BGH, Beschluss vom 29.11.2023 – 6 StR 191/ 23

Zur Zueignung im Sinne des § 246 StGB

Reference: NSW 2024, 327-336
DOI: 10.61039/29427509-2024-25

A. Sachverhalt (Zusf. Rhein)

Das Landgericht Neuruppin (Urteil vom 12.12.2022 – 13 KLs 8/21, BeckRS 2022, 54062) hatte den Angeklagten wegen veruntreuender Unterschlagung in fünf Fällen, wegen Vorenthaltens von Arbeitnehmerbeiträgen in fünf Fällen und wegen Insolvenzverschleppung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt.

Auf die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten wurde das Verfahren im Fall II.3 der Urteilsgründe eingestellt. Hinsichtlich des Falles II.2.b der Urteilsgründe hob der Bundesgerichtshof das Urteil mit den zugehörigen Feststellungen sowie im Ausspruch über die Gesamtstrafe auf. Diesem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Dem Angeklagten war seitens der T. AG ein Tieflader zum Gebrauch überlassen worden. Nachdem aber über das Vermögen des Angeklagten eröffnet wurde, hatte dieser den bestellten Insolvenzverwalter weder über die Exisitenz noch die Belegenheit dieser Maschine aufgeklärt. Auch gegenüber der T. AG hatte er die Herausgabe des Tiefladers nicht vorbehaltlos angeboten, sondern vielmehr an seinem Besitz festgehalten. Hierdurch verzögerte sich dessen Sicherstellung über ein knappes Jahr.

Im Übrigen wurde die Revision als unbegründet im Sinne des § 349 II StPO abgewiesen.

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B. Aus den Gründen

[1] Das Landgericht hat den Angeklagten wegen veruntreuender Unterschlagung in fünf Fällen, wegen Vorenthaltens von Arbeitnehmerbeiträgen in fünf Fällen und wegen Insolvenzverschleppung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt. Die auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten erzielt den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg (§  49 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

[…]

[4] 3. Während die Verurteilungen wegen veruntreuender Unterschlagung in den weiteren Fällen II.2 der Urteilsgründe keinen Bedenken begegnen, hat diejenige im Fall II.2.b der Urteilsgründe keinen Bestand, weil sich der Angeklagte den im Eigentum der T. AG stehenden Tieflader nicht zugeeignet hat.

[5] a) Eine Zueignung im Sinne des § 246 Abs. 1 StGB setzt nach der von der bisherigen Rechtsprechung abweichenden Auffassung des Senats voraus, dass der Täter sich die Sache oder den in ihr verkörperten wirtschaftlichen Wert wenigstens vorübergehend in sein Vermögen einverleibt und den Eigentümer auf Dauer von der Nutzung ausschließt (vgl. MüKo-StGB/Hohmann, 4. Aufl., § 246 Rn. 36; SK-StGB/Hoyer, 9. Aufl., § 246 Rn. 29; Hohmann/Sander, Strafrecht BT, 4. Aufl., § 37 Rn. 9 ff.; Kudlich/Koch, JA 2017, 184, 185; im Ausgangspunkt ebenso BGH, Beschluss vom 5. März 1971 – 3 StR 231/69, BGHSt 24, 115, 119; unter Betonung der Ent- bzw. Aneignungskomponente Maiwald, Der Zueignungsbegriff im System der Eigentumsdelikte, 1970, S. 191, 196; Samson, JA 1990, 5, 9). Eine bloße Manifestation des Zueignungswillens genügt nicht, kann aber ein gewichtiges Beweisanzeichen für den subjektiven Tatbestand sein.

[6] aa) Gestützt wird dieses Verständnis durch den Wortlaut des § 246 StGB, wonach derjenige eine Unterschlagung begeht, der sich oder einem Dritten eine Sache rechtswidrig zueignet. Mit dieser Formulierung schreibt der Gesetzgeber fest, dass eine Zueignung tatsächlich eingetreten sein muss; die Vorschrift ist als Erfolgsdelikt ausgestaltet (vgl. Hohmann/Sander, aaO, Rn. 13).

