BGH, Beschluss vom 13.3.2025 – 2 StR 232/24

Zwangsweise Entsperrung eines Mobiltelefons

Reference: NSW 2025, 333-346
DOI: 10.61039/29427509-2025-26

Amtlicher Leitsatz

Der Versuch der Ermittlungsbehörden, Zugang zu den auf einem Mobiltelefon eines Beschuldigten gespeicherten Daten durch zwangsweises Auflegen von dessen Finger auf den Fingerabdrucksensor zu erlangen, ist von § 81b Abs. 1 StPO in Verbindung mit §§ 94 ff. StPO als Ermächtigungsgrundlage jedenfalls dann gedeckt, wenn eine zuvor nach §§ 102, 105 Abs. 1 StPO richterlich angeordnete Durchsuchung gerade auch dem Auffinden von Mobiltelefonen dient und der beabsichtigte Datenzugriff trotz seiner Eingriffsintensität verhältnismäßig ist.

A. Sachverhalt

[1] Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freispruch im Übrigen wegen Verstoßes gegen das Berufsverbot in zwei Fällen, davon in einem Fall tateinheitlich mit Herstellen kinderpornographischer Schriften, sowie wegen Besitzes kinderpornographischer Schriften zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. […]

[3] Der Angeklagte war bis 2017 in verschiedenen Kindertagesstätten als Erzieher tätig. Nachdem er im Rahmen seiner Betreuertätigkeit den unbekleideten Genitalbereich eines zweijährigen Mädchens gefilmt hatte,

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wurden am 15. März 2017 bei ihm anlässlich einer Wohnungsdurchsuchung mindestens eine kinderpornographische Videodatei und 2.316 kinderpornographische Fotodateien auf verschiedenen Speichermedien aufgefunden. Das Landgericht München I verurteilte den Angeklagten aufgrund dessen am 15. Oktober 2019 wegen Herstellens kinderpornographischer Schriften in Tateinheit mit Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen und mit Besitz kinderpornographischer Schriften zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und einem Monat, […]. Zugleich sprach es gegen den Angeklagten ein lebenslanges Verbot aus, als Sozialarbeiter, Sozialpädagoge, Erzieher, Pfleger und Betreuer von Kindern und Jugendlichen tätig zu sein. Das Urteil ist am 13. November 2019 in Rechtskraft erwachsen.

[4] Im Jahr 2020 beschloss der Angeklagte, die aufgrund der COVID-19-Pandemie erfolgte Schließung von Kindertagesstätten und Kindergärten auszunutzen, um entgegen dem Berufsverbot als privater Babysitter tätig zu werden. Deshalb meldete er sich über verschiedene Internetportale auf von Eltern geschaltete Inserate und wurde bis um 12. März 2021 für insgesamt acht Familien als Betreuer von minderjährigen Kindern tätig. […]

[5] Anlässlich eines Termins, an dem der Angeklagte die Betreuung der Zwillingstöchter der Familie E. übernahm, fertigte er von den beiden vollständig unbekleideten, bäuchlings in einer mit nur wenig Wasser befüllten Badewanne liegenden Mädchen Lichtbilder an sowie eine Bildserie von einem der Mädchen, das im Bereich des Unterkörpers nur mit einer Unterhose und Socken bekleidet war. Außerdem fertigte der Angeklagte eine Serie von mehreren Bildern, die eines der Mädchen beim An- oder Ausziehen der Unterhose zeigt, wobei die Kamera von unten nach oben zwischen die Beine des Mädchens gerichtet war. Auf den Bildern ist das unbekleidete Gesäß zu sehen. Diese Bilder speicherte der Angeklagte teilweise auf seinem Smartphone LG G5 SE, im Übrigen auf seinem Smartphone Google Pixel 4a (Fall II.2 der Urteilsgründe).

[8] Die Strafkammer hat das Verhalten des Angeklagten im Fall II.1 der Urteilsgründe als einen Verstoß gegen das Berufsverbot gemäß § 145c StGB gewertet. Im Fall II.2. der Urteilsgründe ist sie von einem weiteren Verstoß gegen das Berufsverbot ausgegangen, der in Tateinheit mit dem Herstellen kinderpornographischer Schriften gemäß

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§ 184b Abs. 1 Nr. 3 StGB (in der bis zum 30. Juni 2021 geltenden Fassung) stehe. […]

B. Aus den Gründen

[16] Die den Fall II.2 der Urteilsgründe betreffende Verfahrensrüge, mit der die Revision ein Verwertungsverbot hinsichtlich der auf den Mobiltelefonen des Angeklagten gespeicherten Bilder geltend macht, dringt nicht durch.

