Die Geneva Consensus Declaration

Über das Schicksal einer global angelegten US-amerikanischen Initiative zur Beschränkung legaler Schwangerschaftsabbrüche

Reference: NSW 2024, 185-199
DOI: 10.61039/29427509-2024-14

Die Geneva Consensus Declaration wurde im Jahr 2020 von den USA initiiert und zunächst von 32 Staaten gezeichnet. Die Erklärung sollte ein Gegengewicht gegen die im völkerrechtlichen Menschenrechtsdiskurs deutlich vernehmbare Forderung nach einer Entkriminalisierung des Schwangerschaftsabbruchs bilden. Sie hat zwar wenig Anklang gefunden. Ihr „Werdegang“ zeigt aber eindrucksvoll, wie Frauenrechte politisiert werden und wie fragil ihre Anerkennung auch heute noch ist.

A. Einleitung: Was ist die Geneva Consensus Declaration?

Im Jahr 2020 wurde unter der Ägide der damaligen Trump/Pence-Administration der USA die „Geneva Consensus Declaration on Promoting Women’s Health and Strengthening the Family“ (im Folgenden: „GCD“) geschaffen.[1] Sie sollte im Kontext der unter dem Dach der Vereinten Nationen institutionalisierten Weltgesundheitsorganisation (WHO) vorangebracht und von möglichst vielen Mitgliedstaaten der Vereinten

Die Geneva Consensus Declaration
directdown 186

Nationen gezeichnet werden.[2] Die Declaration wurde zwei Wochen vor der Abwahl der Trump-Administration am 22. Oktober 2020 in einer (coronabedingt online abgehaltenen) feierlichen Veranstaltung von den USA, Brasilien,[3] Ägypten, Ungarn, Indonesien und Uganda eingebracht und von insgesamt 27 Signatarstaaten gezeichnet.[4] In der Folgezeit traten sechs weitere Staaten der Erklärung bei.[5] Unter den hinter der Declaration versammelten Signatarstaaten[6] findet sich eine hohe Zahl autokratisch geführter Staaten; mit Polen[7] und Ungarn[8] haben auch zwei Mitgliedstaaten der Europäischen Union die Erklärung gezeichnet.

Es handelt sich bei der Erklärung nicht etwa um einen völkerrechtlichen Vertrag, sondern (jedenfalls derzeit noch[9]) um ein ganz und gar politisches Dokument: Im Zentrum der um den Schutz von Frauengesundheit und Familien kreisenden Erklärung steht in Wahrheit eine Kampfansage an die zunehmende Anerkennung reproduktiver Rechte im internationalen Menschenrechtsdiskurs: Sicherzustellen sei der Zugang von Frauen zu einer optimalen Gesundheitsversorgung – Schwangerschafts-

Die Geneva Consensus Declaration
directdown 187

abbrüche ausdrücklich nicht eingeschlossen.[10] Denn: Ein internationalrechtlich verankertes right to abortion gebe es nicht.

Die Vorgänge um die Geneva Consensus Declaration zeigen eindrucksvoll, in welchem Ausmaß die Frage einer angemessenen Regulierung von Schwangerschaftsabbrüchen politisiert und damit zugleich polarisiert wird. Aus dem Blick gerät dabei die individuelle, höchstpersönliche Dimension dieses Bereichs: Schwangerschaft, Geburt und Mutterschaft betreffen Frauen massiv nicht nur in ihrer körperlichen Integrität, ihrer physischen und psychischen Verfasstheit, sondern auch in ihrer gesamten Lebensplanung, ja ihrer Identität.[11]

Aussagegehalt (sogleich B.) und politischer Hintergrund der Declaration (sogleich C.) werden zunächst skizziert, um dann die nachfolgende Rechtsentwicklung in einigen der Signatarstaaten nachzuzeichnen (unter D.). Offen ist die Frage nach der tatsächlichen Bedeutung und möglichen Zukunft der hinter der Declaration stehenden „Gegenbewegung“ mit Blick auf die Anerkennung reproduktiver Rechte und den damit einhergehenden Trend zur Entkriminalisierung des Schwangerschaftsabbruchs weltweit. Eine Prognose (sogleich E.) kann hier mit Blick auf die anstehenden US-Wahlen im November 2024 nur vorläufig sein. 

B. Der Aussagegehalt der Declaration

Die Declaration betont eingangs das Prinzip der Gleichstellung aller Menschen sowie den Menschenrechtsschutz für Frauen. Sie sollten gleichen Zugang zu Ressourcen und „equal opportunities with men and boys for employment, leadership and decision-making at all levels“ genießen (Ziff. 2 GCD). Mit Blick auf den Grundsatz „every human being has the inherent right to life“ wird die Zielsetzung einer optimalen Versorgung von Frauen in Schwangerschaft und Geburt formuliert und sogleich hinzugesetzt, dass jede Maßnahme oder Rechtsänderung mit Blick auf den Abbruch einer Schwangerschaft allein der nationalen (oder regionalen) Ebene vorbehalten und ausschließlich Gegenstand nationaler Gesetzgebungsautorität sei. Auf diesen Annahmen gründen die folgenden

Die Geneva Consensus Declaration
directdown 188

Kernaussagen der GCD. Die Signatarstaaten versichern sich ihre Absicht, gemeinsam auf einen optimalen Gesundheitsschutz von Frauen hinzuwirken (ausdrücklich ohne ein Recht auf Schwangerschaftsabbrüche). Es folgt die Kernaussage der GCD, nämlich dass die Signatarstaaten

„Reaffirm that there is no international right to abortion, nor any international obligation on the part of States to finance or facilitate abortion, consistent with the long-standing international consensus that each nation has the sovereign right to implement programs and activities consistent with their laws and policies; […]“

Damit wird deutlich: Das vordergründige Bekenntnis zum Schutz der Gesundheit von Frauen und zum Schutz von Familien dient in erster Linie dazu, der im völkerrechtlichen Menschenrechtsdiskurs zunehmenden Anerkennung reproduktiver Rechte (hierzu näher Abschnitt C) etwas entgegenzusetzen[12]: Es soll deutlich gemacht werden, dass ein „Recht auf Schwangerschaftsabbruch“ auf internationalrechtlicher Ebene nicht mit verbindlicher Wirkung für nationale Rechtsordnungen postuliert werden kann. Dem wird die nationale Souveränität und Regelungshoheit entgegengehalten: Die Signatarstaaten machen ihre Absicht sehr klar, im nationalen Recht den Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen – respektive dessen Verbot – unbeeinflusst vom internationalen Menschenrechtsdiskurs zu regulieren.