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[7] bb) Auch die Gesetzgebungsgeschichte spricht für eine rechtsgutbezogene Auslegung des Begriffs der Zueignung. So wurde der Anwendungsbereich des § 246 StGB mit dem Sechsten Gesetz zur Reform des Strafrechts vom 26. Januar 1998 (BGBl. 1998 I 164), das – neben der Einbeziehung sogenannter Drittzueignungen – den Wegfall des Gewahrsamserfordernisses vorsah (vgl. dazu auch BT-Drucks. 13/8587, 43 f.), erheblich ausgeweitet (vgl. auch MüKo-StGB/Hohmann, aaO, Rn. 30). Um nach der Gesetzesänderung die Tathandlung und den Vollendungszeitpunkt unter Wahrung des Bestimmtheitsgebots (Art. 103 Abs. 2 GG) zu konkretisieren und die Grenze zur Versuchsstrafbarkeit (§ 246 Abs. 3 StGB) konturieren zu können (vgl. dazu SSW-StGB/Kudlich, 5. Aufl., § 246 Rn. 17), ist der Unterschlagungstatbestand – und damit notwendigerweise das Tatbestandsmerkmal „zueignet“ – auf tatsächliche Eigentumsbeeinträchtigungen zu beschränken.

[8] cc) Für dieses Ergebnis streiten zudem gesetzessystematische Erwägungen. So setzt die Zueignungsabsicht beim Diebstahl voraus, dass sich der Täter unter dauerhaftem Ausschluss der Nutzungsmöglichkeit des Berechtigten die Sache oder den in ihr verkörperten Wert seinem Vermögen zumindest vorübergehend einverleiben will (st. Rspr., vgl. für viele BGH, Urteil vom 26. September 1984 – 3 StR 367/84, NJW 1985, 812; Beschluss vom 10. Oktober 2018 – 4 StR 591/17, BGHSt 63, 215, 219 mwN). Der in § 242 Abs. 1 StGB verwendete Begriff der Zueignung entspricht demjenigen des § 246 Abs. 1 StGB (vgl. BGH, Beschluss vom 5. März 1971 – 3 StR 231/69, BGHSt 24, 115, 119); der Unterschied besteht (lediglich) darin, dass diese bei der Unterschlagung in die Tat umgesetzt sein muss, während beim Diebstahl die Absicht hierzu genügt (vgl. SKStGB/Hoyer, aaO, Rn. 9; SSW-StGB/Kudlich, aaO, Rn. 11; Hohmann/Sander, aaO, Rn. 7). Der Umstand, dass sich der Täter zivilrechtlich eine fremde Sache nicht erfolgreich „zueignen“, sondern an ihr allenfalls im Wege der §§ 946 ff. BGB Eigentum erwerben kann (vgl. auch SSW-StGB/Kudlich, aaO, Rn. 11: „scheinbare Eigentümerstellung“), steht einem – strafrechtsautonom zu beurteilenden – Zueignungserfolg nicht entgegen.

[9] dd) Schließlich ist dieses Begriffsverständnis auch aus teleologischer Sicht geboten. So ist bei der Auslegung des Tatbestandsmerkmals „zueignet“ die Begrenzung des Strafrechts als „ultima ratio“ zu beachten (vgl. Hohmann/Sander, aaO, Rn. 9). Eine Strafbarkeit wegen Unterschlagung muss somit in jedem Fall zum Schutz des Eigentums erforderlich

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sein; dieser Vorgabe ist durch eine präzise Beschreibung des Unrechts des § 246 StGB – die nach dem 6. StrRG nur durch das (einzige) Tatbestandsmerkmal „zueignet“ erfolgen kann – Rechnung zu tragen (MüKo-StGB/Hohmann, aaO, Rn. 30; Hohmann/Sander, aaO). Eine Zueignung setzt demnach mindestens voraus, dass die Befugnisse des jeweiligen Eigentümers – also sein Nutzungs- oder sein Ausschlussrecht aus § 903 BGB – beeinträchtigt werden. Hingegen würde eine vom Rechtsgut des § 246 StGB losgelöste Interpretation den zulässigen Anwendungsbereich des Strafrechts überdehnen, denn der Unterschlagungstatbestand könnte in Folge des Wegfalls des Gewahrsamserfordernisses Konstellationen erfassen, in denen Eigentümerinteressen nicht einmal abstrakt gefährdet würden (vgl. Hohmann/Sander, aaO, Rn. 11 mwN).

