Die „Bekämpfung“ von „hate speech“ in einer wehrhaften Demokratie – Regulierung durch das NetzDG und den DSA

des StGB, die dieses Phänomen zu erfassen vermögen, umgestaltet, um dieses aus seiner Sicht adäquater, d.h. umfassender und lückenloser, erfassen zu können.

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Indes: Der Regulierungsansatz für das Phänomen der hate speech – und damit ist nicht mehr nur der nationale, sondern inzwischen auch der unionale Gesetzgeber gemeint – geht weit über eine Steuerung mit den Mitteln des Strafrechts in einem engeren Sinne hinaus. Adressat strafbewehrter Verhaltensnormen ist nicht mehr nur der „Täter“ von hate speech; in die Verantwortung für rechtswidrige Inhalte genommen werden inzwischen auch die Betreiber sozialer Medien, die die Plattform für digitale Hasskriminalität bieten. Und für Zuwiderhandlungen seitens der Plattformbetreiber werden Bußgelder, also strafrechtliche Sanktionen in einem weiteren Sinne,

[31] angekündigt. Im Folgenden sollen die Hintergründe dieses Regulierungsansatzes, die bußgeldbewehrten Pflichten der Betreiber sozialer Medien aus dem NetzDG und dem DSA sowie die damit verbundenen Folgen kritisch beleuchtet werden.

B.   NetzDG und DSA – Democracy becomes (too) militant?

     I.        Vollzugsdefizit bei der Bekämpfung von Hasskriminalität

Die präventive Wirkung des Strafrechts hängt bekanntlich maßgeblich von der Wahrscheinlichkeit ab, dass eine Tat entdeckt, verfolgt und geahndet wird.

[32] Im Bereich der hate speech ist diese Wahrscheinlichkeit bislang gering.[33] Das Internet ist zwar bei Weitem kein „anonymer“ Raum, der die Identität der Nutzer vollständig im Verborgenen lassen würde. Dennoch: Nutzer – insbesondere Täter von hate speech – treten vielmals nicht unter ihrem Klarnamen auf und die Daten,[34] mit Hilfe derer auf ihre Identität sowie ihr Handeln im Internet geschlossen werden könnte, sind nicht ohne Weiteres zugänglich[35] bzw. befinden sich bei den Betreibern sozialer Medien. Die Anzeigebereitschaft der Opfer ist äußerst zurückhaltend.[36]

    II.        Verantwortung der Plattformbetreiber nach dem NetzDG und dem DSA

Angesichts dieses Vollzugsdefizits, konkret, um die Täteridentität mit Hilfe von Daten der Betreiber sozialer Medien aufdecken zu können, hat der Gesetzgeber in den letzten Jahren zunehmend die Plattformbetreiber in die Verantwortung genommen. Zunächst hat er in § 14 Abs. 2 Telemediengesetz eine Auskunftspflicht der Telemedienanbieter – und dazu gehören Betreiber sozialer Medien – gegenüber Strafverfolgungsbehörden statuiert. Für Zwecke der Strafverfolgung sind sie berechtigt und verpflichtet, Auskunft über Bestandsdaten, d.h. über personenbezogene Daten ihrer Nutzer, und unter erhöhten Voraussetzungen inzwischen auch über Nutzungsdaten zu geben.

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[30] Zu einer Übersicht der vorangehende Beitrag von Engländer, xx.

[31] Vgl. Roxin/Greco, Strafrecht Allgemeiner Teil I, München, 2020, § 2 Rn. 62, 98 f.

[32] Vgl. nur Meier, Strafrechtliche Sanktionen, Berlin, Heidelberg, 2019, 29 ff. m.w.N.

[33] So der Ausgangspunkt in BT-Dr. 19/17741, S. 1 f. Zu einer Analyse Krause, 2022, S. 5.

[34] Gesetzlich wird unterschieden zwischen Bestands- und Nutzungsdaten, vgl. §§ 22, 24, 2 Abs. 2 Nr. 2, 3 TTDSG.

[35] Siehe zu den Möglichkeiten, sich verdeckt im Internet zu bewegen (vpn-Clients, Thor-Browser) Ceffinato, ZStW 132 (2020), 544, 550.

[36] Eine FORSA-Umfrage für die Landesmedienanstalt NRW in den Jahren 2018, 2020 sowie 2022 hat ergeben, dass nur 1 % der Opfer von Hassrede bereits eine Strafanzeige erstattet haben, HATE SPEECH FORSA-STUDIE 2022, 2022, S. 5.

[37] Zur Rechtslage nach § 14 Abs. 2 TMG a.F.: Nomos-BR/TMG-Müller-Broich, § 14 Rn. 2, 5. Die Auskunftspflicht ist nunmehr in § 22 TTDSG (Telekommunikation-Telemedien-Datenschutz-Gesetz) iVm § 100j StPO geregelt. Eine Herausgabe von Nutzungsdaten ist danach unter den erhöhten Voraussetzungen des § 24 TTDSG möglich.