[17] Ihr liegt folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde:

[18] Aufgrund des gegen den Angeklagten bestehenden Verdachtes eines Verstoßes gegen das Berufsverbot gemäß § 145c StGB ordnete der Ermittlungsrichter des Amtsgerichts Köln auf Antrag der Staatsanwaltschaft am 11. März 2021 gemäß §§ 102, 105 Abs. 1 StPO die Durchsuchung der Wohnräume des Angeklagten einschließlich seiner Person an. […]

[19] Bei der sodann am 12. März 2021 erfolgten Durchsuchung fanden die Polizeibeamten zwei Mobiltelefone. Da der Angeklagte nicht bereit war, die Mobiltelefone freiwillig zu entsperren, ordnete ein Polizeibeamter an, dass der rechte Zeigefinger des Angeklagten durch unmittelbaren Zwang auf den Fingerabdrucksensor der Mobiltelefone gelegt werden solle, um die Sperre aufzuheben. Die Maßnahme wurde entsprechend der Anordnung umgesetzt und die entsperrten Mobiltelefone wurden an den bei der Durchsuchung anwesenden Datensicherer übergeben. […]

[20] Am ersten Hauptverhandlungstag widersprach der Verteidiger des Angeklagten der Erhebung und Verwertung der auf den Mobiltelefonen aufgefundenen Beweise. […]

[26] 2. Auch soweit die Revision ihre Annahme eines Verwertungsverbots auf das Entsperren der Mobiltelefone gegen den Willen des Angeklagten durch Auflegen eines Fingers auf den Gerätesensor stützt, bleibt ihr der Erfolg versagt.

[27] a) Die Beweismittelgewinnung war rechtmäßig.

[28] Zwar unterfällt der Versuch der Ermittlungsbehörden, Zugang zu auf einem Mobiltelefon gespeicherten personenbezogenen Daten zu erlangen, dem Anwendungsbereich der Richtlinie (EU) 2016/680 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 […]; der

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einwilligungslose Zugriff auf ein Mobiltelefon mit dem Ziel, für die Zwecke strafrechtlicher Ermittlungen Zugang zu den darauf gespeicherten Daten zu erlangen, stellt einen schwerwiegenden oder sogar besonders schwerwiegenden Eingriff in das Recht des Beschuldigten auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 iVm Art. 1 GG) sowie in die von Art. 7 und 8 GRC (Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens bzw. Recht auf Schutz personenbezogener Daten) verbürgten Grundrechte dar. Dies steht indes dem zwangsweisen Entsperren eines Mobiltelefons mittels Fingerabdruck nicht grundsätzlich entgegen (nachfolgend aa und bb). Der Versuch der Ermittlungsbehörden, auf diese Weise Zugang zu den auf einem Mobiltelefon eines Beschuldigten gespeicherten Daten zu erlangen, findet in § 81b Abs. 1 StPO in Verbindung mit §§ 94 ff. StPO die erforderliche gesetzliche Ermächtigungsgrundlage (nachfolgend cc) und ist hiervon jedenfalls dann gedeckt, wenn – wie hier – eine zuvor nach §§ 102, 105 Abs. 1 StPO richterlich angeordnete Durchsuchung gerade auch dem Auffinden von Mobiltelefonen dient (nachfolgend dd) und der beabsichtigte Datenzugriff trotz seiner Eingriffsintensität verhältnismäßig ist (nachfolgend ee).

[32] […] Dass der Körper des Beschuldigten dadurch, dass sein Finger als „Schlüssel“ zur Entsperrung des Mobiltelefons verwendet wird, zum Mittel der Überführung werden kann, verletzt – entgegen der Auffassung der Revision – auch nicht die Selbstbelastungsfreiheit des Beschuldigten, da diese lediglich vor der aktiven Mitwirkung an der eigenen Überführung, nicht aber vor dem Dulden von Ermittlungsmaßnahmen schützt […].

[33] (2) Der einwilligungslose Zugriff auf die auf einem Mobiltelefon gespeicherten Daten stellt aber einen schwerwiegenden oder sogar besonders schwerwiegenden Eingriff in das Recht des Beschuldigten auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 iVm Art. 1 GG) sowie in die auch von Art. 7 und 8 GRC verbürgten Grundrechte auf Achtung des Privat- und Familienlebens beziehungsweise auf Schutz personenbezogener Daten dar. Zwar erfolgt der Zugriff bei zwangsweisem Entsperren des Mobiltelefons mittels Fingerabdruck als offene Maßnahme, was es dem Beschuldigten ermöglicht, diesem entgegenzutreten und – etwa durch die Anrufung von Gerichten –zu überwachen (vgl. dazu BVerfG, Beschluss vom 16. Juni 2009 – 2 BvR 902/06, BVerfGE 124, 43, 62, 65 f.; vgl. auch Neuhaus, StV 2020, 489 f.). Allerdings befindet sich im Speicher von Mobiltelefonen regelmäßig eine Vielzahl an vertraulichen und höchstpersönlichen Daten, etwa in Form von Kommunikation, Lichtbildern,

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Videoaufnahmen, Notizen oder Kalendereinträgen, die bei dem Zugriff auf ein Mobiltelefon potentiell der Kenntnisnahme der Ermittlungsbehörden unterliegen. Der Zugang auf solche auf einem Mobiltelefon gespeicherte Daten kann detaillierte Informationen über die persönlichen Verhältnisse und die Lebensführung eines Beschuldigten eröffnen oder genaue Schlüsse auf politische, religiöse oder weltanschauliche Überzeugungen zulassen. Der staatliche Zugriff auf einen solchen umfassenden Datenbestand ist folglich mit dem Risiko verbunden, dass die erhobenen Daten in einer Gesamtschau weitreichende Rückschlüsse auf die Persönlichkeit des Betroffenen bis hin zu einer Bildung von Verhaltens- und Kommunikationsprofilen ermöglichen (BVerfG, Urteil vom 27. Februar 2008 – 1 BvR 370/07, 1 BvR 595/07, BVerfGE 120, 274, 323).