Anfang Dezember 2020[13] wird die Declaration durch die Vertreterin der USA bei den Vereinten Nationen der Generalversammlung angezeigt und zugleich deren Inhalt erläutert.[14] Die Ziele der Declaration werden dabei wie folgt skizziert. Beabsichtigt sei,

„(a) to secure meaningful health and development gains for women;
(b) to protect life at all stages;
(c) to declare the sovereign right of every nation to make its own laws protecting life, absent external pressure; and

Die Geneva Consensus Declaration
directdown 189

(d) to defend the family as foundational to any healthy society.“

Es folgt ein geradezu programmatisches Bekenntnis:

„The United States strongly supports the dignity of all human beings and protecting life from the moment of conception throughout the lifespan.“

Man sollte sich durch das Label des Schutzes von Frauengesundheit und Familien nicht täuschen lassen: In der Logik des proklamierten Schutzes ungeborenen Lebens ab der Empfängnis liegt nichts anderes als ein Verbot des Schwangerschaftsabbruchs ab diesem Moment. Entsprechend wird die Kernbotschaft der Declaration auch im Begleitbrief der US-Administration an die Vereinten Nationen ausbuchstabiert: „The United States […] believes strongly that there is no international right to abortion“.[15]

C. Hintergrund der Declaration

Die Declaration bezieht sich auf Verlautbarungen der Vereinten Nationen[16] und das Gründungsdokument der Weltgesundheitsorganisation in deren institutionellem Rahmen.[17] Sie zielt ausdrücklich darauf ab, den Diskurs im Rahmen der Vereinten Nationen und der Weltgesundheitsorganisation zu beeinflussen. Und auch die inhaltliche Richtung dieser Einflussnahme wird unmissverständlich klar: Dass das Hauptanliegen der GCD gerade nicht die Gleichstellung und der Gesundheitsschutz von Frauen sind, wird schon dadurch deutlich, dass das insoweit maßgebliche Instrument der Vereinten Nationen schlicht ausgeblendet wird. Die UN-Frauenrechtskonvention trat im Jahr 1981 in Kraft und ist der Beseitigung der Diskriminierung von Frauen gewidmet.[18] Art. 16 der

Die Geneva Consensus Declaration
directdown 190

Konvention enthält die Gewährleistung eines gleichen Rechts von Männern und Frauen auf eine freie Entscheidung über Anzahl und Altersunterschied ihrer Kinder. Im Rahmen des konventionsbegleitenden Staatenberichtsverfahrens wirkt der CEDAW-Ausschuss jeweils auf die Zugänglichkeit legaler und sicherer Schwangerschaftsabbrüche in den Rechtsordnungen der Konventionsstaaten hin.[19]

Dass außerdem die kategorische Ausklammerung des Schwangerschaftsabbruchs aus dem Feld zugänglicher Gesundheitsleistungen für Frauen durch die Declaration gerade nicht der Strategie der WHO entspricht, zeigt zuletzt eindrucksvoll deren im Jahr 2022[20] ergangene Abortion Care Guideline.[21] Sie macht sehr deutlich, dass die WHO den Zugang zu legalen und sicheren Schwangerschaftsabbrüchen als notwendigen Bestandteil einer umfassenden Gesundheitsfürsorge für Frauen ansieht.[22] Gegen diese Erwartungen an nationale Rechtsordnungen richtet sich die Kampfansage GCD, wenn sie auf die nationale Souveränität und gesetzgeberische Freiheit hinsichtlich rechtlicher Regulierungen zum Schwangerschaftsabbruch verweist. Das macht deutlich, worum es hier geht: Die völkerrechtliche Entwicklung soll auf nationalrechtlicher Ebene mit einer Gegenbewegung[23] beantwortet werden. Um Missverständnissen vorzubeugen: Die GCD ist nicht etwa als Auslöser oder auch nur Katalysator weiterer Entwicklungen überzubewerten. Sie ist lediglich eine Ausprägung einer politischen, rechtlichen und auch gesellschaftlichen Strömung, die dem Trend einer zunehmenden Anerkennung reproduktiver Freiheiten und der damit verbundenen Gewährleistung legaler Schwangerschaftsabbrüche entgegengesetzt wird. Wie hoch

Die Geneva Consensus Declaration
directdown 191

umkämpft dieses Feld ist, zeigt sich beim Blick auf die folgenden Rechtsentwicklungen in drei der Signatarstaaten.

D. Entwicklungen in Signatarstaaten

Nach der Zeichnung der GCD sind in den Signatarstaaten USA, Polen und Kolumbien Absetzbewegungen von den Inhalten der GCD in unterschiedlicher Ausprägung zu beobachten.

