A. Sachverhalt (Zusf. Mansouri)
Nach den Feststellungen des Landgerichts wollte der Angeklagte T der Geschädigten O, die am Abend des 26.04.2022 in einer Gaststätte zugegen war, ihre Handtasche wegnehmen, um sich Wertgegenstände und Bargeld zu verschaffen. O befand sich rauchend vor dem Eingangsbereich in Gesellschaft von zwei Freunden, ihre Tasche legte sie neben sich auf einem Tisch ab. Zur Umsetzung seines Plans fasste T den Entschluss, O und ihre Begleiter zu bedrohen, indem er ihnen eine Luftpumpe nach Art eines Gewehres (Langwaffe) vorhielt. Dadurch wollte er erreichen, dass sie in der Annahme, es handele sich um eine Schusswaffe, aus Angst um ihre Gesundheit keinen Widerstand leisten und seinen Forderungen nachkommen würden. In Umsetzung dieses Tatplans hielt er die Luftpumpe mit ausgezogenem Kolben und mit auf Brusthöhe angehobenen Armen vor sich und trat so auf O zu. Die Luftpumpe hielt er ihr im Abstand von 20 bis 30 Zentimetern vor das Gesicht und forderte sie auf hineinzugehen. Wie von T beabsichtigt, erkannten weder O noch ihre Begleiter die Luftpumpe als eine solche. Vielmehr besorgten sie den Einsatz einer Schusswaffe und liefen daher in das Lokal. T nahm die zurückgelassene Handtasche an sich und verließ die Örtlichkeit. Bevor er sich der Tasche entledigte, entnahm er ihr das Portemonnaie der O, um es nebst Inhalt, wie unter anderem Bargeld, zu behalten.
B. Aus den Gründen
[…]
[5] aa) Die Vorschrift erfasst grundsätzlich alle bewusst gebrauchsbereit mitgeführten Gegenstände, die als Mittel zur Überwindung des Widerstands des Tatopfers mittels Gewalt oder Drohung geeignet sind, also auch sogenannte Scheinwaffen, d.h. Gegenstände, die objektiv ungefährlich sind und deren Verletzungstauglichkeit nur vorgetäuscht wird […]. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind allerdings vom Anwendungsbereich des § 250 Abs. 1 Nr. 1 b StGB aufgrund einer einschränkenden Auslegung solche Gegenstände auszunehmen, die für einen objektiven Beobachter schon nach ihrem äußeren Erscheinungsbild offensichtlich ungefährlich und deshalb nicht geeignet sind, mit ihnen
– etwa durch Schlagen, Stoßen, Stechen oder in ähnlicher Weise – auf den Körper eines anderen in erheblicher Weise einzuwirken […].
[6] bb) Ein derartiger Fall liegt hier jedoch nicht vor. Die vom Angeklagten verwendete Luftpumpe war auch für einen objektiven Beobachter nicht offenkundig ungefährlich. Insbesondere durch ihren Einsatz als Schlagwerkzeug gegen empfindliche Körperstellen hätte mit ihr erheblich auf den Körper eines anderen eingewirkt werden können […]. Der Gegenstand war „seiner Art nach“ […] dazu geeignet, von dem Opfer als Bedrohung wahrgenommen zu werden. Damit steht die vom Täter zugleich beabsichtigte Täuschung des Tatopfers hinsichtlich der von dem mitgeführten Gegenstand ausgehenden Drohwirkung – hier: als vermeintliche Schusswaffe – nicht derart im Vordergrund, dass die Anwendung von § 250 Abs. 1 Nr. 1 b StGB den (Wort-)Sinn des Gesetzes verfehlen würde […]. Denn eine Täuschung des Opfers wird bei dem Gebrauch jeder „Scheinwaffe“ im Hinblick auf deren objektive Ungefährlichkeit angestrebt.