[35] cc) Gesetzliche Ermächtigungsgrundlage für die zwangsweise Entsperrung eines biometrisch gesperrten Mobiltelefons mit dem Finger der beschuldigten Person ist § 81b Abs. 1 StPO in Verbindung mit §§ 94 ff. StPO […].

[36] (1) Das Auflegen des Fingers eines Beschuldigten auf den Sensor des Mobiltelefons ist vom Wortlaut des § 81b Abs. 1 StPO umfasst. Danach dürfen Lichtbilder und Fingerabdrücke des Beschuldigten auch gegen seinen Willen aufgenommen und Messungen und ähnliche Maßnahmen an ihm vorgenommen werden, soweit dies für Zwecke der Durchführung des Strafverfahrens oder für die Zwecke des Erkennungsdienstes notwendig ist.

[37] Es kann dahinstehen, ob das Führen des Fingers auf den Sensor des Mobiltelefons bereits eine Aufnahme von Fingerabdrücken im Sinne des § 81b Abs. 1 StPO darstellt (vgl. Bäumerich, NJW 2017, 2718, 2721). Die Maßnahme erweist sich nämlich jedenfalls als „ähnliche Maßnahme“ im Sinne der Norm. Hierzu zählen solche, die der Feststellung der körperlichen Beschaffenheit eines Beschuldigten dienen (vgl. BGH, Urteil vom 9. April 1986 – 3 StR 551/85, BGHSt 34, 39, 44 f.; Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 67. Aufl., § 81b Rn. 8; BeckOK-StPO/Goers, 54. Ed., § 81b Rn. 4). Eine solche Feststellung äußerer, dauerhafter Körpermerkmale erfolgt bei der Entsperrung eines Mobiltelefons mittels biometrischer Daten durch den Sensor des Smartphones (Rottmeier/Eckel, NStZ 2020, 193, 195; Neuhaus, StV 2020, 489, 491; aA Hecken/ Ziegler, jurisPR-ITR 10/2023 Anm. 5; Nicolai, StV-S 2023, 148, 149). Denn dieser gleicht die Merkmale des Fingers mit jenen Merkmalen ab, die – gleichsam einem Schlüssel – im Gerätespeicher hinterlegt sind.

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[38] Damit ist die Entsperrung eines Mobiltelefons mit dem Finger auch dem äußeren Anschein nach nicht von der von § 81b Abs. 1 StPO ausdrücklich gestatteten Aufnahme von Fingerabdrücken, die regelhaft zum Zwecke der Durchführung daktyloskopischer Vergleichsuntersuchungen erfolgt, zu unterscheiden. In beiden Fällen wird der Finger des Beschuldigten – ggf. unter Anwendung unmittelbaren Zwangs – auf eine Vorrichtung gepresst, um die Papillarlinien des Fingers festzustellen bzw. zu dokumentieren und mit zuvor gespeicherten Daten zu vergleichen.

[39] (2) Dass der Gesetzgeber Maßnahmen wie die hier in Rede stehende ersichtlich nicht im Blick hatte, als § 81b Abs. 1 StPO im Jahr 1933 bzw. 1950 (vgl. zur Gesetzeshistorie BGH, Urteil vom 9. April 1986 – 3 StR 551/85, BGHSt 34, 39, 44; SK-StPO/Rogall, 5. Aufl., § 81b Rn. 5) normiert wurde, vielmehr erkennungsdienstliche Zwecke im Vordergrund standen, steht der Anwendung der Norm auf die Entsperrung eines Mobiltelefons mittels des Fingers eines Beschuldigten nicht entgegen.

[40] (a) Auch nach seinem Sinn und Zweck ist § 81b Abs. 1 StPO nicht auf bestimmte erkennungsdienstliche Maßnahmen beschränkt. Vielmehr spricht die Norm in der ersten Alternative offen von der „Durchführung des Strafverfahrens“ als zulässigem Zweck […]. Damit sind auch solche Maßnahmen umfasst, die allgemein zum Beweis der Schuld oder Unschuld des Beschuldigten dienen […]. § 81b Abs. 1 StPO will durch die Aufnahme der „ähnlichen Maßnahmen“ in den Gesetzeswortlaut dem Gesetzesanwender einen weitreichenden, dem jeweiligen Stand der Technik im Rahmen neuer Entwicklungen angepassten Handlungsspielraum mit Blick auf die zulässigen Ermittlungsmöglichkeiten einräumen […], obwohl dies bei der ursprünglichen Normierung technisch noch nicht möglich war und die Eingriffsintensität sich dadurch eingedenk weitergehender Speichermöglichkeiten vertieft hat. […]

