Die Rechtsprechung des BVerfG hat das Grundgesetz als „living constitution“ ausgestaltet – als eine Verfassung, die auch heute noch Antworten auf gesellschaftlichen Wandel geben kann. Der Beitrag untersucht, welche Folgen Verfassungswandel und ein damit einhergehender Bedeutungszuwachs des Verfassungsrechts für das Strafrecht haben. Er legt dar, dass dadurch dem Strafrecht neue Arbeitsaufträge geliefert werden, dass dessen Anwendbarkeit im Einzelnen aber nicht vorgezeichnet wird. Das Strafrecht bewahrt eine „relative Autonomie“ – aktuelle Konfliktlinien, etwa bei der Sterbehilfe oder im Umgang mit dem Klimaaktivismus, bedürfen daher einer genuin strafrechtswissenschaftlichen Aufarbeitung.
2024 wird das Grundgesetz 75 Jahre alt. Die deutsche Verfassung wird meist als ein Erfolgsmodell beschrieben, als eine Verfassung, die auch heute noch Antworten auf Fragen einer sich wandelnden Gesellschaft geben kann und nicht nur ein Gesetzeswerk seiner Zeit geblieben ist.[1] Dass das Grundgesetz offen ist gegenüber der Wirklichkeit und ihren Veränderungen, hat seine Ursache weniger in Verfassungsänderungen durch den Gesetzgeber;[2] vielmehr geht dies zurück auf Verfassungswandel –
auf Änderungen des Sinns einer Verfassungsnorm ohne Änderung des Verfassungstextes[3], und zwar durch Interpretation seitens des BVerfG. Dieses sieht sich nicht an den Willen des ursprünglichen Verfassungsgesetzgebers gebunden, sondern hält dessen objektivierten Willen für maßgeblich.[4] Verfassungsinterpretation kann so „Aufladung und Anreicherung der Verfassung mit immer neuen Inhalten“[5] angesichts sich wandelnder Lebensrealitäten sein. Dazu zwei, zunächst nur kurz angerissene Beispiele:
Diese aktuellen Beispiele zeigen: Das BVerfG überlässt auch in Bezug auf sozialen Wandel, der bei Entstehung des Grundgesetzes noch nicht absehbar war, die Entscheidung über das Ob und Wie rechtlichen Wandels nicht ausschließlich dem politischen Diskurs und der Gesetzgebung.[13] Und es passt den Korridor legitimen staatlichen Handelns kontinuierlich an.
Verfassungswandel wirkt auch in die Anwendung und Auslegung des bestehenden Rechts durch die Fachgerichte hinein. Über das Institut der verfassungskonformen Auslegung kann Verfassungswandel zu einem Wandel des einfachen Rechts – auch des materiellen Strafrechts – führen.[14] Die Befugnis auch der Fachgerichte, auf sozialen Wandel mit einer Neuinterpretation und Fortbildung des Rechts zu reagieren,[15] kann also durch zwingende verfassungsrechtliche Vorgaben gebunden sein. Der strafrechtliche Umgang mit dem Klimaaktivismus ist das Beispiel der Stunde, wie um eine solche Weiterentwicklung des einfachen Rechts außerhalb des Parlaments gerungen wird.
Oder: Wenn nun das BVerfG ein Recht auf selbstbestimmtes Sterben anerkennt, ist dann nicht auch die Legitimität von § 216 StGB zu verneinen bzw. die Unterscheidung zwischen einer strafbaren Fremdtötung mit Einwilligung und einer straffreien Beihilfe zur Selbsttötung zu überdenken? 2022 jedenfalls hat der BGH sowohl eine zugunsten der freien Selbstbestimmung wirkende Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme vorgenommen als auch in einem obiter dictum eine verfassungskonforme Einschränkung von § 216 StGB angedeutet.[16]
Der nachfolgende Beitrag legt dar, dass die skizzierten Linien eines Verfassungswandels dem Strafrecht neue Arbeitsaufträge liefern, dass sie jedoch dessen Anwendbarkeit im Einzelnen nicht vorzeichnen und damit eine genuin strafrechtswissenschaftliche Aufarbeitung der aktuellen Konfliktlinien nicht entbehrlich machen. Zur Beschreibung dieser „relativen Autonomie“ des Strafrechts werden die Grundsätze rekapituliert, die nach dem Verständnis des BVerfG das Verhältnis zwischen Verfassung und Strafrecht bestimmen, da diese Perspektive bis heute oftmals vernachlässigt wird.[17]
A. Verfassungswandel vs. Originalism
Das Grundgesetz wurde bereits als eine Ordnung beschrieben, die auf sozialen Wandel, der nach ihrer Entstehung eingetreten ist, Antworten
geben kann;[18] dies geht v.a. auf Verfassungswandel, auf Verfassungsänderungen durch Interpretation seitens des BVerfG, zurück.[19] Es versteht das Grundgesetz als „living constitution“, die bspw. sich wandelnde gesellschaftliche Wertvorstellungen über die Selbstbestimmung am Lebensende oder neue gesellschaftliche Risiken durch den Klimawandel aufnehmen und verarbeiten kann.