I. USA

Als die GCD feierlich angenommen wurde, waren es keine zwei Wochen mehr bis zu den US-Präsidentschaftswahlen, die in der Abwahl der Trump-Administration endeten. Der neu gewählte US-Präsident Biden zog kurz nach seinem Amtsantritt im Januar 2021 Unterschrift und Trägerschaft der Erklärung durch die USA zurück.[24] Seitdem wirkt die Biden-Administration darauf hin, auch andere Signatarstaaten von einer Abkehr von der Erklärung zu überzeugen.[25]

Trotzdem verbuchten die Gegner der im Rahmen von UN und WHO befürworteten Gewährleistung legaler Schwangerschaftsabbrüche gerade in den USA erst kürzlich ihren wohl prominentesten Erfolg: Im Juni 2022 nahm der US Supreme Court in der Entscheidung Dobbs v. Jackson Women’s Health Organization[26] die vormals in den Entscheidungen Roe[27] und Casey[28] anerkannte verfassungsrechtliche Grundlegung eines Rechts auf Schwangerschaftsabbruch in einer aufsehenerregenden Entscheidung zurück. Der Supreme Court urteilte, ein Recht auf Zugang zu legalen Schwangerschaftsabbrüchen lasse sich – entgegen der

Die Geneva Consensus Declaration
directdown 192

anderslautenden Leitentscheidung Roe[29] aus dem Jahr 1973 – nicht überzeugend auf den 14. Verfassungszusatz[30] stützen. Diese ausdrückliche Aufgabe der verfassungsrechtlichen Garantie des right to abortion ermöglicht es den einzelstaatlichen Gesetzgebern seitdem, auch restriktive Regulierungen des Schwangerschaftsabbruchs auf bundesstaatlicher Ebene zu treffen. Von dieser neuen gesetzgeberischen Freiheit zur Restriktion des Zugangs zu legalen Schwangerschaftsabbrüchen haben zahlreiche US-Bundesstaaten zwischenzeitlich Gebrauch gemacht.[31] Doch auch entgegengesetzte gesetzgeberische Maßnahmen lassen sich beobachten: Zahlreiche Staaten hatten traditionell liberale Regelungen und reagierten auf die Entscheidung des Supreme Court mit gesetzgeberischen Maßnahmen zur rechtlichen Absicherung des Zugangs zu legalen Schwangerschaftsabbrüchen.[32] Einzelne Bundesstaaten gingen dabei so weit, in ihre bundesstaatlichen Verfassungen ausdrücklich Garantien eines right to abortion oder reproduktiver Rechte insgesamt einzufügen, so etwa Kalifornien[33] und Minnesota.[34] Man sieht damit in den USA insgesamt ein Auseinanderdriften der Regelungslagen in ein- und derselben Gesamtrechtsordnung, das von massiven gesellschaftlichen Auseinandersetzungen begleitet ist. Zu befürchten ist auch, dass die Regulierung

Die Geneva Consensus Declaration
directdown 193

des Schwangerschaftsabbruchs im aufziehenden Präsidentschaftswahlkampf in den USA[35] zum Gegenstand weiterer Polarisierung wird.

II. Polen

In Polen fiel just am Tag der Zeichnung der GCD eine Entscheidung des Verfassungsgerichts,[36] durch die die embryo- bzw. fetopathische Indikation[37] zum Abbruch einer Schwangerschaft als verfassungswidrig verworfen wurde. Die Tragweite dieser Entscheidung ist deshalb kaum zu unterschätzen, weil in Polen die bei Weitem größte Zahl legaler Abbrüche auf der Grundlage einer embryo-/fetopathischen Indikation vorgenommen wurde. Im Jahr 2019 beruhten 98 % aller legalen Abbrüche in Polen auf dieser Indikation.[38] Seit der verfassungsgerichtlichen Entscheidung ist nach Art. 4a des polnischen Gesetzes zu Familienplanung, Embryonenschutz und der Zulässigkeit von Schwangerschaftsabbrüchen der Abbruch einer Schwangerschaft nur noch erlaubt, wenn er medizinisch (Art. 4a (1) – Bedrohung von Gesundheit oder Leben der Schwangeren) oder kriminologisch (Art. 4a (3) – Schwangerschaft durch Sexualdelikt) indiziert ist.

Der Menschenrechtskommissar des Europarats bezog bereits im Oktober 2021 in einer höchst alarmierten Intervention deutlich Stellung gegen die Entscheidung des polnischen Verfassungsgerichts.[39] Das

Die Geneva Consensus Declaration
directdown 194

Europäische Parlament schlug nach einer Protestnote im November 2021[40] in einer Entschließung im Februar 2022 gar eine Ergänzung der Europäischen Grundrechtecharta um einen Art. 7a vor, der das Recht auf sichere und legale Schwangerschaftsabbrüche garantieren soll.[41] In einer weiteren Entschließung forderte das Europäische Parlament am 11.4.2024 den Europäischen Rat auf, die Ergänzung der Grundrechtecharta in diesem Sinne voranzutreiben und das Anliegen damit auf die politische Agenda der Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union zu heben.[42]

Im Dezember 2023 positionierte sich der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in seinem Urteil auf eine Menschenrechtsbeschwerde aus Polen[43] nicht eindeutig zur aktuellen Regelungslage in Polen. Die Beschwerdeführerin sah sich in ihren Rechten aus Art. 3 und 8 EMRK[44] verletzt, weil sie ihre Schwangerschaft mangels Fortgeltung der embryopathischen Indikation angesichts einer Trisomie 21-Diagnose des Ungeborenen nicht in ihrem Heimatland Polen, sondern nur im Ausland hatte abbrechen können. Der Gerichtshof sah eine Verletzung der Beschwerdeführerin in ihrem Recht auf Privatsphäre nach Art. 8 EMRK, allerdings nicht etwa wegen der gesetzlichen Verweigerung des Zugangs zu einem legalen Schwangerschaftsabbruch in Polen. Denn, so der EGMR, aus Art. 8 EMRK lasse sich kein Recht auf Zugang zu einem Schwangerschaftsabbruch ableiten.[45] Die Verletzung der Beschwerdeführerin in ihren Rechten aus Art. 8 EMRK beruhe aber darauf, dass das Verfassungsgericht bei seiner Entscheidung über die embryo-/fetopathische