[41] (b) Gegenteiliges ergibt sich auch nicht aus der mit dem Gesetz zur Stärkung des Rechts des Angeklagten auf Vertretung in der Berufungsverhandlung und über die Anerkennung von Abwesenheitsentscheidungen in der Rechtshilfe vom 17. Juli 2015 (BGBl. I 2015, Nr. 31) eingeführten gesetzlichen Überschrift des § 81b StPO. Anliegen des Gesetzgebers war es zwar auch zu verhindern, dass selbsterstellte Überschriften in Kommentaren die gesetzgeberische Intention und den Regelungsgehalt unzutreffend wiedergeben (vgl. BR-Drucks. 491/14, S. 81). Weder der

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Gesetzesbegründung noch der Verschlagwortung in der gesetzlichen Überschrift auf den Hauptanwendungsfall der Norm lässt sich aber entnehmen, dass der Gesetzgeber die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 81b Abs. 1 Alt. 1 StPO bei Gelegenheit der Einführung der gesetzlichen Überschrift verändern wollte. Dazu hätte er sich naheliegend in der Gesetzesbegründung verhalten, was aber gerade nicht geschehen ist.

[42] (3) Der Zulässigkeit der zwangsweisen Entsperrung eines biometrisch gesperrten Mobiltelefons mit dem Finger der beschuldigten Person steht auch nicht entgegen, dass § 81b Abs. 1 StPO weder auf bestimmte (schwere) Straftaten beschränkt ist noch den durch den Fingerabdruck ermöglichten Zugriff auf die Daten des Mobiltelefons erfasst, sondern nur zur Vornahme des eigentlichen Entsperrvorgangs des Mobiltelefons ermächtigt (vgl. MüKo-StPO/Trück, 2. Aufl., § 81b Rn. 8). Denn insoweit wird § 81b Abs. 1 StPO flankiert durch § 110 Abs. 1 und 3, § 94 Abs. 1 und 2 StPO, die – wie bei nicht mit PIN oder Fingerabdrucksensor gesicherten Daten – ergänzende Rechtsgrundlage für die Auslesung des Mobiltelefons und die anschließende Sicherung der Daten sind. Aus §§ 94 ff. StPO ergeben sich zugleich hinreichend klar und für den Bürger erkennbar die Voraussetzungen und der Umfang der zulässigen Beschränkungen der grundrechtlich gesicherten Rechte der von der Maßnahme betroffenen Person (insbesondere des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung).

[44] (b) Es entspricht gefestigter Rechtsprechung, dass die auf Mobiltelefonen gespeicherten Daten gemäß § 94 Abs. 1 StPO beschlagnahmefähig sind […]. Die regelhaft vor der Beschlagnahme erfolgende Durchsicht der auf einem Mobiltelefon gespeicherten Daten kann im Einklang damit auf § 110 StPO gestützt werden […].

[45] (c) §§ 94 ff. StPO und §§ 102 ff. StPO genügen den verfassungsrechtlichen und den sich aus der RL 2016/680/EU ergebenden Anforderungen hinsichtlich der Sicherstellung und Beschlagnahme von Datenträgern und den hierauf gespeicherten Daten.

[46] (aa) Für den vom Datenzugriff Betroffenen ist hinreichend erkennbar, dass die §§ 94 ff. StPO die Sicherstellung und Beschlagnahme des Datenträgers und der hierauf gespeicherten Daten ermöglichen (BVerfG, Beschluss vom 12. April 2005 – 2 BvR 1027/02, BVerfGE 113, 29, 51). Die strafprozessualen Beschlagnahmeregelungen genügen der insbesondere für das Recht auf informationelle Selbstbestimmung geltenden Vorgabe,

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wonach der Gesetzgeber den Verwendungszweck der erhobenen Daten bereichsspezifisch und präzise bestimmen muss; der den Datenzugriff begrenzende Verwendungszweck ist unter Beachtung des Normzusammenhangs, in welchen die §§ 94 ff. StPO eingebettet sind […]. Die Ermittlungsmethoden der Strafprozessordnung sind zwar im Hinblick auf die Datenerhebung und den Datenumfang weit gefasst. Normimmanent stehen die jeweiligen Eingriffsgrundlagen aber unter einer strengen Begrenzung auf den Ermittlungszweck; darüber hinaus setzt der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz dem staatlichen Handeln Grenzen. Eine weitergehende Eingrenzung der Eingriffsbefugnisse ist wegen der Vielgestaltigkeit möglicher Sachverhalte von Verfassungs wegen nicht geboten (BVerfG, Beschluss vom 12. April 2005 – 2 BvR 1027/02, BVerfGE 113, 29, 51).