Dass Verfassungswandel, also informelle Verfassungsänderung durch Interpretation, nicht selbstverständlich ist, zeigen Entwicklungen in den USA. Gegenkonzepte eines originalism bzw. eines textualism verlangen, dass Verfassungsnormen nur auf Grundlage des historischen Willens des Verfassungsgesetzgebers bzw. der historischen Wortbedeutung ausgelegt werden.[20] Der US Supreme Court entschied etwa 2022, dass es kein Recht der Frau auf einen Schwangerschaftsabbruch gebe. Ein ungeschriebenes Verfassungsrecht darauf könne nur anerkannt werden, wenn es „deeply rooted in our history and tradition“ sei; da der Schwangerschaftsabbruch jahrhundertelang strafbar gewesen sei, müsse eine solche Anerkennung versagt werden.[21]
Solche Konzepte werden v.a. damit begründet, dass Verfassungswandel zu sehr in die Rechte des Parlaments eingreife, also in die Rechte derjenigen staatlichen Gewalt mit der unmittelbarsten demokratischen Legitimation. Rechtlicher Wandel dürfe stattfinden, aber es sei Aufgabe der gesetzgebenden Gewalt diesen herbeizuführen.[22] Kritik an einem „verfassungsvollziehenden Jurisdiktionsstaat“[23] ist auch aus dem hiesigen Diskurs bekannt und im Streit um eine subjektive oder objektive Theorie zu verorten. Derzeit jedenfalls ist die hiesige Verfassungspraxis vom Konzept einer „living constitution“ geprägt und sichert so die Machtstellung des BVerfG gegenüber dem Gesetzgeber auch im Wandel der Zeit – es soll eine „Verkrustung“ des Grundgesetzes, eine „Herrschaft der Toten über die Lebenden“ verhindert werden.[24]
B. Verfassungskonforme Auslegung
Betrachtet man nun die verfassungskonforme Auslegung, dient diese – im funktionalen Kontext mit dem Verfassungswandel gesehen – dazu, einen Verfassungswandel in das einfache Recht zu übertragen und dort zu einer Anpassung zu führen. Methodisch geht es um zwei Aspekte:
Das Gebot verfassungskonformer Auslegung ist zunächst eine „interpretatorische Vorrangregel“[25] und durchbricht die grundsätzliche Gleichrangigkeit der üblichen Auslegungsmethoden:[26] Bei mehreren möglichen Auslegungsergebnissen sind verfassungswidrige Ergebnisse auszuscheiden und verfassungsgemäße vorzuziehen.[27] Das BVerfG soll sich also für eine Normerhaltung und gegen eine Nichtigerklärung entscheiden; und Fachgerichte sollen von einer konkreten Normenkontrolle absehen, ein Gesetz vielmehr verfassungskonform anwenden.[28]
Begründet wird dies mit dem Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung und speziell mit der Höherrangigkeit der Verfassung gegenüber dem einfachen Recht – so auch dem Strafrecht.[29] Daraus ergibt sich aber noch nicht zwingend auch ein interpretatorischer Vorrang. Die Höherrangigkeit der Verfassung könnte im Kollisionsfall auch zu einer Nichtigkeit verfassungswidriger Gesetze führen (Geltungsvorrang). Ebenso könnte – theoretisch gedacht[30] – das Verfassungsrecht das einfache Recht verdrängen und selbst unmittelbar zur Anwendung gelangen (Anwendungsvorrang).[31] Ergänzend wird daher die interpretatorische Vorrangregel aus einem Respekt vor der gesetzgebenden Gewalt begründet. Dem Willen des Gesetzgebers sei – so das BVerfG – im Rahmen des verfassungsrechtlich Zulässigen so weit wie möglich Rechnung zu tragen[32] – das Verdikt einer Nichtigkeit ist also Ultima Ratio, eine verfassungskonforme
Auslegung das mildere Mittel.[33] Denn die Nichtigkeit der gesamten Regelung würde eine Lücke hinterlassen, die auch nicht durch das Verfassungsrecht selbst geschlossen werden kann:[34] Das Grundgesetz enthält schließlich weitgehend unbestimmte Prinzipien, es erkennt Rechte und Wertungen an. Es lassen sich daraus in der Regel aber keine konkreten Verhaltensnormen ableiten.[35]
Das eben beschriebene Verständnis von der verfassungskonformen Auslegung impliziert einen Vorgang, der der Anwendung dieser Vorrangregel vorgelagert ist. Sind verfassungsgemäße von verfassungswidrigen Ergebnissen zu unterscheiden, besteht auch eine Pflicht, sich überhaupt mit den Wertungen der Verfassung auseinanderzusetzen; dies wird teilweise als grundrechts- oder verfassungsorientierte Auslegung bezeichnet.[36] Der Einfachheit halber soll hier begrifflich von einem weiten Verständnis einer verfassungskonformen Auslegung ausgegangen werden.
