] bildet. Nicht im Eingesperrtsein des Gefangenen, sondern in dem Umstand, dass seiner Autonomie aus dieser Schranke ein omnipräsenter normativer Widerpart erwächst, liegt das eigentliche Übel einer Freiheitsentziehung. Nur in diesem übertragenen Sinn ist seine Freiheit „nach allen Seiten hin aufgehoben“: Der Gefangene
sieht praktisch all seine Grundrechte unablässig mit jenem Kollisionswert aus Art. 104 II GG konfrontiert.
Zusammengefasst ist die herkömmliche Definition doppelt fehlproportioniert: Einerseits geht sie freiheitstheoretisch zu weit, da sie den genannten Eingriff als durchgängiges Eingesperrtsein umschreibt, obwohl die „Geschlossenheit“ reguläre Relativierungen kennt. Andererseits geht sie aber auch nicht weit genug, weil der Freiheitsentzug – in gleich welcher Vollzugsform – gerade nicht „nur“ die Fortbewegung des Gefangenen, sondern seine Selbstbestimmung im Ganzen einschränkt. Fragen wir abschließend, welche Schlussfolgerungen ein im Dialog von Verfassungsrecht und Strafvollzugsrecht geschärftes Verständnis der Freiheitsstrafe mit Blick auf deren Rechtfertigung erlaubt.
E. Freiheitsentziehung im Spiegel der Strafzwecke
I. Verfassungsrechtliche Tragweite des Strafübels
Wenn man die Freiheitsstrafe vom Grundgesetz aus in den Blick nimmt und bereit ist, sich von dem Bild des „hinter Schloss und Riegel“ gebrachten Kriminellen zu lösen, offenbart sich der eintretende Freiheitsverlust erst in seiner ganzen Reichweite: Kaum ein Grundrecht bleibt von dieser Strafform unberührt, die Beschreibung als „Freiheitsentziehung“ erscheint insofern durchaus treffend.[50]
Dieser Befund zieht eine in der strafvollzugsrechtlichen Literatur erkennbare Tendenz in Zweifel, die Fülle an Grundrechtsbetroffenheiten, die eine Freiheitsstrafe mit sich bringt, als „Nebenwirkungen“[51], „Reflexwirkungen“[52] oder „Annexwirkungen“[53] des (eigentlich) auf die Freiheit der Person abzielenden Eingriffs zu deuten; dann erscheinen sie als bloß indirekte, rein „faktisch“ bewirkte, also unbeabsichtigte, lediglich in Kauf genommene Nebenfolgen der Freiheitsstrafe. Tatsächlich manifestiert sich ein Eingriff in eben jenes Recht aus Art. 2 II 2, 104 GG aber
gerade darin, zahlreiche „Folgegrundrechte“ mit zu erfassen.[54] All diese Wirkungen sind somit integrale Bestandteile, gewissermaßen „Hauptwirkungen“ einer Freiheitsstrafe.
Soll von dieser Strafform also kaum ein Grundrecht verschont bleiben, bildet sie geradezu das Negativ zu dem umfassenden Freiheitsversprechen des Grundgesetzes.[55] Dementsprechend herausfordernd gestaltet sich die Beantwortung der Frage nach der Eingriffsrechtfertigung. Sie kann hier zwar nicht ausdiskutiert, doch zumindest in ihrem Ansatz akzentuiert werden.