[49] bb) Auch die RL 2016/680/EU fordert nicht, wie der Europäische Gerichtshof klargestellt hat, dass der Zugang zu auf einem Mobiltelefon gespeicherten Daten nur zur Bekämpfung bestimmter, schwerer Kriminalität zugelassen wird; andernfalls wären die Ermittlungsbefugnisse der zuständigen Behörden im Sinne der RL 2016/680/EU in Bezug auf Straftaten im Allgemeinen eingeschränkt, woraus sich in Anbetracht der Bedeutung, die solche Daten für strafrechtliche Ermittlungen haben können, eine erhöhte Gefahr der Straflosigkeit solcher Taten ergäbe (EuGH (Große Kammer), Urteil vom 4. Oktober 2024 – C-548/21, NVwZ 2025, 321, 325 Rn. 97). […]

[50] Eine im Lichte der RL 2016/680/EU gebotene gesetzliche Eingriffsermächtigung (Gesetzesvorbehalt) wird den an sie zu stellenden Erfordernissen auch dann gerecht, wenn sie – wie nach dem aufgezeigten Regelungskonzept der deutschen Strafprozessordnung – die Begrenzung der Eingriffsbefugnisse einer aufgrund objektiv nachvollziehbarer Umstände des Einzelfalles vorzunehmenden, gesetzlich verankerten Zweckbindung und Verhältnismäßigkeitsprüfung und deren gerichtlicher Überprüfung überantwortet. Der Gesetzesvorbehalt schließt nicht aus, dass die fragliche Einschränkung offen formuliert ist, um Anpassungen an verschiedene Fallgruppen und an Änderungen der Lage zu erlauben (Meyer/Hölscheidt/Schwerdtfeger, GRC, 6. Aufl., Art. 52 Rn. 31 mwN). Der europarechtliche Begriff „Gesetz“ ist im hier maßgeblichen Kontext in seiner materiellen und nicht in seiner formellen Bedeutung zu verstehen; „Gesetz“ ist der anwendbare Rechtstext in seiner Auslegung durch die zuständigen Gerichte (vgl. EuG, Urteil vom 27. April 2022 – T-710/21,

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T-722/21, T-723/21, Rn. 81). Gemäß den in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts aufgezeigten Auslegungs- und Anwendungsgrundsätzen werden den Strafverfolgungsbehörden hinreichend klare Vorgaben für die Anwendung des § 81b Abs. 1 StPO in Verbindung mit §§ 94 ff. StPO gemacht und so ein hinreichender Schutz gegen etwaige willkürliche Eingriffe gewährleistet.

[51] dd) Im Lichte der RL 2016/680/EU und mit Blick auf die besondere Eingriffsintensität erfordert der Zugang zu den auf einem Mobiltelefon gespeicherten personenbezogenen Daten – außer in hinreichend begründeten Eilfällen – eine vorherige Kontrolle durch ein Gericht, um zu gewährleisten, dass der den Datenzugriff begrenzende Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im Einzelfall durch eine Gewichtung aller relevanten Gesichtspunkte gewahrt wird (EuGH (Große Kammer), Urteil vom 4. Oktober 2024 – C-548/21, NVwZ 2025, 321, 325 Rn. 102, 104). Dies wird durch eine nach §§ 102, 105 Abs. 1 StPO – bei hinreichendem Tatverdacht und unter Beachtung der Verhältnismäßigkeit – richterlich angeordnete Durchsuchung gewährleistet, die gerade auch dem Auffinden von Mobiltelefonen dient.

[54] (2) Ausgehend hiervon ist das verfahrensgegenständliche Vorgehen der Polizeibeamten rechtlich nicht zu beanstanden.

C. Würdigung von Mohamad El-Ghazi und Jassem Imsameh

I. § 81b I StPO kann entgegen der Wertung des BGH sowie der vorgehenden Entscheidungen des OLG Bremen bzw. des LG Ravensburg[1] nicht als Ermächtigungsgrundlage für das zwangsweise Entsperren des Mobiltelefons mittels Auflegens des Fingers des Beschuldigten auf den Fingerabdrucksensor herhalten. Die von der Rechtsprechung präferierte Interpretation stellt eine unzulässige Zweckerweiterung dar. § 81b I StPO ermächtigt „nur“ zur Erhebung von (körperlichen) Identifikationsmerkmalen zu Beweiszwecken. Sie gestattet nicht die Nutzung des Fingerabdrucks als Schlüssel zur Gewinnung weiterer Beweismittel.

Insofern kann die verfahrensgegenständliche Maßnahme aus teleologischen Gründen nicht als „ähnliche Maßnahme“ i.S.d. § 81b I StPO verstanden werden. Richtigerweise stellt der BGH im Ausgangspunkt zutreffend dar, dass zu den „ähnlichen Maßnahmen“ im Sinne der Vorschrift

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solche zählen, die der Feststellung der körperlichen Beschaffenheit eines Beschuldigten dienen. Richtig ist auch, dass das Mobiltelefon körperliche Merkmale zur Identifikation des Mobiltelefonnutzers abgleicht. Dass die Ausnutzung der Identifikationsfunktion des Mobiltelefons allein aber nicht die Anwendbarkeit des § 81b I StPO herbeiführen kann, wird bei Betrachtung des Normzwecks deutlich.[2] Die Vorschrift dient dazu, Erkennungsmerkmale als Beweismittel (Abs. 1 Alt. 1) oder für die Zwecke des Erkennungsdienstes zu erheben.[3] Der für die Entsperrung verwendete Finger(abdruck) dient vorliegend aber mitnichten als Beweismittel. Der alleinige Zweck der Maßnahme besteht in der Erlangung des Zugriffs auf Smartphonedaten. Anders als im originären Anwendungsbereich der Vorschrift erfolgt aber keine Speicherung der körperlichen Merkmale.[4] Es handelt sich um eine einmalige Entschlüsselungsaktion.