Ein Gericht muss also berücksichtigen, ob sein Auslegungsergebnis nicht einen Eingriff in Grundrechte darstellt, und wenn ja, ob dieser Eingriff verhältnismäßig ist.[37] Begründen lässt sich dies im Hinblick auf die Fachgerichte wiederum mit dem Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung und dem Stufenbau des Rechts.[38] Für das Strafrecht: Das Strafrecht ist eine sekundäre Verhaltensordnung und gewinnt den Inhalt der unter Strafe gestellten Verhaltensnormen aus dem „gesamten öffentlichen Recht“.[39] Je inhaltserfüllter das Grundgesetz für eine Vielzahl alter und neuer sozialer Konflikte durch das BVerfG gestaltet ist, desto größer ist die Bedeutung des Verfassungsrechts für das Strafrecht.[40]
C. Die relative Autonomie des einfachen Rechts
Nun zu den Grenzen einer verfassungskonformen Auslegung, speziell im Strafrecht. Diese sollen erörtert werden unter dem Begriff einer relativen Autonomie des einfachen Rechts – ein Begriff, den die Rechtstheoretikerin Marietta Auer in diesem Zusammenhang verwendet.[41] Sie versteht darunter „ein bestimmtes Maß an methodologischer, begrifflicher, konzeptioneller und argumentativer Unabhängigkeit.“ Trotz zunehmender Überlagerungen bestünden im Verhältnis zwischen Verfassungsrecht und einfachem Recht „oft unterschiedliche Methoden, Theoriestrukturen und Argumentationszusammenhänge“.[42] Dies gilt u.a. für das materielle Strafrecht: Dieses basiert auf einer Dogmatik, die älter ist als die Grundrechtsdogmatik und die sich etwa im Hinblick auf das Rechtsgutsprinzip zur Begrenzung hoheitlicher Strafgewalt ohne verfassungsrechtliche Schutzmechanismen entwickelt hat.[43]
Das einfache Recht kann – so Auer – vom Verfassungsrecht inhaltlich unbeeinflusst bleiben; nur wenn das Verfassungsrecht auch die Wertungsprärogative gegenüber dem einfachen Recht beanspruche, bestehe auch ein inhaltlicher Vorrang.[44] Die beiden Rechtsbereiche verhalten sich also eher wie zwei sich überschneidende Kreise zueinander – es gibt eine Schnittmenge, wo das Verfassungsrecht das einfache Recht bestimmt, aber auch einen Bereich, wo das einfache Recht inhaltlich unbeeinflusst bleibt. Diese Einsicht kumuliert im Verständnis einer „relativen Autonomie“ des einfachen Rechts.
Exemplifiziert wird dieses Verhältnis nun anhand zweier Beispiele, die aktuell von einem Verfassungswandel betroffen sind, der Sterbehilfe und dem Containern. Die in diesem Kontext aufgeworfenen Fragen können dabei nicht vollständig beantwortet, die Antworten vor dem Hintergrund einer verfassungsrechtlichen Bindung vielmehr nur angedeutet werden.
D. Die relative Autonomie des einfachen Strafrechts am Beispiel der Sterbehilfe
Eine verfassungskonforme Auslegung ist nur möglich, wenn die üblichen Auslegungsmethoden – Wortlaut, Historie, Systematik und Telos – dies zulassen.[45] Am offensichtlichsten ist dies bei Generalklauseln und unbestimmten Rechtsbegriffen.[46] Als „Stück offengelassene Gesetzgebung“[47] überlassen sie die Konkretisierung von nur abstrakt bestimmten Verhaltensnormen anderen – hier der Rechtsprechung. Die Fachgerichte haben sich bei der Konkretisierung dann auch an den Wertungen der Verfassung zu orientieren.
Eine solche Offenheit findet sich in den Normen, die für die Strafbarkeit der Sterbehilfe relevant sind. Zunächst ist dies § 216 StGB – die Tötung auf Verlangen. Strafbar macht sich – in einer gegenüber § 212 StGB privilegierten Weise –, wer zur Tat vom Getöteten bestimmt wurde. Die Einwilligung des Sterbewilligen hebt also – entgegen einem allgemeinen strafrechtlichen Grundsatz[48] – das Unrecht der Tötung nicht vollständig auf. D.h.: Die aktive Sterbehilfe ist nach § 216 StGB strafbar; straflos ist hingegen die Beihilfe zu einer eigenverantwortlichen Selbsttötung.[49]
Was eine Tötung auf Verlangen ist, und was nur eine Suizidbeihilfe, regelt § 216 StGB nicht; die Tathandlung ist generalklauselartig gefasst. Die Strafrechtsdogmatik konkretisiert diese in erster Linie durch die ungeschriebenen Anforderungen von Kausalität und teilweise der objektiven Zurechnung;[50] hinzu treten die Regeln über die Täterschaft (§ 25 StGB) bzw. zum Unterlassen (§ 13 StGB). Wie nahezu alle Vorschriften des Allgemeinen Teils haben diese einen generalklauselartigen Charakter.[51] Der rechtliche Rahmen für die strafrechtliche Beurteilung der Sterbehilfe weist in Anbetracht dieser Offenheit eine Einbruchstelle für verfassungsrechtliche Erwägungen auf.