[10] b) Soweit es hingegen die Rechtsprechung (vgl. RG, Urteil vom 10. Juli 1939 – 3 D 513/39, RGSt 73, 253, 254; BGH, Urteile vom 19. Juni 1951 – 1 StR 42/51, BGHSt 1, 262, 264; vom 17. März 1987 – 1 StR 693/86, BGHSt 34, 309, 311 f.; vom 6. September 2006 – 5 StR 156/06, NStZ-RR 2006, 377; Beschluss vom 5. März 1971 – 3 StR 231/69, BGHSt 24, 115, 119) bisher für eine Zueignung im Sinne des § 246 Abs. 1 StGB ausreichen lässt, dass sich der Zueignungswille des Täters in einer nach außen erkennbaren Handlung manifestiert („weite Manifestationstheorie“, für eine Beschränkung auf „eindeutige“ Handlungen vgl. etwa Lackner/Kühl/Heger, 30. Aufl., § 246 Rn. 4; ähnlich Schönke/Schröder/Eser/Bosch, StGB, 30. Aufl., § 246 Rn. 10; vgl. ferner jeweils mit einem Überblick über den Meinungsstand nach dem 6. StrRG SK-StGB/Hoyer, aaO, Rn. 9 ff.; NK-StGB/Kindhäuser/Hoven, 6. Aufl., § 246 Rn. 11 ff.; Kudlich, JuS 2001, 767), überzeugt dies aus den zuvor ausgeführten Gründen nicht. Auch wenn ein solcher Manifestationsakt häufig mit einer Eigentumsbeeinträchtigung einhergehen dürfte und als Beweisanzeichen für den subjektiven Tatbestand gewertet werden kann (vgl. MüKo-StGB/Hohmann, aaO, Rn. 31), so sind doch Fälle denkbar, in denen der jeweilige Täter sich als Eigentümer „geriert“, gleichwohl aber keinerlei Verkürzung der Positionen des Berechtigten droht (vgl. Sander/Hohmann, NStZ 1998, 273, 276). Eine Bestrafung wegen vollendeter Unterschlagung würde zu einem Wertungswiderspruch zu den allgemeinen Grundsätzen der – nach § 246 Abs. 3, §§ 22, 23 Abs. 1 StGB möglichen – Versuchsstrafbarkeit führen, die regelmäßig voraussetzt, dass das geschützte Rechtsgut (bereits) durch den Tatplan unmittelbar gefährdet

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wird (vgl. etwa BGH, Urteil vom 12. August 1997 – 1 StR 234/97, BGHSt 43, 177, 180).

[11] c) Trotz der Divergenz war ein Anfrageverfahren gemäß § 132 Abs. 3 Satz 1 GVG nicht veranlasst. Denn nach beiden Auffassungen hat der Angeklagte in den Fällen II.2.c, f und g den Tatbestand des § 246 Abs. 1 StGB erfüllt, während im Fall II.2.b der Urteilsgründe in Bezug auf den Tieflader weder ein Zueignungserfolg noch ein Manifestationsakt festgestellt ist.

[12] aa) So liegt in dem bloßen Unterlassen der geschuldeten Rückgabe sicherungsübereigneter Gegenstände keine vollendete Zueignung, denn ein solches beeinträchtigt die Eigentümerbefugnisse nicht weitergehend, als bereits durch die im Rahmen des Miet- oder Leasingvertrags erfolgte Gebrauchsüberlassung geschehen. Verbirgt oder verkauft der Täter allerdings Gegenstände, die sich in seinem Besitz befinden oder gebraucht er sie in einer Weise, mit der ein erheblicher Wertverlust einhergeht – wie in den Fällen II.2.c, f und g –, liegt ein nach der Ansicht des Senats notwendiger Zueignungserfolg vor, denn der Täter verleibt sich hierdurch die jeweiligen Sachen bzw. deren Sachwert wenigstens vorübergehend in sein Vermögen ein und schließt den Berechtigten – hier der jeweilige Sicherungsnehmer – insoweit von seinen Nutzungsmöglichkeiten aus. Hingegen ist im Fall II.2.b in Bezug auf den Tieflader lediglich festgestellt, dass der Angeklagte nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens „weder den Insolvenzverwalter über die Existenz und den Standort (…) in Kenntnis setzte, (…) noch gegenüber der T. vorbehaltlos die Herausgabe (…) anbot, sondern diese(n) weiterhin in Besitz behielt“ und dessen Sicherstellung erst „ein knappes Jahr später (…) durch einen für die T. tätigen Sichersteller“ gelang. Eine Beeinträchtigung der Eigentümerbefugnisse der T. AG, die einen Zueignungserfolg im Sinne des § 246 Abs. 1 StGB begründen könnte, ergibt sich aus diesem „bloßen“ Unterlassen der Herausgabe nicht.