Die Geneva Consensus Declaration
directdown 195

Indikation angesichts der vorherigen, nicht rechtsstaatlichen polnischen „Justizreform“ nicht unabhängig besetzt gewesen sei. Deshalb sei die für die Beschwerdeführerin belastende Entscheidung nicht in rechtsstaatlicher Weise ergangen.[46] Das Urteil des EGMR begründet damit Hoffnung mit Blick auf die Lösung der beunruhigenden politischen Entwicklungen in Polen, enthält aber wenig Aussicht auf eine klare Positionierung des EGMR[47] zur inhaltlich zugrundeliegenden Frage nach einem Recht auf reproduktive Selbstbestimmung. Nach dem Regierungswechsel in Polen im Herbst 2023 ist aktuell eine liberale Neuregelung des Rechts zum Schwangerschaftsabbruch Teil der politischen Agenda, allerdings gestaltet sich die politische Entscheidungsfindung schwierig.[48] Ob und in welcher Weise die neue polnische Führung Gewährleistungen des Rechts auf reproduktive Selbstbestimmung allgemein oder mit Blick auf eine fetopathische Indikation zum Schwangerschaftsabbruch schaffen wird, bleibt deshalb abzuwarten. Damit herrscht in Polen die eigentümliche Situation, dass zwar bislang kein offizieller Austritt aus der GCD erfolgt ist, auf politischer Ebene aber eine Liberalisierung der Rechtslage diskutiert wird.

III. Kolumbien

Kolumbien war der GCD im Mai 2022 – soweit ersichtlich als letzter Signatarstaat – beigetreten. Das ist besonders bemerkenswert, weil kurz zuvor im Februar 2022 eine den Regelungsinhalten der GCD diametral entgegengesetzte, bahnbrechende Entscheidung des kolumbianischen Verfassungsgerichts zum Recht des Schwangerschaftsabbruchs gefallen war.[49] Das Verfassungsgericht hatte geurteilt, dass das in Art. 122 des kolumbianischen Código Penal niedergelegte strafbewehrte Verbot des Schwangerschaftsabbruchs angesichts seiner unklaren generalpräventiven Wirkung nicht als ultima ratio, sondern unzulässigerweise als única ratio eingesetzt worden sei, statt (sonstige) staatliche Maßnahmen

Die Geneva Consensus Declaration
directdown 196

zum Schutz ungeborenen Lebens und schwangerer Frauen zu treffen.[50] Durch die Kriminalisierung von Abbrüchen seien Frauen, die eine Schwangerschaft nicht fortsetzen wollten, massiven Gesundheitsrisiken ausgesetzt, weil sie illegale Angebote wahrnehmen müssten. Damit seien insbesondere Gesundheitsgefährdungen für Frauen verbunden, die in prekären sozioökonomischen Verhältnissen lebten und die finanziellen Mittel für einen Abbruch unter akzeptablen hygienischen Bedingungen nicht aufbringen könnten. In der Strafvorschrift liege ein massiver Eingriff in die Gesundheitsrechte schwangerer Frauen.[51] Das Verfassungsgericht kam zu dem Schluss, dass eine verfassungskonforme Auslegung der strafrechtlichen Norm deren Anwendbarkeit erst ab dem Ende der 24. Schwangerschaftswoche zulasse. Denn erst dann trete mit der potentiellen Lebensfähigkeit des Ungeborenen ex utero eine gewisse Autonomie des Fetus ein[52] und das strafrechtliche Verbot von Schwangerschaftsabbrüchen könne als ultima ratio eingreifen.

Das mit diesem Urteil nicht vereinbare Bekenntnis der kolumbianischen Staatsführung zur GCD war allerdings nur von kurzer Dauer: Nach einem Regierungswechsel im Juni 2022 zog der neu gewählte kolumbianische Präsident Petro wenige Wochen nach seinem Amtsantritt die kolumbianische Beteiligung an der GCD zurück.[53]

IV. Zwischenbefund

Die Bedeutung der GCD darf nicht überschätzt werden. Sie ist nicht etwa Auslöser für Tendenzen einzelner Rechtsordnungen, den Zugang zu legalen Schwangerschaftsabbrüchen einzuschränken. Die Declaration ist lediglich ein Ausdruck solcher gesellschaftspolitischen Bewegungen und damit Symptom durchaus vorhandener Bestrebungen einer einseitigen Betonung des Schutzes werdenden Lebens ab der Empfängnis bei gleichzeitiger Ablehnung eines Rechts auf Zugang zu legalen Schwangerschaftsabbrüchen. Regierungswechsel können solche Tendenzen sehr

Die Geneva Consensus Declaration
directdown 197

schnell von der politischen Agenda nehmen – so wie das hier für Brasilien[54], Polen und Kolumbien[55] gezeigt werden konnte.

E. Schlussfolgerungen

Die geschilderten Rücknahmen zuvor gewährter reproduktiver Freiheiten stehen in deutlichem Gegensatz zu einem allgemeinen Trend zur (Teil-) Entkriminalisierung des Schwangerschaftsabbruchs in sehr vielen Rechtsordnungen. Eine Erhebung des Center for Reproductive Rights[56] weist im September 2023 mehr als sechzig Rechtsordnungen aus, die in den letzten dreißig Jahren das Recht zum Schwangerschaftsabbruch liberalisiert haben. Liberalisierungen erfolgen in unterschiedlichster Ausprägung: Teilweise wurden prozedurale Anforderungen wie etwa Beratungs- oder Wartepflichten abgeschafft,[57] teilweise wurde die Frist für einen Abbruch auf Verlangen der Frau ausgedehnt,[58] Indikationen anerkannt[59] oder die Regulierung des Schwangerschaftsabbruchs aus dem Strafgesetzbuch in eine spezialgesetzliche Regelung, typischerweise im gesundheitsrechtlichen Kontext verlagert.[60] In Australien, Kanada und Neuseeland sind selbstbestimmte Schwangerschaftsabbrüche vollständig entkriminalisiert. Gegenüber stehen all diesen Rechtsordnungen nach Angaben des Center for Reproductive Rights ganze vier

Die Geneva Consensus Declaration
directdown 198

Rechtsordnungen (El Salvador, Polen, Nicaragua sowie USA[61]), die vormals gewährte reproduktive Freiheiten in jüngerer Zeit eingeschränkt haben.