[…]
C. Würdigung von Yusef Mansouri
Bei § 250 I Nr. 1 b) StGB handelt es sich um eine Qualifikation zu § 249 StGB,[1] der Auffangcharakter im Verhältnis zu lit. a zukommt.[2] Dies insbesondere in den Fällen, in denen der Täter kein „anderes gefährliches Werkzeug“ i.S.d. § 250 I Nr. 1 a) Alt. 2 StGB bei sich führt, weil es an der Gefährlichkeit[3] jenes Werkzeugs mangelt. Zu § 250 I Nr. 1 b) StGB muss man wissen: Erstens zählen zu den sonstigen Werkzeugen oder Mitteln nur solche Gegenstände, die nach ihrer Art und ihrem Verwendungszweck in der konkreten Situation dazu geeignet sind, Widerstand durch Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden.[4] Zweitens kommt der Vorschrift in der Praxis insbesondere bei sog. Scheinwaffen[5] eine erhebliche Bedeutung zu. Gemeint sind solche Mittel, denen keine objektive Gefährlichkeit für Leib oder Leben anhaftet und deren Verletzungstauglichkeit nur vorgetäuscht wird.[6] Diese wollte der Gesetzgeber auch nach der Neufassung durch das 6. StrRG dem Anwendungsbereich der Vorschrift unterfallen lassen.[7]
Die Rechtsprechung grenzt den Anwendungsbereich im Wege teleologischer Reduktion und mit Blick auf die nicht unerhebliche Strafandrohung seit einer Grundsatzentscheidung aus dem Jahr 1991[8] aber dahingehend ein, dass nicht täuschend echt aussehende Scheinwaffen – Gegenstände, deren objektive Ungefährlichkeit nach ihrem äußeren Erscheinungsbild aus Sicht eines objektiven Beobachters offenkundig auf der Hand liegt – nicht § 250 I Nr. 1 b) StGB unterfallen. Oder anders gewendet: § 250 I Nr. 1 b) StGB sei nur dort erfüllt, wo die Drohwirkung durch das objektive Erscheinungsbild des Gegenstands selbst beim Opfer vermittelt werde. Bei Werkzeugen oder Mitteln, deren (vorgespiegelte) Gefährlichkeit nur (oder zumindest schwerpunktmäßig) auf Täuschungserklärungen des Täters beruhe, sei die Schwelle zu § 250 I
Nr. 1 b) StGB nicht überschritten, weil dann der Täuschungs- und nicht der Drohcharakter im Vordergrund stehe. Genau in dieser Abgrenzung zwischen Täuschungs- und Drohelement liegt das Problem, das deshalb bereits häufig Gegenstand höchstrichterlicher Judikatur war und beachtenswerte Kritik in der rechtswissenschaftlichen Diskussion erfahren hat.[9] Auch dieses Mal musste sich der BGH im „Luftpumpen-Fall“ zu der Frage verhalten, ob § 250 I Nr. 1 b) StGB einschlägig war.
Der 4. Senat misst – in seiner Argumentation sich anlehnend an eine frühere Entscheidung des 2. Senats[10] – der Luftpumpe eine aus der Sicht eines objektiven Beobachters nicht offenkundige Ungefährlichkeit bei, wobei dies insbesondere auf ihre Eignung als Schlagwerkzeug zurückzuführen sei. So aber droht zumindest eine Verwischung der Grenzen zu § 250 I Nr. 1 a) Alt. 2 StGB, lässt es doch die Rechtsprechung für die Annahme eines gefährlichen Werkzeugs genügen, dass dieses aufgrund seiner objektiven Beschaffenheit geeignet ist, etwa als Stichwerkzeug zu fungieren und erhebliche Verletzungen herbeizuführen (zudem käme § 250 II Nr. 1 StGB in Betracht).[11] Im Übrigen wäre praktisch jeder Gegenstand, der „gefährlicher als weichgekochter Spargel ist“[12], unter § 250 I Nr. 1 b) StGB zu fassen. Die Eignung des Tatmittels als Stoßwerkzeug vermag die Anwendung des § 250 I Nr. 1 b) StGB daher nicht wirklich zu begründen. Für die erforderliche Abgrenzung zwischen überwiegendem Täuschungs- oder Drohcharakter sind die Kriterien nicht immer einheitlich. Eine Analyse der bisher ergangenen Entscheidungen zeigt, dass die Rechtsprechung stets „zweistufig“ prüft:
Auf einer ersten Stufe ist zu klären, ob der Gegenstand schon „seiner Art“ nach, also von seiner Beschaffenheit her, die besondere Gefährlichkeit mit sich bringt. Dies ist für den BGH jedenfalls bei solchen Tatmitteln nicht der Fall, die die Eignung zur erheblichen Einwirkung auf den Körper eines anderen (z.B. durch Schlagen, Stoßen, Stechen o.Ä.) vermissen lassen – sog. „offensichtlich ungefährliche Gegenstände“. Wer hier eine effektive Drohwirkung erzielen will, muss diese fehlende Eignung durch „Täuschungsaufwand“ („Ich bin bewaffnet“; „Da drin ist eine Bombe!“
o.Ä.) ausgleichen. Die Strafe aus § 250 I StGB scheint aber dort unangemessen hoch, wo sich der Räuber eines derartigen Täuschungsaufwandes bedient. Hat man dies erst einmal festgestellt, mag man meinen, dass es bei jenen offensichtlich ungefährlichen Gegenständen gar nicht mehr auf den konkreten Einsatz ankommen soll,[13] sie also grundsätzlich nicht dem Anwendungsbereich des § 250 I Nr. 1 b) StGB unterfallen.