Der vom historischen Gesetzgeber vorgesehene Telos manifestiert sich in der amtlichen Überschrift der Norm: „Erkennungsdienstliche Maßnahmen bei dem Beschuldigten“. Der Gesetzgeber hat die Vorschrift nicht ohne Grund so „getauft“. Im Zuge der Einführung der amtlichen Überschrift hat sich der Gesetzgeber zwar nicht dazu verhalten, ob diese „Namensgebung“ zu einer tatbestandlichen Einengung der Zwangsmaßnahme führen sollte. Im Jahre 2015 bestand hierzu aber auch kein Anlass, weil die Frage nach einem weiten Verständnis damals noch nicht zur Diskussion stand. Damit lässt sich dem Schweigen des Gesetzgebers letztlich nichts entnehmen. Allein der amtlichen Überschrift kommt daher (beschränkte) Bedeutung bei der Auslegung des § 81b I StPO zu und diese streitet gegen eine Nutzung der Fingerabdrücke zur Überwindung von technischen Zugangsbarrieren.

Eine weite Auslegung des § 81b I StPO lässt sich auch nicht über den Topos der Technikoffenheit erreichen. Die Vorschrift ist in der Tat technikoffen ausgestaltet. Die Technikoffenheit bezieht sich aber nur auf die Beweiserhebungsmittel. Die Ermittlungsbehörden sind (natürlich) nicht auf alle Ewigkeit zur Abnahme von Fingerabdrücken mit Stempelkissen und Papier verdammt. Der Topos der Technikoffenheit erlaubt es mithin, dass der Zweck der Maßnahme – in gewissen Grenzen – mit technisch fortschrittlicheren Mitteln erreicht wird; er erlaubt aber eben nicht die

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Erweiterung des ursprünglichen Zweckes der gesetzlichen Maßnahme.[5] Über den Topos „Technikoffenheit“ dürfen keine „weiten Generalklauseln durch die Hintertür“[6] geschaffen werden.

Aus den genannten Gründen vermag auch der vom BGH angeführte Vergleich zur Beschlagnahme von Daten nicht zu überzeugen. Richtig ist: § 94 StPO gestattet auch die Beschlagnahme von Daten. Dieses Verständnis des § 94 StPO hat aber eben gerade keine Zweckerweiterung der Beschlagnahme zum Resultat. Auch bei der Beschlagnahme von Daten geht es um die (gegenständliche) Sicherung potenzieller Beweismittel für das Strafverfahren und um nichts anderes.[7]

Zum Teil wurde von den Gerichten argumentiert, die hier in Rede stehende Maßnahme besitze eine niedrigere Eingriffsqualität als die reguläre erkennungsdienstliche Abnahme von Fingerabdrücken, da mit ihr keine dauerhafte Speicherung der Fingerabdruckdaten verbunden sei.[8] Dabei wird übersehen, dass die Entsperrung des Smartphones den Zugriff auf alle Mobiltelefondaten ermöglicht, was einen deutlich tiefgreifenderen Eingriff darstellt. Dieses Argument übernimmt der BGH bezeichnenderweise nicht.

II. Die Entsperrung des Mobiltelefons mittels Fingerabdrucks öffnet den Ermittlungsbehörden das Tor zum Datenbestand des Smartphones. Wenn die Ermittlungsbehörden auf diesen Datenbestand keinen Zugriff nehmen dürften, wäre auch die vorherige zwangsweise Entsperrung des Mobiltelefons (als vorgelagerte (Hilfs-)Maßnahme) unzulässig. Hier verhält es sich nicht anders als bei klassisch „analogen“ Zwangsmaßnahmen: Darf eine Wohnung nicht durchsucht werden, ist das gewaltsame Öffnen der Wohnungstür ebenfalls unzulässig.[9]

Die Ermächtigungsgrundlage für den Zugriff auf den Datenbestand liefert nach Meinung des Senats § 94 I StPO. Die Eignung des Beschlagnahmeregimes als Grundlage für den Zugriff auf komplexe IT-Geräte, zu denen nicht nur das Smartphone, sondern auch alle anderen Systeme zählen,

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„deren Datenbestand einen Einblick in wesentliche Teile der Lebensgestaltung einer Person zu gewinnen oder gar ein aussagekräftiges Bild der Persönlichkeit zu erhalten“[10],

wurde zuletzt zunehmend in Frage gestellt.[11]