Die Entwicklungen in den hier betrachteten Rechtsordnungen haben sehr deutlich gemacht, dass der Wind sich etwa bei einem Regierungswechsel sehr schnell drehen kann. Was hier in Richtung einer Liberalisierung gezeigt wurde, ist aber durchaus auch in die entgegengesetzte Richtung denkbar. Ein mahnendes Beispiel etwa bietet Argentinien: Dort wurde das Recht zum Schwangerschaftsabbruch erst im Jahr 2021 liberalisiert.[62] Der im Dezember 2023 angetretene neue Präsident Argentiniens, Javier Milei, lässt aber keinen Zweifel daran, dass er die Uhr in dieser Angelegenheit zurückdrehen möchte.[63] Und auch das bereits erwähnte Eintreten des US-amerikanischen Kongresses für eine Erneuerung des  Beitritts der USA zur Declaration[64] kann man als Vorzeichen zu erwartender Entwicklungen sehen – für den Fall, dass in den USA ein Regierungswechsel erfolgen sollte. Dann droht eine Wiederbelebung der Declaration – verbunden mit dem entsprechenden Hinwirken auf die Durchsetzung ihrer Inhalte auch im Rahmen internationaler Organisationen. Solche Gefahren für die Garantie reproduktiver Selbstbestimmung dürfen nicht unterschätzt werden. Dass diese Einflussnahmen unter dem Label eines Eintretens für den Schutz von Frauengesundheit und Familien erfolgen,[65] macht die Vorgehensweise besonders gefährlich, denn in einer polarisierten gesamtgesellschaftlichen Debatte geraten die wahren Hintergründe solcher Einflussnahmen mitunter aus dem Blickfeld.

Doch ist gerade dies zu verhindern: Die Entscheidung über die Fortsetzung einer Schwangerschaft sollte nicht zum Gegenstand politischer Machtspiele werden. Es geht hier um individuelle Lebens-

Die Geneva Consensus Declaration
directdown 199

entscheidungen – sie sollten weder auf nationaler, noch gar auf globaler Ebene politisiert und skandalisiert werden.


Prof. Dr. Bettina Weißer ist Direktorin des Instituts für ausländisches und internationales Strafrecht an der Universität zu Köln.

[1] Die Declaration ist abrufbar unter https://perma.cc/598S-BWPG (abgerufen am 30.04.2024). Die Idee der Geneva Consensus Declaration wird dem US-Außenministerium unter Führung des damaligen Außenministers Mike Pompeo zugerechnet. Zu Hintergründen und Rezeption der Declaration siehe Morgan, Anti-abortion strategizing and the afterlife of the Geneva Consensus Declaration, Developing World Bioethics 23 (2023), 185 ff.; de Assis Machado, Abortion Politics in Brazil, in Ziegler (Hrsg.), Research Handbook on International Abortion Law, 2023, 236.

[2] Vgl. den „Letter dated 2 December 2020 from the Permanent Representative of the United States of America to the United Nations addressed to the Secretary-General“, UN Doc. A/75/626. Es handelt sich um die offizielle Anzeige der GCD bei der Generalversammlung der Vereinten Nationen durch die Ständige Vertretung der USA. Sie enthält eine Einladung an die Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen, der Declaration durch Zeichnung beizutreten.

[3] Zur führenden Rolle des ehemaligen brasilianischen Präsidenten Bolsonaro (neben der US-Administration) vgl. de Assis Machado, Abortion Politics in Brazil, in Ziegler, Research Handbook on International Abortion Law, 2023, 236. Sein Nachfolger Präsident Lula da Silva zog die brasilianische Unterstützung der Declaration kurz nach seinem Amtsantritt zum Jahresbeginn 2023 bereits am 17.1.2023 zurück (abrufbar unter https://www.gov.br/mre/pt-br/canais_atendimento/imprensa/notas-a-imprensa/desligamento-do-brasil-do-consenso-de-genebra, abgerufen am 30.04.2024).

[4] Vgl. die Nachweise in den Fn. 1 und 2.

[5] Im Jahr 2021 zeichneten Georgien, Paraguay, Quatar, Guatemala und Russland, gefolgt von Kolumbien im Mai 2022; vgl. die Nachweise in Fn. 1. Zu erfolgten Austritten aus der Convention durch Brasilien vgl. Fn. 3, durch die USA sogleich im Text D.I.; sowie durch Kolumbien sogleich im Text D.III. mit Fn. 53.

[6] Ägypten, Bahrain, Belarus, Benin, Brasilien, Burkina Faso, Demokratische Republik Kongo, Dschibuti, Eswatini, Gambia, Haiti, Kamerun, Kongo, Indonesien, Irak, Kenia, Kuwait, Libyen, Nauru, Niger, Oman, Pakistan, Paraguay, Polen, Sambia, Saudi Arabien, Senegal, Südsudan, Sudan, Uganda, Ungarn, USA, Vereinigte Arabische Emirate, vgl. Fn. 1.

[7] Vgl. Bien Kacala/Drinóczi, Abortion law and illiberal courts: Spotlight on Poland and Hungary, in Ziegler (Hrsg.), Research Handbook on International Abortion Law, 2023, 276, zum Hintergrund der Beitritte Polens und Ungarns zur Declaration.

[8] Ungarn nahm als einer der „cosponsors“ der Declaration eine führende Rolle im Kontext der GCD ein. Derzeit ist in Ungarn ein Abbruch auf Verlangen der Schwangeren im ersten Schwangerschaftstrimenon (in Ausnahmefällen bis zur achtzehnten Schwangerschaftswoche) rechtlich erlaubt, wenn sie sich in einer sozialen Notlage befindet. Danach ist ein Abbruch möglich bei Vorliegen einer entsprechenden Indikationslage. Im September 2022 wurde diese Regelung durch die Vorgabe ergänzt, dass vor dem Abbruch eine Ultraschalluntersuchung erfolgen muss und der Herzschlag des Ungeborenen anzuhören ist, vgl. https://www.euronews.com/2022/09/13/hungarian-women-must-hear-vital-signs-of-their-foetus-before-abortion-under-law-change (abgerufen am 30.04.2024).