Das ist aber nur „grundsätzlich“ so, weil die einschränkende Auslegung der Rechtsprechung nicht mehr die Regel ist und ihrerseits praktisch zur Ausnahme wird. Nach Ansicht des BGH führt Täuschung per se nicht zum Ausschluss der Vorschrift, die rechtliche Bewertung hängt vielmehr von einem zweiten Schritt ab: dem graduellen Einschlag der Täuschung. Je nach Ausmaß bleibt die Anwendung des § 250 I Nr. 1 b) StGB weiterhin möglich. Wie offensichtlich (un-)gefährlich ein Gegenstand aussieht und welche Qualität die Täuschung im Einzelfall hat, das beurteilt sich nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht aus der Sicht des Opfers, sondern aus der eines objektiven Dritten.[14] Sinneswahrnehmungen finden dabei unterschiedlich Berücksichtigung, eine klare Linie lässt sich indes nicht finden. So sollen ein von hinten auf den Hals gedrückter metallischer Gegenstand, den das Opfer nicht oder nur unzureichend sinnlich wahrnehmen kann (und soll),[15] ein von hinten in den Rücken gedrückter Lippenpflegestift[16] oder eine in der Jackentasche verborgene grellbunte Wasserpistole[17] aufgrund des vordergründigen Täuschungselements zu einer Ablehnung, eine nicht wahrnehmbare (vermeintliche) Bombe im Koffer[18] oder in einer Sporttasche (verbunden mit der Drohung mit einem vorgeblich zur Zündung fungierenden Handy)[19] hingegen zur Annahme des § 250 I Nr. 1 b) StGB führen.
Diese Fälle eint aber bei genauerer Betrachtung die Feststellung, dass es sehr wohl auf den „Einsatz“ des Werkzeugs ankommt, und zwar insoweit, als es mit Hilfe der täuschenden Erklärungen des Täters einen Schleier der Wahrheit schafft, der das Opfer an gefährliche Gegenstände
glauben lässt. Damit kann – entgegen der Bemerkung des Senats, der im zugrundeliegenden Sachverhalt primär auf die Drohwirkung der Luftpumpe als Schlagwerkzeug abstellt – wiederum jeder bewusst vom Täter eingesetzte ungefährliche Gegenstand durch Täuschung die entsprechende Zwangslage beim Opfer bewirken und die Tür zu § 250 I Nr. 1 b) StGB öffnen. So wird der Anwendungsbereich freilich erweitert (und ob dies zu begrüßen ist, steht auf einem anderen Blatt). Es ist aber gerade die Täuschung, die regelmäßig zur Annahme und nicht umgekehrt zur Ablehnung der Vorschrift führt. So auch im hiesigen Fall: T machte sich die Umstände (Dunkelheit, Form der Luftpumpe) zu Nutze und vermittelte über seine Kommunikation die bei O erzielte Drohwirkung – damit kam es auf die Eignung der Luftpumpe als Schlagwerkzeug nicht an. Vor dem Hintergrund der bisherigen Rechtsprechung ist die Entscheidung daher zwar in der Sache, nicht aber in der Begründung nachvollziehbar.
Der Verfasser ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Strafrecht, Strafprozessrecht und IT-Strafrecht an der Universität Bayreuth.
[1] Sander, in Münchener Kommentar StGB, Bd. 4, 4. Aufl. 2021, § 250 Rn. 1.
[2] BT-Drs. 13/9064, S. 18.
[3] Wie diese zu bestimmen ist, ist seit jeher umstritten, hierzu BGHSt 52, 257, 263 ff.; Wessels/Hillenkamp/Schuhr, Strafrecht BT II, 46. Aufl. 2023, Rn. 282 ff.
[4] Heger, in Lackner/Kühl/Heger, 30. Aufl. 2023, § 244 Rn. 4; Otto, Grundkurs Strafrecht BT, 7. Aufl. 2005, § 41 Rn. 57.
[5] Diese wurden schon nach altem Recht erfasst, vgl. BGHSt 24, 339, 341 (zu § 244 StGB).
[6] Fischer, StGB, 70. Aufl. 2023, § 250 Rn. 10.
[7] BT-Drs. 13/9064, 17 f. Zu den Hintergründen auch Kreß NJW 1998, 633, 642; zur Scheinwaffenproblematik nach der Reform Kudlich JR 1998, 357 ff.; zur Judikatur Boetticher/Sander NStZ 1999, 292, 293 ff.; Pfuhl ZJS 2011, 415, 416 f.; Maier NStZ-RR 2019, 297, 300.
[8] BGHSt 36, 116, 117 f. = BGH NStZ 1992, 129 („Plastikrohr-Fall“).
[9] Fischer, § 250 Rn. 11 c; Jäger JA 2016, 71, 72 f.; Preuß HRRS 2016, 467, 470; Bosch JA 2007, 468, 470.
[10] BGH NStZ 2017, 581, 581 f.
[11] BGH NStZ 2012, 571, 571 f. m.w.N.; s.a. Jäger JA 2023, 606, 608.
[12] Polemisch und zutreffend formuliert von Jahn JuS 2023, 694, 696.
[13] So noch etwa BGH NStZ 1997, 184, 184 f.: „War damit der Labellostift aber schon für sich genommen kein taugliches Tatmittel i.S.d. § 250 I Nr. 2 StGB, so kommt es auf die konkreten Umstände seines Einsatzes nicht an.“
[14] BGH NStZ 2011, 703; NStZ 2011, 278; zu den verschiedenen Perspektiven juristischer Entscheidungen Morlok RW 2019, 262 ff.
[15] BGH NStZ 2007, 332, 333.
[16] BGH NStZ 1997, 184.
[17] BGH NStZ 2011, 703.
[18] BGH NStZ 2016, 215, 216.
[19] BGH NStZ 2011, 278.