Innerhalb dieses rechtlichen Rahmens haben Fachgerichte – auch als Ausdruck gewandelter gesellschaftlicher Anschauungen – seit Beginn der 1990er Jahre die offenen Regelungen des Allgemeinen Teils „mit Leben gefüllt“ und zunehmend den Aspekt einer Selbstbestimmung über das eigene Leben berücksichtigt. Lebenserhaltende Maßnahmen dürfen unter den Voraussetzungen des (ungeschriebenen) gerechtfertigten Behandlungsabbruchs beendet werden.[52] Schmerzen dürfen gelindert werden, auch wenn sie das Sterben beschleunigen, weil ein solches Handeln den „sozialen Sinngehalt“ der Tötungsdelikte nicht erfülle bzw. jedenfalls gem. § 34 StGB gerechtfertigt sei.[53] Zuletzt dürfen sich Suizidenten im Sterben auch über die Bewusstlosigkeit hinaus begleiten lassen, weil eine mögliche Garantenpflicht durch einen selbstbestimmten Sterbewunsch überlagert werde.[54]
Diese Rechtsfortbildung gipfelte 2020 in der Entscheidung des BVerfG zum Recht auf selbstbestimmtes Sterben.[55] Anlass waren Verfassungsbeschwerden gegen den erst 2015 eingeführten § 217 StGB, der die sonst straffreie Teilnahme an einer Selbsttötung bei geschäftsmäßigem Handeln unter Strafe gestellt hatte. Das BVerfG stellte fest, dass diese Strafnorm das Recht auf selbstbestimmtes Sterben[56] in unverhältnismäßiger Weise einschränke. Es sah sich aber nicht dazu in der Lage, § 217 StGB verfassungskonform, also geltungserhaltend, auszulegen.[57] Denn anders als der sonstige rechtliche Rahmen der Sterbehilfe war § 217 StGB nicht offen formuliert und der Wille des Gesetzgebers eindeutig. Diese Strafnorm sah ein uneingeschränktes Verbot der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung vor und in den Gesetzesmaterialien wurden Einschränkungen, etwa beim Handeln von Ärzten, verworfen.[58] Also: In diesem Rahmen wurde das Strafrecht durch die Gesetzgebung so autonom gestaltet, dass sich daraus abschließend die Antwort auf die Zulässigkeit geschäftsmäßiger Suizidhilfe ergab. Die Wertungen der Verfassung
konnten keine gestaltende, sondern „nur“ normbeseitigende Wirkung entfalten.[59]
Warum diese Grenze des Interpretationsvorrangs, wo doch eine verfassungskonforme Auslegung das grundsätzlich mildere Mittel gegenüber einer Nichtigerklärung sein soll? Begründet sich ein geltungserhaltender Interpretationsvorrang auch aus einem Ausdruck von Respekt vor der gesetzgebenden Gewalt, dann bleibt von diesem Respekt nicht mehr viel übrig, wenn das Auslegungsergebnis die Norm deformiert oder inhaltlich völlig umwertet.[60] Dann muss ein Gesetz aufgehoben und die Entscheidung über das Wie rechtlichen Wandels in die Hände der Gesetzgebung gelegt werden.
Zu erwähnen bleibt, dass es das BVerfG in den Händen hält, wie weit eine solche Autonomie geht; sie ist eher größer, wenn auf den subjektiven Willen des Gesetzgebers auf Grundlage historischer Gesetzgebungsmaterialien abgestellt wird, und eher geringer, wenn dieser Wille durch objektive Erwägungen gesetzgeberischer Vernünftigkeit seitens des BVerfG bestimmt wird.[61]
Im Recht der Sterbehilfe verbleiben noch weitere Fragen, für die maßgeblich ist, wie weit eine verfassungskonforme Auslegung, also eine Berücksichtigung eines selbstbestimmten Sterbewunsches, gehen darf. Dazu gehört zum einen die Frage der Legitimität des § 216 StGB – umfasst ein Recht auf selbstbestimmtes Sterben nicht auch das Recht, sich durch die Hand Dritter töten zu lassen, jedenfalls dann, wenn jemand nicht in der Lage ist, sich selbst zu töten – Stichwort: Locked-in-Syndrom?[62] Eine solche Auslegung deutete der BGH in der sog. Insulinspritzen-Entscheidung 2022 im Rahmen eines obiter dictum an.[63] Wenn ja, kann dann § 216 StGB noch verfassungskonform ausgelegt werden oder widerspricht dies dem Wortlaut und Willen des Gesetzgebers, weil eine Fremdtötung auch mit Einwilligung eben ausnahmslos unter Strafe gestellt ist? Hier
besteht die Besonderheit, dass die historischen Gesetzgebungsmaterialien vorkonstitutionell sind und damit keinerlei Aussagekraft haben,[64] und dass ansonsten ein Wille des nachkonstitutionellen Gesetzgebers schlicht nicht ermittelbar ist.[65] Daher ist es überzeugend, dass die Tötung auf Verlangen einer verfassungskonformen Auslegung zugänglich ist.[66]
Diskutiert wird zudem auch, wie weit der Bereich strafloser Suizidbeihilfe in Abgrenzung zur strafbaren Fremdtötung zu ziehen ist, wenn denn der selbstbestimmte Wille eines Sterbewilligen so hohe Bedeutung hat. Die Legitimität von § 216 StGB also vorausgesetzt, können verfassungsrechtliche Erwägungen bei der Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme eine Wertungsprärogative einnehmen? In seiner Insulinspritzen-Entscheidung hat der BGH jedenfalls eine faktisch zugunsten der freien Selbstbestimmung wirkende Abgrenzung vorgenommen und das todesursächliche Verabreichen von Insulin als bloße Beihilfe neben der selbstbestimmten Einnahme potentiell tödlicher Medikamente gewertet.[67] In seiner Begründung bediente er sich jedoch nicht verfassungsrechtlicher Erwägungen vom Recht auf selbstbestimmtes Sterben oder gar einer zwingenden verfassungskonformen Auslegung. Vielmehr versuchte er, diese Entscheidung in die ständige Rechtsprechung zu Täterschaft und Teilnahme einzugliedern und beschritt mithin einen autonomen Weg, der über die zeitgenössische Reflexion der gewachsenen Strafrechtsdogmatik verläuft: Die Abgrenzung sei nicht naturalistisch, sondern normativ vorzunehmen, was eine Gesamtbetrachtung eines Suizidgeschehens erlaube.[68] Mittelbar räumte er der freien Selbstbestimmung des Suizidenten dadurch mehr Gewicht ein. Unabhängig davon, ob dies überzeugt – die Kritik an dieser Entscheidung ist groß[69] – und ob diese Entscheidung nicht einer Divergenzvorlage bedürft hätte:[70] Eine Begründung auf Grund
einer zwingenden verfassungskonforme Auslegung wäre jedenfalls nicht der richtige Weg gewesen. Dies hätte einen spezifischen Verfassungsbezug der ständigen Rechtsprechung zur Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme vorausgesetzt, weil nur dann die Auslegung und Anwendung des einfachen Rechts auch für zwingende verfassungsrechtliche Erwägungen offen ist.[71] Diese Rechtsprechung beruht aber nicht auf einer grundlegenden Verkennung der Bedeutung des Rechts auf ein selbstbestimmtes Sterben. Erst recht ist sie nicht objektiv willkürlich, sondern weitgehend getragen vom Bemühen um eine gleichmäßige und differenzierte Rechtsanwendung.[72] Verfassungsrechtliche Erwägungen können zwar grundsätzlich angestellt werden, sie wirken aber nicht prärogativ, sondern treten neben andere Erwägungen bei der Auslegung.