[9] Klar ist, dass die Declaration auf rechtliche Wirkungen abzielt.

[10] Geneva Consensus Declaration: „… we, the representatives of our sovereign nations do hereby

declare in mutual friendship and respect, our commitment to work together to: …

  • Improve and secure access to health and development gains for women, including sexual and reproductive health, which must always promote optimal health, the highest attainable standard of health, without including abortion“.

[11] Hierzu näher bereits Weißer GA 2023, 541, 552 f.

[12] Zu dieser Technik, den Kampf gegen Recht und Zugang zu legalen Schwangerschaftsabbrüchen als Einstehen für die Rechte und Gesundheit von Frauen zu verschleiern, Gordon/Saurette, Representing the Cause, The strategic rebranding of the anti-abortion movement in Canada, in Johnston Hurst (Hrsg.), Representing Abortion, 2020, 96 f.

[13] Bemerkenswert ist insoweit, dass hier noch nach der im November 2020 erfolgten Abwahl Donald Trumps versucht wurde, im Kontext der Vereinten Nationen um Anhänger für die GCD zu werben.

[14] Letter dated 2 December 2020 from the Permanent Representative of the United States of America to the United Nations addressed to the Secretary-General, United Nations General Assembly A/75/626 (7.12.2020).

[15] Vgl. Fn. 14, Begleitschreiben.

[16] Bezug genommen wird etwa auf die „Universal Declaration of Human Rights“ der Generalversammlung der Vereinten Nationen aus dem Jahr 1948, aber auch auf ein Schlussdokument der Kairoer Bevölkerungskonferenz der Vereinten Nationen („Programme of Action of the International Conference on Population and Development, 1994). Jüngeren Datums sind nur die angeführten Erklärungen der Generalversammlung aus dem Jahr 2019 „Political declaration of the high-level meeting on universal health coverage“ und aus dem Jahr 2015 „Transforming our world: the 2030 Agenda for Sustainable Development“. 

[17] International Health Conference (1946) „Constitution of the World Health Organization“.

[18] Convention on the Elimination of All Forms of Discrimination against Women (CEDAW). Bemerkenswert ist allerdings, dass die USA zwar bereits 1980 der Konvention beigetreten sind, aber bis zum heutigen Tag zu den sieben Staaten weltweit zählen, die die Konvention nicht ratifiziert haben, vgl. https://tbinternet.ohchr.org/_layouts/15/TreatyBodyExternal/Treaty.aspx?Treaty=CEDAW&Lang=en (abgerufen am 30.04.2024) sowie den entsprechenden Appell des CEDAW Committee vom 1.7.2022, abrufbar unter https://www.ohchr.org/en/statements/2022/07/access-safe-and-legal-abortion-urgent-call-united-states-adhere-womens-rights (abgerufen am 30.04.2024).

[19] Vgl. die im Mai 2023 im Staatenberichtsverfahren zu Deutschland ergangene Empfehlung des CEDAW-Ausschusses, CEDAW/C/DEU/CO/9, S. 14: „46. (d): Ensure that women have access to safe abortion … and that safe and legal abortions are reimbursed by health insurance …“.

[20] Die WHO Abortion Care Guideline (2022) ist zwar nach der Geneva Consensus Declaration ergangen, es handelt sich aber um eine Fortführung der seit dem Jahr 2012 ergangenen Guidelines: 2012 Safe abortion guideline, 2015 Health worker roles in providing safe abortion care and post-abortion contraception; 2018 Medical management of abortion; für eine Synopse zur Entwicklung siehe https://srhr.org/abortioncare/whats-new/ (abgerufen am 30.04.2024).

[21] Die WHO Abortion Care Guideline (2022) ist abrufbar unter https://www.who.int/publications/i/item/9789240039483 (abgerufen am 30.04.2024).

[22] WHO Abortion Care Guideline (2022), S. 21: „States must respect, protect and fulfil abortion seekers‘ rights, including their sexual and reproductive health rights (SRHR). States should take positive steps to secure an enabling regulatory and policy environment that will ensure availability, accessibility, acceptability and quality (AAAQ) of abortion and post-abortion care.“ 

[23] Zu weiteren anti-abortion Bewegungen weltweit unter Einschluss von Asien, Afrika und Lateinamerika vgl. Williams, The international pro-life movement, in Ziegler (Hrsg.), Research Handbook on International Abortion Law, 2023, 243 ff.

[24] Vgl. Memorandum on Protecting Women’s Health at Home and Abroad (28.1.2021), abrufbar unter https://www.whitehouse.gov/briefing-room/presidential-actions/2021/01/28/memorandum-on-protecting-womens-health-at-home-and-abroad/ (abgerufen am 30.04.2024). Das in den USA maßgebliche, ultrakonservative Institute for Women’s Health (Washington D.C.) lobbyiert aber nach wie vor für die Anerkennung der Declaration, vgl. https://www.theiwh.org/ (abgerufen am 30.04.2024); hierzu näher Morgan (Fn. 1), 192. Zu beachten ist auch eine Initiative aus dem US-Kongress, durch einen auf den 14.12.2023 datierenden Brief an US-Außenminister Blinken den erneuten Beitritt der USA zur Geneva Consensus Declaration zurück auf die politische Agenda zu bringen (siehe https://oversight.house.gov/wp-content/uploads/2023/12/Geneva-Consenus-Declaration-Letter-121423.pdf, abgerufen am 30.04.2024)). Unter der derzeitigen US-Administration dürfte dem wenig Aussicht auf Erfolg beizumessen sein.

[25] Vgl. hierzu https://oversight.house.gov/wp-content/uploads/2023/12/Geneva-Consenus-Declaration-Letter-121423.pdf (abgerufen am 30.04.2024).

