Die „Bekämpfung“ von „hate speech“ in einer wehrhaften Demokratie – Regulierung durch das NetzDG und den DSA

Diese auf Auskunftspflichten und damit auf eine weitgehend passive Rolle beschränkte Verantwortung der Betreiber sozialer Meiden im Umgang mit Hassrede hat sich mit Einführung des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes – dem NetzDG – 2017 geändert:

[38] Die Betreiber wurden verpflichtet: ein umfassendes Beschwerdemanagement einzurichten,[39] offensichtlich rechtswidrige Inhalte i.S.d. NetzDG[40] innerhalb von 24h und sonst rechtswidrige Inhalte innerhalb von sieben Tagen nach Eingang der Beschwerde zu löschen[41] sowie zuletzt die Beschwerdeführer sowie von der Löschung betroffene Nutzer entsprechend zu informieren und Entscheidungen zu begründen.[42] Zudem wurden sie verpflichtet und ermächtigt, gegenüber Nutzern Auskunft zur Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche zu erteilen.[43] Flankiert werden diese Pflichten mit der Ankündigung von Bußgeldern für den Fall des Zuwiderhandelns,[44] die nach Maßgabe der §§ 30, 130 OWiG auch gegenüber den Unternehmen selbst verhängt werden können.

Mit Wirkung zum Februar 2022 sind Änderungen des NetzDG in Kraft getreten,

[45] die am Vollzugsdefizit ansetzen. Eingeführt wurde eine Meldepflicht: Die Betreiber sozialer Medien haben bestimmte von Nutzern angezeigte rechtswidrige Inhalte,[46] denen eine besonders gefährliche Wirkung auf das demokratische System und die öffentliche Ordnung zugeschrieben wird,[47] an das Bundeskriminalamt zu melden; von dort aus soll dann die Strafverfolgung durch die zuständigen Stellen veranlasst werden können. Diese Änderung des NetzDG ist jedoch derzeit ausgesetzt, da die Meldepflicht nach Ansicht des VG Köln gegen Unionsrecht verstößt.[48]

Das NetzDG in seiner ursprünglichen Fassung setzt, abgesehen von der Auskunftspflicht gegenüber den Nutzern, nicht am beschriebenen Vollzugsdefizit an und verpflichtet die Anbieter sozialer Medien auch nicht, Maßnahmen zu ergreifen, damit rechtswidrige Inhalte i.S.d. NetzDG gar nicht erst veröffentlicht werden können. Es geht also nicht um Verhaltensnormen mit einer unmittelbar präventiven Zwecksetzung, die eine Rechtsgutsverletzung verhindern, sondern um solche, die eine Tatbeendigung bewirken und damit die Intensität der Rechtsgutsverletzung vermindern sollen.

[49]

[38] Gesetz zur Verbesserung der Rechtsdurchsetzung in sozialen Netzwerken (Netzwerkdurchsetzungsgesetz – NetzDG) vom 1.9.2017, in Kraft getreten am 1.10.2017 (BGBl. I S. 3352).

[39] § 3 Abs. 1 NetzDG.

[40] Rechtswidrige Inhalte i.S.d. NetzDG sind gem. § 1 Abs. 3 NetzDG solche, die den Tatbestand der §§ 86, 86a, 89a, 91, 100a, 111, 126, 129 bis 129b, 130, 131, 140, 166, 184b, 185 bis 187, 189, 201a, 241 oder 269 StGB erfüllen und nicht gerechtfertigt sind.

[41] § 3 Abs. 2 Nr. 2, 3 NetzDG.

[42] § 3 Abs. 2 Nr. 5 NetzDG.

[43] § 14 Abs. 3 TMG i.d.F. vom 1.10.2017.

[44] § 4 NetzDG.

[45] Gesetz zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität, BGBl. I, S. 441, die Änderungen des NetzDG sind zum 1.2.2022 in Kraft getreten, vgl. Art. 10 Abs. 2.

[46] Gem. § 3a Abs. 2 Nr. 3 NetzDG sind dies Inhalte, welche die §§ 86, 86a, 89a, 91, 126, 129 bis 129b, 130, 131 oder 140, 184b StGB erfüllen und nicht gerechtfertigt sind. Erfasst sind auch Inhalte, die den § 241 StGB erfüllen, sofern sich die Bedrohung auf ein Verbrechen gegen das Leben, die sexuelle Selbstbestimmung, die körperliche Unversehrtheit oder die persönliche Freiheit bezieht.

[47] BT-DrS 19/17741, S. 17.

[48] LG Köln BeckRS 2022, 3081.

[49] Zu einer ähnlichen Analyse Ceffinato, ZStW 132 (2020), 544, 560 f.