[13] bb) Auch nach Ansicht der bisherigen Rechtsprechung ist für eine Unterschlagung sicherungsübereigneter Gegenstände erforderlich, dass der Täter – über ihr „Behalten“ hinaus – ein Verhalten an den Tag legt, aus dem geschlossen werden kann, dass er sich als Eigentümer „geriert“, wobei ein Verbergen (vgl. RG, Urteil vom 7. November 1938 – 3 D 769/38), ein Verkauf (vgl. BGH, Urteil vom 17. Oktober 1961 – 1 StR 382/61, NJW

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1962, 116, 117), aber auch ein Gebrauch der Gerätschaften ausreichen kann, wenn mit ihm ein erheblicher Wertverlust einhergeht (vgl. BGH, Urteil vom 17. März 1987 – 1 StR 693/86, BGHSt 34, 309, 311 f. mwN). Während das Landgericht ein solches Vorgehen in den weiteren Fällen II.2 jeweils festgestellt hat, lässt sich dies Fall II.2.b der Urteilsgründe nicht entnehmen. Insbesondere ergibt sich ein solches nicht aus der E-Mail des Angeklagten vom 23. Mai 2019, in der er mit der T. AG über die Herausgabe des Tiefladers „verhandelte“, weil er zu diesem Zeitpunkt – das Insolvenzverfahren wurde am 27. Mai 2019 eröffnet – seine Verfügungsbefugnis noch nicht verloren hatte (§ 80 Abs. 1 InsO). Auf das ihm am 28. Mai 2019 unterbreitete Angebot einer Ablösesumme hat der Angeklagte indes nicht mehr reagiert.

[14] 4. Die Verfahrenseinstellung im Fall II.3 und die Aufhebung der Verurteilung im Fall II.2.b lassen die insoweit verhängten Strafen entfallen und ziehen die Aufhebung des Ausspruchs über die Gesamtstrafe nach sich. Die Feststellungen hierzu bleiben von dem aufgezeigten Rechtsfehler unberührt und können deshalb bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO). Sie können durch ihnen nicht widersprechende ergänzt werden.

[15] 5. Der Senat macht von der Möglichkeit Gebrauch, die Sache im Umfang der Aufhebung zur neuen Verhandlung und Entscheidung an eine Strafkammer des Landgerichts zurückzuverweisen (§ 354 Abs. 3 StPO), denn die im Fall II.2.b der Urteilsgründe im Raum stehende Straftat des § 246 StGB gehört zu ihrer Zuständigkeit. Er hält es für möglich, dass Feststellungen getroffen werden können, die eine Verurteilung wegen veruntreuender Unterschlagung des Tiefladers zu tragen vermögen.

C. Würdigung von Philipp Rhein

I. Einleitung

Mit seinem Beschluss grenzt sich der 6. Strafsenat ausdrücklich von der bislang herrschenden Rechtsprechung[1] ab und setzt damit einen Akzent in der fortwährenden Diskussion[2] um den Zueignungsbegriff des § 246 StGB. Diese als obiter dictum[3] verfasste Stellungnahme mutet eher wie

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ein wissenschaftlicher Exkurs an; gerade das macht den Beschluss so bemerkenswert und fordert zur Auseinandersetzung auf.

II. Die Rechtsauffassung des 6. Strafsenates

1. Einführung

Eigentlich scheint das Verständnis des Senates von der tatbestandsmäßigen Unterschlagungshandlung eindeutig formuliert:

„Zueignung im Sinne des § 246 Abs. 1 StGB setzt […] voraus, dass der Täter sich die Sache oder den in ihr verkörperten wirtschaftlichen Wert wenigstens vorübergehend in sein Vermögen einverleibt und den Eigentümer auf Dauer von der Nutzung ausschließt“[4]

Der 6. Strafsenat vertritt daher, dass nicht die bloße Manifestation eines Zueignungswillens[5], sondern erst der Eintritt eines Zueignungserfolges den Tatbestand von § 246 StGB erfülle und schließt sich damit grundsätzlich den objektiven Theorien[6] an.[7] Die Beschaffenheit des Zueignungserfolges ist innerhalb der objektiven Theorien im Einzelnen umstritten.[8] Der Senat fordert diesbezüglich prima facie, dass beide Elemente der Zueignung – die mindestens vorübergehende Aneignung sowie die dauernde Enteignung – tatsächlich eintreten.[9]

2. Zweifel

Secunda facie liegen die Dinge indessen nicht so eindeutig.[10] Bei genauerem Blick auf die Gründe offenbaren sich Inkongruenzen in der Argumentation und Subsumption des 6. Strafsenates, die diesen Maßstab in Zweifel ziehen.[11] Betroffen ist hierbei weniger die generelle Wendung hin zu einem objektiven Verständnis als deren konkrete Anforderungen.