II. Strafübel und Dauerkrise der Resozialisierung
Einen wesentlichen Aspekt der Prüfung der Sachlegitimation bildet die Identifikation legitimer Eingriffszwecke, aufgrund derer sich die Freiheitsstrafe im Weiteren als geeignet, erforderlich und angemessen im Verhältnis zu den Grundrechtsbetroffenheiten auf Seiten der verurteilten Straftäter erweisen muss.[56] Welcherart Zwecke legitimieren nun aber einen Eingriff der oben beschriebenen Qualität, der nahezu sämtliche für eine selbstbestimmte Lebensführung relevanten Grundrechte so massiv beschneidet, dass man dem Betroffenen geradezu die „Erwachsenenrolle verweigert“?[57]
Viele verweisen hier an erster Stelle auf das Vollzugsziel der Resozialisierung, das in der Formationsphase des deutschen Strafvollzugsrechts zum (verfassungs-)rechtlichen Paradigma der Freiheitsstrafe wurde.[58] Allerdings scheint der Strafvollzug dieses Ziel nur sehr eingeschränkt erfüllen zu können. Die Rede von einer „Krise der Resozialisierung“ ist in etwa genauso alt wie das Bundesstrafvollzugsgesetz von 1976 selbst.[59] Auch neuere empirische Studien weisen eine zu hohe Rückfallquote aus, um dem Strafvollzug eine sonderlich ausgeprägte Effizienz in puncto
positiver Spezialprävention bescheinigen zu können.[60] Begibt man sich auf Ursachenforschung, führt der Weg alsbald zurück zu den angesprochenen Merkmalen des rechtfertigungsbedürftigen Eingriffs, d.h. der Freiheitsentziehung: Gerade der Umstand des weitgehenden gesellschaftlichen Ausschlusses der Gefangenen verstärkt nach Ansicht vieler älterer, aber auch jüngerer Beobachter des Strafvollzugs die Entstehung resozialisierungsungünstiger Bedingungen, wie z.B. eine „Prisonisierung“ der Haftinsassen oder eine durch Gewaltbereitschaft geprägte Subkultur.[61] So gewendet, ist die Dauerkrise der Resozialisierung bei der Freiheitsstrafe, jedenfalls in ihrer klassischen, geschlossen vollzogenen Form, geradezu vorprogrammiert.
Wenn aber ein solcher Problemzusammenhang zwischen Freiheitsentzug und Resozialisierung besteht, schwächt er von vornherein die Rechtfertigungskraft dieses Zwecks für jenen Eingriff und lenkt den Blick auf Strafzwecke, die stärker an das Moment der Übelszufügung anknüpfen. Eine problemsensible Betrachtung wird zwar völlig zurecht darauf drängen, „die als Übelszufügung verhängte Freiheitsstrafe zu Resozialisierungszwecken zu nützen“[62], wird realistischerweise aber nicht umhinkommen, Eingriffszwecke repressiverer Grundausrichtung ins Auge zu fassen.
III. „Schuldausgleich“ und die unscharfen Grenzen der Strafe
Die Strafe in ihrer Qualität als „repressive Übelszufügung“[63] ist Ausfluss der retributiven Strafzwecke „Schuldausgleich, Sühne und Vergeltung“[64]. Die strafbegründende Legitimationskraft entsprechender Lehren, deren Wirksamkeit historisch weit zurückreicht, wird bekanntermaßen vielfach bestritten und mag an dieser Stelle dahinstehen.[65] Setzt man
sie einmal voraus, stellt sich als nächstes die Frage nach der genaueren Funktionsweise jenes „Schuldausgleichs“. Ihre Beantwortung gestaltet sich allerdings schwierig.
Um dem Grundgedanken eines gerechten Ausgleichs Sinn zu verleihen, wird man nämlich annehmen müssen, dass sich die individuelle Strafhöhe in objektiv bestimmbaren und damit bemessbaren „Strafquanten“[66] ausdrücken lässt. Bei der Freiheitsstrafe bereitet eine solche Quantifizierung nun jedoch nicht nur in Anbetracht der außerordentlich weitreichenden Partizipationsverluste Schwierigkeiten. Darüber hinaus fließen in diese Rechnung noch weitere kaum quantifizierbare „Unbekannte“ ein, die dem Vergeltungsgedanken eine ganz beträchtliche Unschärfe verleihen:
Da wäre erstens die Problematik finanzieller Überschuldung Strafgefangener, die in einem komplexen Zusammenhang zum staatlichen Sanktionssystem steht. Neben Schadensersatzansprüchen der Opfer tragen etwa Anwalts- und Gerichtskosten, aber auch das „Schuldenwesen“ der Häftlinge untereinander innerhalb der Justizvollzugsanstalten oftmals zur Entstehung eines regelrechten Schuldenbergs bei.[67] Dieser Umstand erschwert nicht nur die Resozialisierung, sondern verunklart als der Freiheitsstrafe diffus anhaftender Belastungsfaktor auch die materiellen Konturen jenes „Ausgleichs“.