[26] US Supreme Court, Dobbs v. Jackson Women’s Health Organization, 597 U.S. (2022). Zur Kritik eingehend Rebouche/Ziegler 76 SMU LR (2023) 27, 48 ff.

[27] Roe v Wade, 410 U.S. 113 (1973).

[28] Planned Parenthood of Southeastern Pa. v. Casey, 505 U.S. 833 (1992).

[29] Roe v Wade, 410 U.S. 113 (1973), 153.

[30] Die entscheidende Passage lautet: „Section 1. … No State shall … deprive any person of life, liberty, or property, without due process of law; nor deny to any person within its jurisdiction the equal protection of the laws. …“.

[31] Restriktionen in unterschiedlicher Schärfe wurden nach der Entscheidung Dobbs erlassen in Alabama; Arizona; Arkansas; Florida; Georgia; Idaho; Indiana; Kentucky; Louisiana; Mississippi; Missouri; Nebraska; North Carolina; North Dakota; Oklahoma; South Carolina; South Dakota; Tennessee; Texas; Utah; West Virginia.

In Texas etwa gilt bei hörbarem Herzschlag des Embryos ein Verbot des Schwangerschaftsabbruchs, Ausnahmen sind nur bei einer Gesundheits- oder Lebensgefahr für die Schwangere möglich. Jüngst (11.12.2023) urteilte der Supreme Court of Texas (No. 23-0994 Kate Cox), die Diagnose Trisomie 18 für das Ungeborene biete als solche keine ausreichende Legitimation für den Abbruch einer Schwangerschaft. Kinder, die trotz dieser Diagnose die Geburt überleben, haben eine sehr geringe – in Tagen oder Wochen zu bemessende – Lebenserwartung. In seltenen Fällen überleben die Kinder länger.

[32] Liberalisierungen in unterschiedlicher Ausprägung sind nach der Entscheidung Dobbs geschaffen worden in Colorado; Connecticut; Delaware; Hawaii; llinois; Kalifornien; Maine; Maryland; Massachusetts; Michigan; Minnesota; Nevada; New Jersey; New Mexico; New York; Oregon; Pennsylvania; Rhode Island; Vermont; Washington und Washington D.C.

[33] California Senate Constitutional Amendment No. 10, Chapter 97: „SEC. 1.1. The state shall not deny or interfere with an individual’s reproductive freedom in their most intimate decisions, which includes their fundamental right to choose to have an abortion and their fundamental right to choose or refuse contraceptives. …“ (https://leginfo.legislature.ca.gov/faces/billTextClient.xhtml?bill_id=202120220SCA10, abgerufen am 30.04.2024).

[34] Minnesota Protect Reproductive Options (PRO) Act, in Kraft seit 01.02.2023 (https://www.revisor.mn.gov/bills/bill.php?b=House&f=HF0001&ssn=0&y=2023, abgerufen am 30.04.2024).

[35] Anfang April 2024 verwies Donald Trump auf die Regelungshoheit der Bundesstaaten mit Blick auf die Regulierung des Zugangs zu legalen Schwangerschaftsabbrüchen (https://edition.cnn.com/2024/04/08/politics/donald-trump-abortion-2024/index.html (abgerufen am 30.04.2024)). Ob es gelingt, die Thematik aus dem US-Wahlkampf damit herauszuhalten, lässt sich aber durchaus bezweifeln. Vgl. etwa die Agenda der republikanischen Partei bereits im Jahr 2016: „The Constitution’s guarantee that no one can ,be deprived of life, liberty or propert‘ deliberately echoes the Declaration of Independence’s proclamation that ,all‘ are ,endowed by their Creator‘ with the inalienable right to life. Accordingly, we assert the sanctity of human life and affirm that the unborn child has a fundamental right to life which cannot be infringed.“ 2016 Republican Party Platform, (July 18, 2016), https:/AM.PROJECTPRESIDENCY/www.presidency.ucsb.edu/documents/2016-republican-party-platform abrufbar hier: https://perma.cc/93E9-579T, unter Fifth Amendment, Protecting Human Life.

[36] Urteil v. 22.10.2020 (Referenz Nr. K 1/20).

[37] Das Embryonalstadium wird mit acht Wochen bemessen, danach beginnt das Fetalstadium – die korrekte Bezeichnung der auf eine Schädigung des Ungeborenen bezogenen Indikation lautet dann fetopathische Indikation.

[38] Kocemba, Towards Gilead: One Year After the Constitutional Court Abortion Ruling in Poland, VerfBlog, 17.11.2021 (https://verfassungsblog.de/towards-gilead/, abgerufen am 30.04.2024).

[39] Third party intervention by the Council of Europe Commissioner on Human Rights under Article 36, para. 3 of the ECHR, K.B. v. Poland and 3 other applications […], K.C. v. Poland and 3 other applications […] and A.L. – B. v. Poland and 3 other applications […], 28.10.2021. (Third Party Intervention by the Council of Europe Commissioner for Human Rights, CommDH(2021) 31, 28.10.2021.

[40] Entschließung des Europäischen Parlaments vom 11. November 2021 zum ersten Jahrestag des De-facto-Abtreibungsverbots in Polen:  https://www.europarl.europa.eu/doceo/document/TA-9-2021-11-11_DE.html (abgerufen am 30.04.2024).

[41] Entschließung v. 7.7.2022, P9_TA(2022)0302. Der neue Art. 7a GRC soll lauten: „Jeder hat das Recht auf sichere und legale Abtreibung“.

[42] European Parliament resolution of 11 April 2024 on including the right to abortion in the EU Fundamental Rights Charter (2024/2655(RSP)); abrufbar unter https://www.europarl.europa.eu/doceo/document/TA-9-2024-0286_EN.html (abgerufen am 30.04.2024). Dieser jüngste Vorstoß sieht die folgende Ergänzung von Art. 3 der GRC vor: „Article 3 Right to the integrity of the person and to bodily autonomy …

2a.  Everyone has the right to bodily autonomy, to free, informed, full and universal access to sexual and reproductive health and rights, and to all related healthcare services without discrimination, including access to safe and legal abortion.“

[43] EGMR, Urt. v. 14.12.2023 (Application no. 40119/21) M.L. ./. Polen.