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So meint der Senat, dass auch nach seiner nunmehr vertretenen Lesart des § 246 StGB nicht nur ein Verkauf der Sache[12] oder eine deren Wert mindernde Verwendung eine vollendete Zueignung darstellen könne, sondern gar ein bloß vorübergehendes Verbergen.[13] Denn

„der Täter verleibt sich hierdurch die jeweiligen Sachen bzw. deren Sachwert wenigstens vorübergehend in sein Vermögen ein und schließt den Berechtigten […] insoweit von seinen Nutzungsmöglichkeiten aus.“[14]

Ein Ausschluss des Berechtigten „insoweit“[15] durch Verbergen stellt jedoch keine dauernde Enteignung[16] dar. Eine solche liegt vielmehr erst dann vor, wenn die Sache dem Berechtigten ad urnam verborgen bleibt.[17] Schon hier zeigt sich, dass der Senat seine streng-objektive Position nicht konsequent durchhält.

An anderer Stelle schließlich weicht der Senat gänzlich vom eingangs dargelegten Maßstab ab – nämlich in seiner Subsumption zu Fall II.2.g des LG Neuruppin[18]:

Nach den diesbezüglichen – im Folgenden stark vereinfacht wiedergegebenen – Feststellungen des LG Neuruppins hatte der Angeklagte hinsichtlich zweier Baukräne zunächst eine Leasing-, später eine Ratenkaufvereinbarung geschlossen, wobei das Eigentum vorbehalten blieb.[19] Nachdem der Erwerb wegen Zahlungsverzuges und Eröffnung der Insolvenz scheiterte, hatte der Angeklagte versucht, einer Sicherstellung durch falsche Angaben im Vollstreckungsverfahren entgegenzuwirken – letztendlich erfolglos, denn beide Kräne konnten sichergestellt und an den Eigentümer herausgegeben werden.[20] Hierin erschöpft sich die Darstellung des LG Neuruppin jedenfalls hinsichtlich einiger Kranteile.[21]

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Bezüglich dieser Kranteile können die Feststellungen daher keine dauernden Enteignung – weder von Sachsubstanz noch Sachwert – tragen.[22] Gleichwohl bestätigte der 6. Strafsenat die Verurteilung wegen vollendeter Unterschlagung.[23] Insofern wird nicht nur das im eingangs formulierten Maßstab aufgestellte Erfordernis einer objektiven Enteignungskomponente des Zueignungserfolges relativiert, sondern vielmehr vollends aufgegeben.

3. Fazit

Der 6. Strafsenat bekennt sich zwar unmissverständlich zum Erfordernis eines Zueignungserfolges. Hinsichtlich dessen Enteignungskomponente verschleiern jedoch Inkongruenzen den Blick auf die Rechtsauffassung des Senates. Hierbei handelt es sich keineswegs um bloße Unschärfen im Detail. Vielmehr ist das Verständnis des Enteignungserfolges ein zentraler Streitpunkt innerhalb der objektiven Theorien[24]; denn strenge Anforderungen an die Enteignungskomponente kollidieren mit Strafwürdigkeitserwägungen.[25] Insofern weist die dogmatische Vagheit der Entscheidungsgründe letztlich implizit auf die Schwierigkeiten des eigenen Ansatzes hin.

Diese Unklarheiten erschweren eine genaue Standortbestimmung[26] und damit die weitere argumentative Auseinandersetzungen. Denn eine Argumentation kann immer nur in Bezug auf die zu stützende Schlussfolgerung hin bewertet werden.

Woher die Diskrepanz zwischen Maßstab und Subsumption stammt, lässt sich nur vermuten: Einerseits ist kaum vorstellbar, dass die Entscheidungsgründe die zugrundeliegende Rechtsauffassung nur missverständlich ausformulieren. Andererseits erscheint es wenig plausibler, anzunehmen, dass der Strafsenat nicht in der Lage sei, seine eigene Rechtsauffassung konsequent umzusetzen.