In ähnlicher Weise wirkt sich zweitens die nur partielle Einbeziehung der Strafgefangenen in die sozialen Sicherungssysteme aus.[68] Speziell ihre Nichteinbeziehung in die Rentenversicherung[69] schlägt sich in der Berechnung ihrer Altersrente nieder. Als „Spätfolge der Freiheitsstrafe“[70] lässt sie deren Übelscharakter also auch noch weit nach Strafverbüßung
(wieder) aufleben und verwischt so die zeitlichen Ränder des „Schuldausgleichs“.
Drittens schließlich sind die registerrechtlichen Folgen von Straftaten in Gestalt der Eintragungen in das Bundeszentralregister nicht zu vergessen. Sie werden nach Maßgabe des § 32 BZRG auch in das Führungszeugnis übernommen, das einem prospektiven Arbeitgeber typischerweise vorzulegen ist. Mögen Präventionsgesichtspunkte diese Praxis auch mitunter stützen, so liegt doch im schwer greifbaren sozialen Stigma der Vorstrafe[71] ein zusätzlicher, ebenfalls nicht quantifizierbarer Entgrenzungsfaktor der „Vergeltung“.
IV. Schlussbemerkung
Aus alldem wird deutlich: Der „Gesamtvorgang“ der Freiheitsstrafe hat eine noch sehr viel weitere, unschärfere Ausdehnung als oben im Zuge der grundrechtlichen Analyse festgehalten wurde. Umso schwieriger gestaltet sich aber seine Rechtfertigung. Über die beschriebenen grundrechtlichen Autonomieverluste hinaus wird man dabei gerade auch jene Fernwirkungen berücksichtigen müssen. Sollten auf dieser Blickachse nun weitere „Treffpunkte“ zwischen dem Strafrecht und dem öffentlichen Recht (etwa dem Sozialrecht) liegen, wäre das für beide eine gute Gelegenheit, den Austausch fortzusetzen.
Prof. Dr. David Kuch ist Inhaber der Professur für öffentliches Recht mit den Schwerpunkten Verwaltungsrecht und Grundlagen des Rechts an der Universität Konstanz. Kontakt: david.kuch@uni-konstanz.de
[1] Freilich auch im öffentlichen Recht schon lange als „großer Gleich- und Weichmacher der Verfassungsmaßstäbe“ bekannt: Ossenbühl VVDStRL 39 (1981), 189 (Diskussionsbemerkung); ausgewogene Behandlung aus strafrechtlicher Sicht bei Kaspar, Verhältnismäßigkeit und Grundrechtsschutz im Präventionsstrafrecht, 2014; aus privatrechtlicher Perspektive bei Stürner, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im Schuldvertragsrecht, 2010.
[2] Vgl. einerseits Gärditz Der Staat 49 (2010), 331, andererseits Zaczyk Der Staat 50 (2011), 295.
[3] Siehe die gründliche Bestandsaufnahme bei Greco ZStW 135 (2023), 378, 406 ff.; zur zunehmenden „Punitivität“ Schlepper, Strafgesetzgebung in der Spätmoderne, 2014; grundlegend Garland, Kultur der Kontrolle (The Culture of Control, 2001), dt. 2008.
[4] Kuch, Freiheitsentziehung, 2023, S. 21 ff., 59 ff.; im Überblick ders. ZJS 2023, 939, 940 ff.
[5] Stellvertretend Stepanek-Bühringer, in Huber/Voßkuhle GG-Kommentar, Bd. 1, 8. Aufl. 2024, Art. 2 Rn. 455 (Hervorh. im Orig., D.K.); Lang, in BeckOK GG, 62. Ed., Stand 15.6.25, Art. 2 Rn. 290.