[44] Eine Verletzung von Art. 3 EMRK sah der Gerichtshof nicht, dafür sei der Eingriff in die Rechte der Beschwerdeführerin nicht schwerwiegend genug. Art. 8 EMRK aber umfasse mit dem Schutz der Privatsphäre auch die selbstbestimmte Entscheidung für oder gegen ein Kind: „… notion of “private life” within the meaning of Article 8 … encompasses … decisions to have or not have a child …“; vgl. EGMR, Urt. v. 14.12.2023 (Application no. 40119/21) M.L. ./. Polen, Rn. 91.

[45] EGMR, Urt. v. 14.12.2023 (Application no. 40119/21) M.L. ./. Polen, Rn. 94.

[46] EGMR, Urt. v. 14.12.2023 (Application no. 40119/21) M.L. ./. Polen, Rn. 174.

[47] Der EGMR hat auch in vorigen Entscheidungen eine klare Positionierung zu einem etwaigen Recht auf legale Schwangerschaftsabbrüche vermieden und insoweit auf die margin of appreciation der Konventionsstaaten verwiesen, vgl. EGMR, Große Kammer, Urt. v. 16.12.2010 – 25579/05, A, B und C gegen Irland, Rn. 235; ebenso EGMR, Urt. v. 30.10.2012 – 57375/08, P und S gegen Polen, Rn. 97.

[48] Vgl. etwa https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/streit-ueber-abtreibung-in-polen-die-gespaltene-regierung-19658138.html (abgerufen am 30.04.2024).

[49] Entscheidung C-055/22 v. 21.2.2022; abrufbar unter https://www.corteconstitucional.gov.co/Relatoria/2022/C-055-22.htm (abgerufen am 30.04.2024). 

[50] Entscheidung C-055/22 v. 21.2.2022, Rn. 434 ff.

[51] Entscheidung C-055/22 v. 21.2.2022, Rn. 333.

[52] Entscheidung C-055/22 v. 21.2.2022, Rn. 605 ff.

[53] https://www.lasillavacia.com/en-vivo/petro-se-retira-del-consenso-de-ginebra-que-lucha-contra-el-aborto/ (abgerufen am 30.04.2024).

[54] S. oben Fn. 3.

[55] In den USA hingegen ist die Frage eines right to abortion durch den Regierungswechsel mitnichten von der Tagesordnung verschwunden.

[56] Center for Reproductive Rights, https://reproductiverights.org/maps/worlds-abortion-laws/ (abgerufen am 30.04.2024).

[57] In Frankreich wurde im März 2022 die Frist für einen Abbruch auf Verlangen der Schwangeren von 12 auf 14 Wochen verlängert und gleichzeitig die Beratungs- und Wartepflicht durch ein Beratungsangebot ersetzt (Loi du 2 mars 2022 visant à renforcer le droit à l’avortement; (https://www.legifrance.gouv.fr/jorf/id/JORFTEXT000045287560, abgerufen am 30.04.2024). Mit Wirkung zum 8.3.2024 wurde in Art. 36 der französischen Verfassung das Recht zum Abbruch einer Schwangerschaft im Rahmen der einfachgesetzlichen Vorgaben verankert. In Spanien wurde die Beratungs- und Wartepflicht vor einem Abbruch auf Verlangen der Schwangeren innerhalb des ersten Schwangerschaftstrimesters durch Art. 14 Ley Orgánica 1/2023 v. 14.02.2023 über sexuelle und reproduktive Gesundheit und Schwangerschaftsabbruch abgeschafft.

[58] Frankreich, siehe Fn. 57. In Island gewährt der Termination of Pregnancy Act 2019 den Abbruch auf Verlangen der Schwangeren bis zur 22. Schwangerschaftswoche und danach bei medizinischer oder fetopathischer Indikation.

[59] In Malta wurde erst im Jahr 2023 eine medizinische Indikation eingeführt, in Indien erfolgte die Einführung eines Indikationenmodells im Jahr 2021 (Medical Termination of Pregnancy Act 1971 in der Fassung vom 16.12.2021), in Thailand wurde nach einer verfassungsgerichtlichen Entscheidung im Jahr 2020 zunächst im Jahr 2021 der Abbruch auf Verlangen der Schwangeren im ersten Trimenon erlaubt, im Jahr 2022 wurde dies ausgedehnt bis zur 20. Schwangerschaftswoche.

[60] Belgien: Loi relative á l’interruption volontaire de grossesse, 2018; Frankreich: Code de la santé publique, 2018; Neuseeland: Abortion Legislation Act 2020.

[61] Für die USA ist diese Diagnose jedenfalls nicht für alle Bundesstaaten zutreffend, vgl. im Text D.I.

[62] Gesetz Nr. 27.610 zum Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen auf Verlangen der Schwangeren (Acceso a la Interrupción Voluntaria del Embarazo) hat mit Wirkung zum 24. Januar 2021 den Abbruch einer Schwangerschaft auf Verlangen der Schwangeren innerhalb der ersten 14 Schwangerschaftswochen erlaubt, anschließend gilt eine Indikationenregelung; vgl. hierzu auch Ruibal, The Force of Social Mobilization, Abortion Legalization in Argentina; Verfassungsblog, 30.1.2023 (https://verfassungsblog.de/the-force-of-social-mobilization/ (abgerufen am 30.04.2024)).

[63] Vgl. nur https://www.theguardian.com/global-development/2024/mar/18/argentina-abortion-javier-milei (abgerufen am 30.04.2024).

[64] Vgl. oben Fn. 24; sowie hier: https://www.congress.gov/118/bills/sconres22/BILLS-118sconres22is.pdf (abgerufen am 30.04.2024).

[65] Zur Verschiebung der Argumente vgl. Saurette/Gordon (Fn. 12), 98.