Die „Bekämpfung“ von „hate speech“ in einer wehrhaften Demokratie – Regulierung durch das NetzDG und den DSA

zum umfangreichen Arsenal faschistischer Technik gehören auch die subtileren Waffen der Verunglimpfung, Diffamierung, Verleumdung.“

Legt man den vom Europarat 2022 in seiner Empfehlung an die Mitgliedstaaten zur Bekämpfung von hate speech verwandten Begriff eben dieser daneben, ergeben sich Parallelen:

„[…] hate speech is understood as all types of expression that incite, promote, spread or justify violence, hatred or discrimination against a person or group of persons, or that denigrates them, by reason of their real or attributed personal characteristics or status such as “race”, colour, language, religion, nationality, national or ethnic origin, age, disability, sex, gender identity and sexual orientation.”

[7]

„[…] unter Hassreden sind alle Arten von Äußerungen zu verstehen, die zu Gewalt, Hass oder Diskriminierung gegen eine Person oder eine Personengruppe aufstacheln, sie fördern, verbreiten oder rechtfertigen oder sie aufgrund ihrer tatsächlichen oder zugeschriebenen persönlichen Merkmale oder ihres Status verunglimpfen, wie z. B. „Rasse“, Hautfarbe, Sprache, Religion, Nationalität, nationale oder ethnische Herkunft, Alter, Behinderung, Geschlecht, Geschlechtsidentität und sexuelle Ausrichtung.“

Nach beiden Ansätzen ist hate speech weniger mit einem Einzelkonflikt zwischen dem Sich-Äußerndem und dem Adressaten verbunden; es geht mehr um die Grundhaltung, dass es innerhalb einer Gesellschaft Gruppen mit geringerem Wert und geringeren Rechten gibt. In seiner Essenz beruht hate speech danach auch auf einer Art Kastendenken:

[8] Hate speech äußert, wer der Überzeugung ist, dass ein Mitglied einer anderen Kaste auf Grund seiner Zugehörigkeit zu dieser weniger wert ist – weil es schwarz ist, weil es muslimischen oder jüdischen Glaubens ist, oder weil es eine Frau ist.[9] Treffend sind in diesem Zusammenhang daher auch die Begriffe der Polarisierung oder der Spaltung: Die Ablösung von einer gesellschaftlichen Zusammengehörigkeit (Loewenstein spricht von einer „common loyalty“[10]), die in einer Demokratie auch verbunden ist mit der Anerkennung der Gleichheit aller in ihrer Andersartigkeit; eine Entwicklung hin zu einer Zersplitterung in verschiedene gesellschaftliche Gruppen und einem „vilifying, defaming, slandering“[11] bestimmter Gruppen. Der Konflikt, welcher der hate speech zu Grunde liegt, ist somit nicht individueller, sondern systemischer Natur.

    II.        Hate speech und soziale Medien

Hate speech und die damit verbundenen Risiken für ein demokratisches Gemeinwesen sind im Ergebnis nichts Neues. Neu hingegen sind die Mittel ihrer Verbreitung über das Internet, durch soziale Medien – über Facebook, Instagram, Tiktok, Twitter, Telegram etc. Die sozialen Medien mögen zwar nicht die Ursache von Hasskriminalität sein; Studien weisen inzwischen aber einen deutlichen kausalen Zusammenhang zwischen der Nutzung sozialer Medien in

[7] European Council, Recommendation CM/Rec(2022)16[1] of the Committee of Ministers to member States on combating hate speech, 20.5.2022, Appendix to Recommendation, Ziff. 1.1. Ähnlich bereits European Council, Recommendation No. R (97) 20 of the Committee of Ministers to Member States on „hate speech“, 30.10.1997, Appendix to Recommendation No. R (97) 20, „Scope“.

[8] Zu einer Analyse von Antisemitismus, Rassismus und Misogynie als Kastendenken Wilkerson, Caste, 2020, New York, S. 18, 29 f., 78 ff.

[9] Sponholz, in: Hoven (Hrsg.), 2023, S. 23 ff.; Keiser, ZRP 2010, 46; Meddaugh/Jack, Journal of Mass Media Ethics 24 (2008), 251, 254 ff.

[10] Loewenstein, APSR 31 (1937), 417, 432.

[11] „Verunglimpfung, Diffamierung, Verleumdung“, zum Nachweis siehe oben Fn. 6.