[6] So zu unterschiedlichen Formen des Freiheitsentzugs: BVerfGE 94, 166, 198; 149, 293, 319; BVerfG NStZ 2011, 529, 530; zusammenfassend Radtke, in BeckOK GG, 62. Ed., Stand 15.6.25, Art. 104 Rn. 3; Mehde, in Dürig/Herzog/Scholz GG-Kommentar, 107. Aufl. 2025, Art. 104 Rn. 60; Jarass, in Jarass/Pieroth GG-Kommentar, 18. Aufl. 2024, Art. 104 Rn. 11; allg. auch Marschner, in ders./Lesting/Stahmann, Freiheitsentziehung und Unterbringung, 7. Aufl. 2024, A Rn. 3.
[7] Heidebach, Grundrechtsschutz durch Verfahren bei gerichtlicher Freiheitsentziehung, 2014, S. 3 f. mit Sammelfußnoten.
[8] Zusammenfassend Gusy, in Huber/Voßkuhle GG-Kommentar, Bd. 3, 8. Aufl. 2024, Art. 104 Rn. 20.
[9] BGBl. 1969 I S. 645 bzw. 717; zur historischen Einordnung Herbert, Geschichte Deutschlands im 20. Jahrhundert, 2014, S. 839 f.
[10] Zur alles andere als linearen Entwicklung Ramsbrock, Geschlossene Gesellschaft, 2020, S. 68 ff.
[11] Gesetz über den Vollzug der Freiheitsstrafe und der freiheitsentziehenden Maßregeln der Besserung und Sicherung (StVollzG) v. 16.3.1976 (BGBl. I S. 581), in Kraft getreten zum 1.1.1977; vgl. Kuch, Freiheitsentziehung, 2023, S. 120 ff. m.w.N.
[12] Seit im Zug der Föderalismusreform I (BGBl. 2006 I S. 2034) die Gesetzgebungskompetenz auf die Länder übergegangen ist, gilt das StVollzG des Bundes nach Maßgabe des Art. 125a GG fort. Da es im Folgenden auf die Einzelheiten der inzwischen ergangenen Landesstrafvollzugsgesetze nicht ankommt, wird der Einfachheit halber auf die Regelungen des StVollzG des Bundes verwiesen. Umfassende Analyse der Zuständigkeitsreform bei Jünemann, Gesetzgebungskompetenz für den Strafvollzug im föderalen System der Bundesrepublik Deutschland, 2012, pass. hier insb. S. 71 ff.
[13] Kontextualisierend Günther KritV 83 (2000), 298, 299 ff.
[14] BVerfGE 33, 1, Ls. 9 [1972]; später zum Jugendstrafvollzug gleichsinnig E 116, 69, 81 [2006].
[15] Vgl. § 2 S. 1 StVollzG; Anerkennung des subjektiv aus der Menschenwürde und dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht, objektiv aus dem Sozialstaatsprinzip (Art. 1 I, 20 I GG) hergeleiteten Resozialisierungsgrundsatzes durch BVerfGE 35, 202, 235 f. [1973]; aus jüngerer Zeit insb. E 166, 196 [2023].
[16] S. etwa Dünkel in Driebold (Hrsg.), Strafvollzug, 1983, 25, 38 f., 49 ff.
[17] Vgl. zur Kontinuität statt vieler Jünemann, Gesetzgebungskompetenz für den Strafvollzug im föderalen System der Bundesrepublik Deutschland, 2012, S. 463 ff. m.w.N.
[18] Diese Entgegensetzung etwa in BVerfG (K), Beschl. v. 30.8.2006 – 2 BvR 1803/05, Rn. 12; auch
Beschl. v. 25.10.2011 – 2 BvR 979/10, Rn. 19.
[19] In dessen Rechtfertigung nicht nur vollzugsspezifische, sondern auch weitere Strafzwecke, wie insbesondere „Prävention, Schuldausgleich, Sühne und Vergeltung für begangenes Unrecht“
(BVerfGE 64, 261, 271), einfließen.