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III. Schlussbemerkung

Angesichts der dargelegten Unklarheiten liegt die zentrale Bedeutung des Judikats weniger in seinem argumentativen Gehalt als im Bruch mit der herrschenden Ansicht. Es bildet einen höchstrichterlichen Ankerpunkt für die bislang ausschließlich in der Literatur vertretenen objektiven Theorien und schafft so die Möglichkeit, die wissenschaftliche Diskussion zur Unterschlagungshandlung – mit dem Prädikat der Praxisrelevanz – wiederzubeleben. Die damit einhergehende (vorübergehende) Rechtsunsicherheit ist als Preis für ein dogmatisch fundierteres Verständnis der Unterschlagung hinzunehmen.


Der Autor ist Rechtsreferendar am Hanseatischen Oberlandesgericht und Wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Kanzlei NEUWERK in Hamburg. Er dankt Jan Bauerkamp für den anregenden Austausch und die wertvollen Anmerkungen.

[1] Pars pro toto BGHSt 34, 309 = NJW 1987, 2242, 2243.

[2] Historischer Überblick etwa bei Sinn NStZ 2002, 64, 64 ff.

[3] Vgl. BGH NJW 2024, 1050 Rn. 11; ebenso Lichtenthäler FD-StrafR 2024, 806422.

[4] BGH NJW 2024, 1050 Rn. 5.

[5] So die h.M.; statt vieler Bosch, in Schönke/Schröder, 30. Aufl. 2019, StGB § 246 Rn. 10 m.w.N.

[6] Die Terminologie ist diesbezüglich nicht eindeutig, vgl. Schönke/Schröder-Bosch, § 246 Rn. 11 („streng objektiver Zueignungsbegriff“), Brodowski, in Leipziger Kommentar StGB, Bd. 13, 13. Aufl. 2022, § 246 Rn. 25 („Zueignungslehren“), Hohmann, in Münchener Kommentar StGB, 4. Aufl. 2021, StGB § 246 Rn. 29 ff. („Ansätze einer einschränkenden Auslegung“).

[7] Eine Auseinandersetzung hiermit findet sich bei Hoven NJW 2024, 1051, 1051; Hahn NStZ 2024, 289, 289 f.; Jäger JA 2024, 515, 517 f.

[8] Übersicht bei LK-StGB-Brodowski, § 246 Rn. 25 ff.

[9] Ähnlich insbesondere Kargl ZStW 103 (1991) 136, 182; Hoyer, in Systematischer Kommentar StGB, Bd. 5, 9. Aufl. 2019, § 246 Rn. 20 ff.

[10] Anders scheinbar Hoven NJW 2024, 1051, 1051; Lichtenthäler FD-StrafR 2024, 806422.

[11] Solche Inkongruenzen erkennen auch Hahn NStZ 2024, 289, 289 f.; Jäger JA 2024, 515, 517 f.

[12] Bereits dies sei laut Hahn NStZ 2024, 289, 289: „nach der Logik des Senats allerdings fraglich“.

[13] BGH NJW 2024, 1050 Rn. 12.

[14] BGH NJW 2024, 1050 Rn. 12.

[15] Angesichts der Syntax im obigen Zitat bezieht sich „insoweit“ auf die Aneignung und ist daher in zeitlicher Hinsicht als „insoweit vorübergehend“ lesbar.

[16] Abweichend LK-StGB-Brodowski, § 246 Rn. 32, wonach der Enteignungserfolg als Dauererfolg – vergleichbar mit Dauerdelikten – bereits mit „Beginn der Enteignung“, d.h. mit Verdrängung des Eigentümers aus seiner Position, vollendet sei.

[17] Anders nur, wenn die Sache nicht lediglich verborgen, sondern darüber hinaus zugleich weiter wertmindernd ge- bzw. verbraucht wird.

[18] BGH NJW 2024, 1050 Rn. 12.

[19] LG Neuruppin BeckRS 2022, 54062 Rn. 29 ff.

[20] LG Neuruppin BeckRS 2022, 54062 Rn. 46 ff.

[21] LG Neuruppin BeckRS 2022, 54062 Rn. 47.

[22] Die (knappen) Feststellungen des LG Neuruppin tragen wohl nicht einmal die Annahme eines Enteignungsgefahrenerfolges, hierzu Degener JZ 2001, 388, 398.

[23] BGH NJW 2024, 1050 Rn. 12.

[24] Überblick bei LK-StGB-Brodowski, § 246 Rn. 25.

[25] Vgl. statt vieler LK-StGB-Brodowski, § 246 Rn. 21 m.w.N.

[26] Ähnlich Jäger JA 2024, 515, 517: „Was aber nach seinem Verständnis […] unter eine endgültige Zueignung fallen soll, wird nicht recht deutlich.“.