Der 2. Senat kann für seine Position in der Tat auf Referenzentscheidungen des BVerfG rekurrieren.[12] Diese Entscheidungen müssen aber als von der technischen Entwicklung überholt angesehen werden. Die allgegenwärtige Integration hochleistungsfähiger IT-Systeme in unseren Alltag, die permanente Konnektivität des Einzelnen mit seinen Geräten und die Zunahme datenverarbeitender Kapazitäten dieser Gerätschaften haben unser Leben nachhaltig verändert. Eine gleichberechtigte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ist ohne Nutzung moderner Mobiltechnologie heute nicht mehr möglich. Diese Entwicklungen erzeugen nicht nur faktische, sondern auch normative Verschiebungen, die eine Neubewertung bestehender rechtlicher Kategorien und Schutzmechanismen erforderlich machen. Als Ausdruck einer solchen Neubewertung kann die im Vordringen befindliche Position angesehen werden, die das auf die Online-Durchsuchung gemünzte Grundrecht auf Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme (IT-Grundrecht)[13] auch bei der offen erfolgenden Beschlagnahme von Smartphones als betroffen ansieht.[14] Smartphones (und andere komplexe IT-Geräte) sind gerade aufgrund ihres außerordentlichen Datenbestands in besonderer Weise schutzbedürftig. Sie sind es nicht nur deshalb, weil bei der Online-Durchsuchung der Zugriff i.d.R. ohne Kenntnis des Geräteinhabers stattfindet. Auch insofern gilt nichts anderes als bei anderen Grundrechtsgewährleistungen: Die Modalität der Heimlichkeit/Offenheit beeinflusst nur die Intensität, aber nicht den verfassungsrechtlichen Grundcharakter des Eingriffs. So ist es auch im Verhältnis von strafprozessualer Wohnungsdurchsuchung (§§ 102 ff. StPO) und dem Lauschangriff auf die

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Wohnung (§ 100c StPO): beide unterfallen dem Art. 13 GG – die Heimlichkeit des Eingriffs indiziert jedoch eine größere Intensität des Eingriffs.

Es ist gut, dass sich der Senat veranlasst sah, hier „einen schwerwiegenden oder sogar besonders schwerwiegenden Eingriff“ in die Rechte des Beschuldigten anzuerkennen. Schlecht ist aber, dass der Senat keine (echte) Aussage dazu treffen will, ob er das IT-Grundrecht auch bei einem offenen Zugriff auf das Smartphone als betroffen ansieht. Schlecht ist auch, dass der Senat weiterhin keine verfassungsrechtlichen Bedenken darin erblickt, dass § 94 StPO den staatlichen Zugriff auf den Datenschatz des Smartphones unter vergleichsweise niedrigen Anforderungen gestattet. Smartphone-Daten sind, wenn man sich nur die niedrigen Anforderungen an eine Beschlagnahmeanordnung im Vergleich zu den Voraussetzungen des § 100b StPO vor Augen führt, unzureichend vor dem analogen Zugriff von Seiten der Ermittlungsbehörden geschützt.[15] Der Gesetzgeber muss den Anlass, den Zweck und die Grenzen des Eingriffs in das IT-Grundrecht (oder auch die informationelle Selbstbestimmung) hinreichend bereichsspezifisch und präzise festlegen.[16] Dies ist eine Forderung aus der Wesentlichkeitstheorie. Aktuell wird das Gesetz diesem Erfordernis nicht (ansatzweise) gerecht.

III. Mit besonderer Spannung wurde in Fachkreisen erwartet, wie die deutschen Strafgerichte mit der Landeck-Entscheidung des EuGH[17] umgehen werden. Diese Entscheidung vom Oktober 2024 ist im Anwendungsbereich der JI-Richtlinie (EU) 2016/680 ergangen, deren sachlicher Anwendungsbereich sich gem. Art. 2 I u.a. auf die Verarbeitung personenbezogener Daten zum Zweck der Aufdeckung oder Verfolgung von Straftaten bezieht. Erfreulich ist, dass der Senat – anders wiederum das OLG Bremen – den Anwendungsbereich als eröffnet ansieht. Schon der Versuch, Zugang zu den Daten auf dem Smartphone zu bekommen, sei als Datenverarbeitung im Sinne der Richtlinie zu bewerten. Nach Ansicht des EuGH steht die Richtlinie einer nationalen Regelung, die die Verarbeitung von Daten auf dem Mobiltelefon gestattet, nicht entgegen, wenn diese Regelung (1) die Art oder die Kategorien der betreffenden Straftaten hinreichend präzise definiert, (2) die Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gewährleistet und (3) die Ausübung dieser Möglichkeit,

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außer in hinreichend begründeten Eilfällen, einer vorherigen Kontrolle durch ein Gericht oder eine unabhängige Verwaltungsstelle unterwirft.[18]

Beeindruckend ist vor allem, wie der BGH über das Präzisierungserfordernis (oben Rn. 50) „hinweggeht“ – oder besser: dieses übergeht: Der Senat erwähnt das Verlangen nach einer Art oder Kategorie der Straftat präzisen Rechtsgrundlage vom EuGH in seinem Beschluss noch nicht ausdrücklich.