E. Die relative Autonomie des einfachen Rechts am Beispiel des Containerns
Containern beschreibt das Entwenden von Lebensmitteln aus Abfallcontainern von Supermärkten. Dadurch sollen noch genießbare Lebensmittel ihrer eigentlichen Bestimmung – dem Verzehr – zugeführt und ein politisches Zeichen für einen nachhaltigeren Umgang mit Lebensmitteln gesetzt werden.[73] Containern ist insofern eine Form des Klimaaktivismus.
Amtsgerichte haben Containern als Diebstahl gewertet, sofern kein Einverständnis der Supermarktbetreiber vorlag und sich die Lebensmittel verschlossen auf dem Gelände des Supermarkts befanden. Zentrales Argument: Die entwendeten Lebensmittel seien fremde, im Eigentum der Supermarktbetreiber stehende Sachen; mit der Entsorgung sei keine Aufgabe des Eigentums im zivilrechtlichen Sinne verbunden.[74] In der Revisionsinstanz blieb dieser Ansatz unbeanstandet.[75]
Dagegen wurden Verfassungsbeschwerden eingelegt u.a. mit dem Argument, dass der ausschließliche Rückgriff auf zivilrechtliche Wertungen verfassungswidrig sei. Man könne das Verhalten der
Supermarktbetreiber als Wille zur Eigentumsaufgabe interpretieren, wenn man die Fremdheit nicht streng zivilrechtsakzessorisch bestimme. Im Hinblick auf Art. 20a GG müsse man auch den Gemeinwohlbelang eines verantwortungsvollen und nachhaltigen Umgangs mit Lebensmitteln sowie die Sozialbindung des Eigentums aus Art. 14 Abs. 2 GG berücksichtigen.[76] Gerügt wurde also, dass die Gerichte keine verfassungskonforme – einschränkende – Auslegung vorgenommen hatten.
Der Diebstahlstatbestand ist zwar weit weniger offen formuliert als der oben betrachtete rechtliche Rahmen der Sterbehilfe. Ein grundsätzliches „Einfallstor“ auch für verfassungsrechtliche Erwägungen besteht aber über das Tatbestandsmerkmal fremd; dass dieses zivilrechtsakzessorisch zu bestimmen ist, entspricht zwar ständiger Rechtsprechung,[77] ist aber vom Wortlaut nicht zwingend vorgegeben. Theoretisch denkbar wäre eine – im Vergleich zum Zivilrecht strafrechtsautonome – einschränkende Auslegung auf Grund verfassungsrechtlicher Erwägungen: Die mit der Entscheidung zum Klimaschutzgesetz gestärkte Staatszielbestimmung des Art. 20a GG könnte es gebieten, Verhaltensweisen straffrei zu stellen, die die staatliche Klimaschutzpflicht anmahnen; und aus der Sozialbindung des Eigentums könnte ein Schutz durch § 242 StGB für solche Lebensmittel versagt werden, die der Eigentümer zur Entsorgung vorsieht, obgleich sie noch verzehrt werden können.
Das BVerfG hat die Verfassungsbeschwerden indes zurückgewiesen. Es hat die hohe Bedeutung des nach Art. 14 Abs. 1 GG geschützten zivilrechtlichen Sacheigentums betont; dass § 242 StGB dieses unabhängig vom wirtschaftlichen Wert schütze, sei nicht unverhältnismäßig, verstoße also nicht gegen das Übermaßverbot. Das BVerfG könne indes nicht prüfen, ob der Gesetzgeber die zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Lösung gefunden habe; es habe lediglich darüber zu wachen, dass die Strafvorschrift materiell in Einklang mit den Bestimmungen der Verfassung stünde.[78] Zudem sei eine zivilrechtsakzessorische Bestimmung der Fremdheit im betreffenden Einzelfall auf Grundlage der ständigen Rechtsprechung nicht willkürlich, sondern nachvollziehbar.[79]
Diese Entscheidung zeigt eine weitere Grenze einer verfassungskonformen Auslegung auf, die eigentlich selbstverständlich ist, die es sich aber lohnt zu vergegenwärtigen: Das Übermaßverbot gegenüber staatlichen Eingriffen in Grundrechte und das Untermaßverbot für staatliche Schutzpflichten sind nicht kongruent:[80] Der Gesetzgeber hat einen Spielraum, wie er Freiheitsgrundrechte und Schutzpflichten gewichten möchte – die Verfassung gibt einen Korridor staatlichen Handelns vor. Am Beispiel des Containerns: Dass dieses aus verfassungsrechtlicher Sicht als Diebstahl strafbar sein kann, heißt nicht, dass dies aus verfassungsrechtlicher Sicht auch so sein muss. Der Gesetzgeber kann sich im Hinblick auf die Sozialbindung des Eigentums bzw. im Hinblick auf seine Klimaschutzpflicht auch entscheiden, diese Form des Klimaaktivismus zu entkriminalisieren, weil er sich damit innerhalb seines legislativen Ermessens bewegt.[81] Ein solcher Spielraum gilt auch im Verhältnis Verfassungsgericht und Fachgerichte und lässt einen Korridor für fachgerichtliches Ermessen entstehen: Das BVerfG überprüft die Auslegung und Anwendung einfachen Rechts nur dann, wenn es – wie oben schon kurz erwähnt – um die Verletzung „spezifischen Verfassungsrechts“ geht,[82] d.h. wenn eine Entscheidung auf einer unrichtigen Auffassung von Bedeutung und Tragweite des in Anspruch genommenen Grundrechts beruht oder sie objektiv willkürlich ist.[83] In Bezug auf das Containern: Es wäre grundsätzlich möglich, dass Fachgerichte von der ständigen Rechtsprechung abweichen, die Fremdheit einer Sache nicht ausschließlich zivilrechtsakzessorisch bestimmen, sondern ergänzend etwa Wertgrenzen vorsehen bzw. allgemein einen wirtschaftlichen Wert fordern. Verfassungsrechtliche Erwägungen zur Sozialbindung des Eigentums sowie zu Art. 20a GG könnten dabei einfließen, sie nehmen aber keinen interpretatorischen Vorrang ein.