[20] Zusammenfassend Kuch, Freiheitsentziehung, 2023, S. 149 ff., 377 f.; auch Jünemann, Gesetzgebungskompetenz für den Strafvollzug im föderalen System der Bundesrepublik Deutschland, 2012, S. 20 f.
[21] Prägnant Merten, in Herzog u.a., Evangelisches Staatslexikon, 3. Aufl. 1987, Sp. 1132, 1137.
[22] Zitate aus BVerfGE 33, 1, 10 f.
[23] Dazu nur Hofmann Der Staat 34 (1995), 1, 14 f.
[24] Etwa Bleckmann DVBl. 1984, 991 ff.; der Begriff „Sonderstatus“ hat verfassungstheoretische Wurzeln bei Schmitt, Verfassungslehre (1928), 8. Aufl. 1993, S. 182.
[25] Statt vieler v. Kielmansegg, Grundrechte im Näheverhältnis, 2012, hier S. 324 ff. et pass.; von den unterschiedlichen Fällen solcher Eingliederungslagen (z.B. Schulverhältnis, Beamtenverhältnis u.a.) interessiert vorliegend nur das Gefangenenverhältnis (dazu weiter im Text).
[26] Vgl. Wimmer, Rechtsverhältnisse im öffentlichen Recht, 2019, S. 398 ff.
[27] Schüler-Springorum, Strafvollzug im Übergang, 1969, S. 126; eine verfassungsrechtliche Ausarbeitung dieses Gedankens findet sich bei Kuch, Freiheitsentziehung, 2023, S. 173–191.
[28] S.o. bei und in Fn. 19 und 22.
[29] In der (älteren) strafvollzugsrechtlichen Literatur begegnet die Rede von einer „prinzipielle[n] Umkehr der menschlichen Befindlichkeit“ bzw. der „Konversion“ der Freiheitsrechte Gefangener (nochmals Schüler-Springorum, Strafvollzug im Übergang, 1969, S. 126 bzw. 86 nach Tiedemann, Die Rechtsstellung des Strafgefangenen nach französischem und deutschem Verfassungsrecht, 1963), die sich auch nach Überwindung der Lehre vom „besonderen Gewaltverhältnis“, materiell-rechtlich betrachtet, nicht erledigt haben dürfte. Der Anschein prinzipieller Begrenztheit der Gefangenenrechte lässt sich etwa an der Systematik der Strafvollzugsgesetze verdeutlichen: Auch wenn den Gefangenen hinsichtlich eines bestimmten Verhaltens kein ausdrücklich normiertes Verbot trifft, kann daraus – anders als im allgemeinen Freiheitsstatus – nicht bereits der Schluss auf die Erlaubtheit des Verhaltens gezogen werden. Vielmehr eröffnen vollzugsrechtliche Generalklauseln – als „Angstklauseln“ bekannt (vgl. Wißmann, Generalklauseln, 2008, S. 263 f. m.w.N.) – der Verwaltung weitere Eingriffsbefugnisse (zB. § 4 II 2 StVollzG); ferner kann das Hausrecht der Anstalt z.T. Grundrechtseingriffe legitimieren, vgl. Lübbe-Wolff,Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Strafvollzug und Untersuchungshaftvollzug, 2016, S. 71 f.
[30] S. im Einzelnen Kuch, Freiheitsentziehung, 2023, S. 128 ff.; bereits Morlok in Bemmann/Manoledakis (Hrsg.), Probleme des staatlichen Strafens unter besonderer Berücksichtigung des Strafvollzugs, 1989, 45, 49 ff., Hoffmeyer, Grundrechte im Strafvollzug, 1979, S. 114 ff.
[31] S.o. C. I.
[32] S.o. C. II.
[33] Im Sinne von Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 20. Aufl. 1995, Rn. 72.
[34] Zusammenfassend Laubenthal, Strafvollzug, 8. Aufl. 2019, Rn. 17, 299 ff.