Vor der BGH-Entscheidung schien uns unerfindlich, wie man behaupten können will, die Eingriffsgrundlage in § 94 I StPO würde hinreichend präzise definieren, bei welcher „Art oder Kategorien von Straftaten“ der Zugriff auf den Datengoldschatz des Smartphones zulässig sein soll. Der Senat ist aber erfinderisch: Der BGH will anknüpfend an den im EU-Recht gängigen materiellen Gesetzesbegriff genügen lassen, wenn die Präzisierung der Rechtsgrundlage erst durch die Rechtsprechung erfolgt. Allein die vom BGH angegebenen Referenzen aus einer Kommentierung zur GRCh und aus der Rechtsprechung des EuG[19] tragen für sich aber nicht die zugrundeliegende Prämisse, dass die Präzisierung der formellen Rechtsgrundlage auch allein von der Rechtsprechung übernommen werden kann – materieller Gesetzesbegriff hin oder her. Beide Nachweise befassen sich – in Anknüpfung an die Rechtsprechung des EGMR – mit der Frage, ob auch ungeschriebenes Recht (für common-law-Rechtsordnungen) und Rechtsakte sowie Rechtsinstrumente niedrigeren Rangs vom Begriff des Gesetzes erfasst sind. Aber auch wenn das Präzisierungsgebot hinsichtlich der Rechtsgrundlage von der dritten Gewalt verwirklicht werden dürfte, würde § 94 StPO auch dann nicht den vom EuGH in der Landeck-Entscheidung formulierten Anforderungen genügen. Der deutschen Rechtsprechung ist es mitnichten gelungen, hinreichend präzise Gesichtspunkte zu formulieren, bei deren Vorliegen ein Zugriff auf den Datenbestand des Smartphones erfolgen darf. Geschweige denn, lassen sich aus der Rechtsprechung zu § 94 StPO „die Art oder die Kategorien der betreffenden Straftaten“, bei denen eine solche Zwangsmaßnahme zulässig sein soll, hinreichend präzise herauslesen.


Prof. Dr. Mohamad El-Ghazi ist Inhaber der Professur für Deutsches und Europäisches Strafrecht, Strafprozessrecht und Wirtschaftsstrafrecht an der Universität Trier sowie geschäftsführender Direktor des Trierer Instituts für Geldwäsche- und Korruptionsstrafrecht. Kontakt: elghazi@uni-trier.de.

Jassem Imsameh ist Rechtsanwalt bei der Kanzlei Feigen Graf in Frankfurt am Main und Doktorand an der Universität Trier. Kontakt: imsameh@feigen-graf.de

[1] OLG Bremen NStZ-RR 2025, 847; LG Ravensburg NStZ 2023, 446.

[2] In diese Richtung auch Schrott NSW 2024, 286, 295.

[3] Pschorr jurisPR-StrafR 13/2025, Anm. 1.

[4] Stam JZ 2023, 1070, 1078.

[5] Grzesiek/Zühlke StV-S 2021, 117, 119.

[6] Bock/Fülscher StraFo 2023, 386, 387.

[7] Hauschild, in Münchener Kommentar StPO, Bd. 1, 2. Aufl. 2023, § 94 Rn. 1.

[8] OLG Bremen NStZ-RR 2025, 847 Rn. 8.

[9] Zu diesem Analogiegedanken schon Zerbes/El-Ghazi NStZ 2015, 425, 427 f.

[10] BVerfGE 120, 274, 314.

[11] El-Ghazi, DJT-Gutachten 2024, Bd. 1, Gutachten C; El-Ghazi NJW-Beil 2024, 46 ff.; Cornelius NJW 2024, 2725; Greco StV 2024, 276, 278; Knauer/Schmorl AnwBl 2024, 252, 253 f.; Hiéramente StV 2024, 611 ff.; Stam JZ 2023, 1070, 1073, 1080; Grzesiek/Zühlke StV-S 2021, 117, 121 f.; Eschelbach, in SSW StPO, 6. Aufl. 2025, § 94 Rn. 8 ff.

[12] BVerfGE 113, 29 ff. = NJW 2005, 1917.

[13] BVerfGE 120, 274 = StV 2008, 169.

[14] OLG Bremen NJW 2025, 847, 849; El-Ghazi, Gutachten 74. DJT/I/C, S. 56 ff.; Stam JZ 2023, 1070, 1072 Fn. 21; Cornelius NJW 2024, 2725, 2726; Greco StV 2024, 276, 280; Rückert, Digitale Daten als Beweismittel im Strafverfahren, 2023, S. 197 f.

[15] El-Ghazi, DJT-Gutachten 2024, Bd. 1, Gutachten C, These 1; Schrott NSW 2024, 286, 301 f.

[16] Wesentlichkeitstheorie: BVerfGE 120, 274, 315 f.; BVerfGE 113, 348, 375.

[17] C-548/21, NVwZ 2025, 321 ff.

[18] EuGH NVwZ 2025, 321 Rn. 99, 102 ff.

[19] EuG, Urt. v. 27.4.2022 – T-710/21, T-722/21, T-723/21, Rn. 81; Schwerdtfeger, in Meyer/Hölscheidt GRC, 6. Aufl. 2024, Art. 52 Rn. 31 mwN (gemeint wohl ff.).