Verfassungswandel kann also nur dann auch einen Wandel des einfachen Rechts erzwingen und bestehendes Recht gestalten (Interpretationsvorrang) bzw. jedenfalls beseitigen (Geltungsvorrang), wenn der beschriebene Korridor verlassen wird. Innerhalb dieses Korridors hingegen kann zwar rechtlicher Wandel stattfinden, verfassungsrechtliche
Erwägungen haben aber keinen Vorrang.[84] Es entscheidet über rechtlichen Wandel dann nicht das BVerfG, sondern der Gesetzgeber innerhalb seines legislativen Ermessens bzw. die Fachgerichte bei der Auslegung und Anwendung des einfachen Rechts.[85] Innerhalb dieses Korridors ist das einfache Recht autonom.[86]
Gerade wenn es um die Aufgabe bzw. um Ausnahmen von einer ständigen Rechtsprechung geht, besteht für die Fachgerichte aber ein erhöhter Begründungsaufwand.[87] Zu fragen ist auch, ob damit die stabilisierenden Faktoren des Rechts – Vorhersehbarkeit, Bestimmtheit verbotenen Handelns – ausreichend Berücksichtigung finden. Eine abweichende Bestimmung des Merkmals fremd dürfte also nicht nur vom Einzelfall des Containerns – unter Berücksichtigung von Art. 14 Abs. 1, 20a GG –, sondern müsste aus einer ganzheitlichen Perspektive betrachtet werden – Rechtsprechung dient der Einzelfallgerechtigkeit wie der Rechtsanwendungsgleichheit. Auch in anderen denkbaren Fallgruppen des Diebstahls müsste also als Konsequenz eine wirtschaftliche Werthaltigkeit des Tatgegenstands als strafbarkeitseinschränkendes Merkmal gefordert bzw. davor gefragt werden, ob dies den Vorstellungen eines adäquaten Eigentumsschutzes entspricht.
F. Ausblick
Ein offen gestaltetes Grundgesetz und eine Bereitschaft zum Verfassungswandel sichern dem BVerfG eine dauerhaft mächtige Stellung im Verhältnis zur Gesetzgebung sowie zu den Fachgerichten. Über das Gebot verfassungskonformer Auslegung wirken (sich verändernde) verfassungsrechtliche Wertungen auch in das Strafrecht hinein und liefern diesem angesichts einer „living constitution“ immer wieder neue Arbeitsaufträge.
Dennoch bewahrt das „einfache“ Strafrecht eine relative Autonomie, da die Kompetenz der Rechtsprechung gegenüber der Gesetzgebung bzw. die Kompetenz des BVerfG gegenüber den Fachgerichten begrenzt ist.
Das Verfassungsrecht vermag die Anwendbarkeit des Strafrechts nicht im Einzelnen vorzuzeichnen – dies zeigen die Beispiele des rechtlichen Umgangs mit der Sterbehilfe sowie mit dem Containern. Gerade die obersten Fachgerichte haben bei der Wahrnehmung ihres Rechtsfortbildungsauftrags einen weiten legislativen Ermessensspielraum. Strafrechtswissenschaft und Rechtsprechung müssen also weiterhin primär auf der Grundlage „eigener“ „Methoden, Theoriestrukturen und Argumentationszusammenhänge“[88] Antworten auf sozialen Wandel finden;[89] es bedarf einer genuin strafrechtswissenschaftliche Aufarbeitung der aktuellen Konfliktlinien. Auch unter dem Eindruck einer zunehmenden Bedeutung des Verfassungsrechts ist Aufgabe der Strafrechtsdogmatik weiterhin nicht nur das Ermöglichen einer differenzierten, an Einzelfallgerechtigkeit orientierten Rechtsanwendung, sondern auch das einer gleichmäßigen – einer sicheren und berechenbaren – Rechtsanwendung.
Die Autorin ist Privatdozentin an der Ludwig-Maximilians-Universität München und Vertreterin des Lehrstuhls für Strafrecht und Strafprozessrecht an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg.