[35] Übersichtlich Laubenthal, Strafvollzug, 8. Aufl. 2019, Rn. 63 ff. (Anstalten), 299 ff. (Ablauf); Kett-Straub, in Hilgendorf/Kudlich/Valerius, Handbuch des Strafrechts, Bd. 9, 2023, § 69 Rn. 66 ff.
[36] Zu den hier nicht im Einzelnen interessierenden Entlassungsarten (besonders auch nach § 57 StGB) Laubenthal, Strafvollzug, 8. Aufl. 2019, Rn. 652 ff.
[37] Dazu die verdienstvolle Sammlung von Lübbe-Wolff,Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Strafvollzug und Untersuchungshaftvollzug, 2016.
[38] BVerfGE 14, 174, 186 [1962].
[39] Schüler-Springorum, Strafvollzug im Übergang, 1969, S. 125; aufgegriffen etwa bei Laubenthal, Strafvollzug, 8. Aufl. 2019, Rn. 12.
[40] Calliess, Theorie der Strafe im demokratischen und sozialen Rechtsstaat, 1974, hier S. 97 ff.
[41] Insb. Eisenhardt, Strafvollzug, 1978, S. 67 ff., im Rekurs auf Goffman, Asyle (Asylums, 1961), mittlerweile 21. Aufl. 2018.
[42] S.o. sub B.
[43] Ähnlich wie die eingangs zitierte Literatur die Begriffsbestimmung in § 415 II FamFG: „Eine Freiheitsentziehung liegt vor, wenn einer Person gegen ihren Willen oder im Zustand der Willenlosigkeit insbesondere in einer abgeschlossenen Einrichtung, wie einem Gewahrsamsraum oder einem abgeschlossenen Teil eines Krankenhauses, die Freiheit entzogen wird.“ Der einzige gehaltvolle Teil dieser im Übrigen tautologischen Definition („Freiheitsentziehung“, „wenn Freiheit entzogen“) liegt im Hinweis auf die genannten geschlossenen Räumlichkeiten.
[44] S.o. bei und in Fn. 38.
[45] S.o. bei und in Fn. 34.
[46] Vgl. in diesem Zusammenhang Merten, in ders./Papier, Handbuch der Grundrechte, Bd. IV, 2011, Rn. 7: Bewegungsfreiheit als „Folge eines wirksamen Verhaftungsschutzes“.
[47] S.o. bei und in Fn. 25.
[48] Laubenthal in Dreier/Forkel/Laubenthal (Hrsg.), FS 600 Jahre Würzburger Juristenfakultät, 2002, 169.
[49] Auch an das Wahlrecht (Art. 38 I 1 GG) wäre zu denken, §§ 13, 15 II Nr. 1 BWahlG i.V.m. § 45 I, II und V StGB; kritisch Peters, in Michl, NK-BWahlG im Ersch., § 45 StGB Rn. 17 ff.
[50] Eigentlich handelt es sich dabei um einen gewöhnlichen Grundrechtseingriff i.S.d. Art. 2 II 3 GG, jedenfalls keinen Grundrechts-„Entzug“; in der Bezeichnung kommt die außerordentlich weitreichende freiheitstheoretische Dimension des Eingriffs aber gut zum Ausdruck.
[51] Walter, Strafvollzug, 2. Aufl. 1999, Rn. 360.
[52] Kaiser/Schöch, Strafvollzug, 5. Aufl. 2002, § 5 Rn. 52.
[53] Laubenthal, Strafvollzug, 8. Aufl. 2019, Rn. 244.
[54] Neubacher, in Laubenthal u.a., Strafvollzugsgesetze, 12. Aufl. 2015, B Rn. 97; auch Kett-Straub, in Hilgendorf/Kudlich/Valerius, Handbuch des Strafrechts, Bd. 9, 2023, § 69 Rn. 49 („notwendige Folge“).
[55] Zur überragenden Bedeutung der Grundrechte in der deutschen Verfassungsordnung Dreier in ders. (Hrsg.), Idee und Gestalt des freiheitlichen Verfassungsstaates, 2014, 37, 60 f.; ders. DÖV 2024, 413.