[1] Vgl. Prantl SZ vom 29.11.2018, https://www.sueddeutsche.de/medien/grundgesetz-70-jahre-magazin-1.4230480; Voßkuhle JZ 64 (2009), 917.
[2] Volkmann JZ 73 (2018), 265, 266.
[3] Voßkuhle Der Staat 43 (2006), 450, 451 f., der diesem Begriff eine lediglich soziologisch-empirische Bedeutung zuweist; Volkmann JZ 73 (2018), 265, 266 Fn. 5 mwN.
[4] BVerfGE 1, 299, 312; 10, 234, 244; 35, 263, 278 f.; 105, 135, 157; 133, 168, 205; 144, 20, 212 f.
[5] Volkmann JZ 73 (2018), 265, 269.
[6] BVerfGE 153, 182.
[7] Walter JR 2022, 621.
[8] BGH GSSt 4/53, NJW 1954, 1049, 1050.
[9] Das allgemeine Persönlichkeitsrecht selbst markiert auch einen Verfassungswandel. Als ungeschriebenes, aus Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG abgeleitetes Grundrecht werden ihm diverse Ausprägungen verliehen, etwa bzgl. der geschlechtlichen Identität (BVerfGE 147, 1), im Hinblick auf die informationelle Selbstbestimmung (BVerfGE 65, 1, 43 ff.) oder als Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme (BVerfGE 120, 274, 313 ff.). Siehe dazu Voßkuhle JZ 64 (2009), 917, 920.
[10] BVerfGE 157, 30, 91, 102, 111, 131.
[11] Muckel JA 2021, 610, 611.
[12] Vgl. Voland NVwZ 2019, 114,117.
[13] Vgl. Böckenförde Gesetz und gesetzgebende Gewalt, 1981, 402.
[14] Verfahren vor dem BVerfG haben daher eine große Bedeutung im Rahmen sog. „strategischer Prozessführung“, Lange GVRZ 2023, 12, Ziff. II; Hahn ZfRSoz 39 (2019), 5.
[15] Zur Rechtsfortbildungbefugnis der Fachgerichte BVerfGE 34, 269, 287; § 132 Abs. 4 GVG.
[16] BGH NJW 2022, 3021, 3023.
[17] Vgl. auch die Kritik von Tiedemann Verfassungsrecht und Strafrecht, 1991, 3: Die „impliziten Schnittstellen“ zwischen Verfassungsrecht und Strafrecht bleiben weitgehend unerörtert.
[18] Vgl. Hesse JZ 50 (1995), 265, 266; Voßkuhle JZ 64 (2009), 917, 919.
[19] Voßkuhle JZ 64 (2009), 917, 918.
[20] Möllers Juristische Methodenlehre, 5. Aufl. (2023), § 4 Rn. 160; § 6 Rn. 90; Hirzel s.o., 125 ff.
[21] Dobbs v. Women`s Health Organization 142 S.Ct. 2228 (2235, 2248 ff.) (2022).
[22] Vgl. etwa Scalia A matter of interpretation, 1997, 22.
[23] Vgl. Böckenförde s.o., 402. Zudem Hirzel s.o., 176 ff; Hesse JZ 50 (1995), 265, 267; Greco in Brunhöber/Höffler/Kaspar u. a. (Hrsg.), Strafrecht und Verfassung, 2013, 13, 24; NK-StGB/Kargl, § 1 Rn. 108.
[24] Voßkuhle JuS 2019, 417, 423; Schenke JZ 103 (1978), 566, 584; Hirsch JZ 62 (2007), 853, 856.
[25] Auer in Neuner (Hrsg.), Grundrechte und Privatrecht aus rechtsvergleichender Sicht, 2007, 27, 30 f. Ebenso Canaris in Honsell (Hrsg.), Privatrecht und Methode, 2004, 141, 146; Kuhlen Die verfassungskonforme Auslegung von Strafgesetzen, 2006, 2.
[26] Siehe nur: Auer s.o., 27, 31; Canaris s.o., 141, 143 f; Kuhlen s.o., 1.
[27] BVerfG NJW 2023, 3072, 3074; 130, 372, 398; 138, 296, 350; 148, 69, 130; 159, 149, 172.
[28] BVerfG NJW 2023, 3072, 3073; auch die Fachgerichte sind also zur verfassungskonformen Auslegung verpflichtet: Kuhlen s.o., 8; Burkiczak Rechtstheorie 52 (2021), 23, 26; Lüdemann JuS 2004, 27, 30; Kaspar Verhältnismäßigkeit und Grundrechtsschutz im Präventionsstrafrecht, 2014, 526, 529.
[29] Auer s.o., 27, 35; Kuhlen s.o., 9.
[30] Zu den denkbaren Folgen einer Normenkollision Möllers s.o., § 2 Rn. 42 ff.
[31] Vgl. Auer s.o., 27, 35.
[32] BVerfG NJW 2023, 3072, 3075; 130, 372, 398; 138, 296, 350; 148, 69, 130; 159, 149, 172.
[33] Lüdemann JuS 2004, 27 (29); Zippelius, in: Starck (Hrsg.), Bundesverfassungsgericht und Grundgesetz, 1976, S. 108 (111).
[34] Auer s.o., 27, 39; Canaris s.o., 141, 152 f; Lüdemann JuS 2004, 27, 29.
[35] Vgl. Hassemer/Neumann/Saliger (Hrsg.) Einführung in die Rechtsphilosophie, 9. Aufl. (2016), 294; Möllers s.o., § 13 Rn. 117.