[56] Jüngst etwa Bohn NSW 2025, 1, 4 ff.
[57] S.o. bei und in Fn. 48.
[58] S.o. bei und in Fn. 15.
[59] Ramsbrock, Geschlossene Gesellschaft, 2020, S. 284 ff. (zit. 285), 295 ff.
[60] Kett-Straub, in Hilgendorf/Kudlich/Valerius, Handbuch des Strafrechts, Bd. 9, 2023, § 69 Rn. 24 f., mit vorsichtiger Interpretation relevanter Daten; eine tiefe Kluft zwischen Resozialisierungsanspruch und Vollzugsrealität konstatierten jüngst auch Neubacher/Kant KrimOJ 7 (2025), 227; ernüchternde Darstellung der Realität der Resozialisierungsidee aus Sicht eines Ex-Anstaltsleiters bei Galli, Weggesperrt, 2020, S. 38 ff.
[61] Zu älteren Diskursen nochmals Ramsbrock, Geschlossene Gesellschaft, 2020, S. 251 ff., 277 ff.; aus jüngerer Zeit etwa Neubacher/Boxberg in Maelicke/Suhling (Hrsg.), Das Gefängnis auf dem Prüfstand, 2018, 195 ff.
[62] Böhm, Strafvollzug, 3. Aufl. 2003, Rn. 26.
[63] BVerfGE 109, 133, 173 [2004] u.ö.
[64] Zur verfassungsgerichtlichen Anerkennung dieser Zwecke schon oben in Fn. 19; Überblick zur neueren „Renaissance retributiver Straftheorien“ bei Lichtenthäler ZJS 6/2020, 566, 570 ff.
[65] Umfassend zur Kritik solcher Ansätze Roxin/Greco, Strafrecht AT I, 5. Aufl. 2020, § 3 Rn. 8 ff.; Kaspar, Verhältnismäßigkeit und Grundrechtsschutz im Präventionsstrafrecht, 2014, S. 134 ff., mit prononciert verfassungsrechtlicher Argumentation. – Das legitimationstheoretische Kapital der Vergeltungstheorien (besonders gegenüber Präventionstheorien) mag freilich darin liegen, nicht nur die „Nützlichkeit“ der Strafe, sondern ihre moralische Rechtfertigung zu problematisieren, vgl. Cavell, Der Anspruch der Vernunft (The Claim of Reason, 1979), dt. 2016, S. 484 ff.
[66] Streng, in Kindhäuser/Neumann/Paeffgen/Saliger NK-StGB, 6. Aufl. 2023, § 46 Rn. 26 ff.
[67] Laubenthal, Strafvollzug, 8. Aufl. 2019, Rn. 648; ders. BAG-S Informationsdienst Straffälligenhilfe 25 (2/2017), 26, 29.
[68] Einbezogen sind sie in die Arbeitslosenversicherung, § 26 I Nr. 4 SGB III, wenngleich es eine Reihe von Unklarheiten gibt, vgl. BSG, Urt. v. 17.12.24 – B 11 AL 10/23 R, Rn. 21 ff.
[69] Der Gesetzgeber schob die Einbeziehung bei Legiferierung des StVollzG (1976) zunächst auf (§§ 198 III, 190) und konnte sich bis jetzt nicht zu diesem (kostspieligen) Schritt entschließen; die neuere Rechtsprechung zur Gefangenenvergütung (BVerfGE 166, 196 [2023]) gibt der Diskussion darüber wieder Nahrung, vgl. aus der vergangenen Legislaturperiode die Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage von Abgeordneten der Partei Die Linke, BT-Drs. 20/11837.
[70] Laubenthal, Strafvollzug, 8. Aufl. 2019, Rn. 479.
[71] Goffman, Stigma (1963), 1986, S. 12, fasst „imprisonment” unter die soziale Zuschreibungskategorie „blemishes of individual character perceived as weak will, domineering or unnatural passions, treacherous and rigid beliefs, and dishonesty”.