[36] Kuhlen s.o., 2006, 2 f; Lüdemann JuS 2004, 27, 28 f; Kudlich JZ 2003, 127, 129 f.
[37] Siehe dazu Kudlich JZ 2003, 127, 130 ff.
[38] Zur „Stufentheorie“ des Rechts siehe nur Zippelius s.o., 108, 109.
[39] Binding Die Normen und ihre Übertretung, 2. Aufl. (1890), 96 ff. Vgl. daneben nur Gärditz JZ 71 (2016), 641, 642; Lagodny Strafrecht vor den Schranken der Grundrechte, 1996, 87 ff; Appel KritV 82 (1999), 278, 306.
[40] Ähnl. Kudlich JZ 2003, 127, 128; Kaspar s.o., 42; Greco s.o., 13, 17 mit dem Hinweis, dass eine verfassungskonforme Auslegung v.a. auch eine „verfassungsgerichtskonforme“ Auslegung bedeutet. Zur Präjudizienbindung bei Entscheidungen des BVerfG: § 31 Abs. 2 G, dazu BVerfG NJW 2023, 3072 (3075) mwN.
[41] Auer s.o., 27, 40 ff.
[42] Auer s.o., 27, 40.
[43] Greco s.o., 13, 15; Kuhlen in Stolleis (Hrsg.), Das Bonner Grundgesetz, 2006, 39, 40 f; Kaspar s.o., 2014, 39.
[44] Auer s.o., 27, 36.
[45] Vgl. BVerfG NJW 2023, 3072, 3074 mwN.
[46] Schönke/Schröder-Hecker, 30. Auflage 2019, vor § 1 Rn. 33 f; Auer s.o., 27, 30; Möllers s.o., § 11 Rn. 61. Ähnl. Tiedemann s.o., 1991, 58.
[47] So Hedemann Die Flucht in die Generalklauseln, 1933, 58.
[48] Vgl. Roxin/Greco Strafrecht AT I, 5. Aufl. (2020), § 13.
[49] Zur Straflosigkeit des Suizids BGH NJW 1952, 552 (553).
[50] Vgl. Roxin/Greco Strafrecht AT I, 5. Aufl. (2020), § 11.
[51] Für § 25 StGB vgl.: BT-Drs. IV/650, S. 149. Für § 13 StGB: BVerfG NJW 2003, 1030 f.; NK-StGB/Gaede, 6. Auflage 2023, § 13 Rn. 3.
[52] BGH NJW 2010, 2963, 2966 ff.
[53] BGH NStZ 1997, 182, 184.
[54] BGH NJW 2019, 3092, 3094; NJW 2019, 3089, 3091; NJW 2022, 3021, 3023 f.
[55] Nachweis s.o. Fn. 7.
[56] BVerfGE 153, 182, 261.
[57] BVerfGE 153, 182, 307 f.
[58] BT-Drs. 18/5373, 18.
[59] Eine Neuregulierung der geschäftsmäßigen Sterbehilfe scheiterte 2023 im Bundestag; zu den Vorschlägen BT-Drs. 20/7624, BT-Drs. 20/904.
[60] Auer s.o., 27, 39, 40; Lüdemann JuS 2004, 27, 29; Kaspar s.o., 2014, 527. Vgl. BVerfG NJW 2023, 3072, 3075; ebenso BVerfGE 130, 372, 398; 138, 296, 350; 148, 69, 130; 159, 149, 172.
[61] Vgl. Auer s.o., 27, 44. Zum klassischen Streit zwischen subjektiver und objektiver Auslegung Möllers s.o., § 6 Rn. 61 ff. Die Entscheidung BVerfGE 110, 226, 267 f. zum „Strafverteidiger-Privileg“ bei § 261 StGB ist Beispiel für eine eher objektive Auslegung.
[62] So Lindner NStZ 2020, 505, 507; NK-StGB/Saliger, 6. Auflage 2023, § 216 Rn. 3b; Leitmeier NStZ 2020, 508, 513; Kienzerle Paternalismus im Strafrecht der Sterbehilfe, 2021, 434; Ibold GA 2024, 16 (30).
[63] Zum Nachweis s.o. Fn. 13.
[64] Eine Bindung an den vorkonstitutionell geäußerten Willen des Gesetzgebers besteht nur, wenn er vom nachkonstitutionellen Gesetzgeber durch eine wesentliche Gesetzesänderung oder in sonstiger Weise übernommen wurde, BVerfGE 22, 180, 214 f.; 15, 153, 160; 78, 179, 198 f. Dazu Mangoldt/Klein/Starck/Wolff, 7. Auflage 2018, Art. 123 Rn. 25.
[65] So auch Müller § 216 StGB als Verbot abstrakter Gefährdung, 2010, 195; Ibold GA 2024, 16 (31). A.A. Rostalski/Weiss MedR 41 (2023), 179, 182 Fn. 46.
[66] Ebenso Müller s.o., 196 f. Ähnl. Franzke/Verrel JZ 2022, 1116, 1120.
[67] BGH NJW 2022, 3021, 3022 f.
[68] BGH NJW 2022, 3021, 3022.
[69] U.a. von Duttge GesR 2022, 642, 643; Rostalski/Weiss MedR 41 (2023), 179, 181 ff; Franzke/Verrel JZ 2022, 1116, 1118 f.; zust. hingegen Saliger MedR 41 (2023), 222, 223 f.
[70] Vgl. § 132 Abs. 2 GVG; dazu, dass es keiner Divergenzvorlage bedürfe BGH NJW 2022, 3021, 3022 f.
[71] Für eine „Autonomie“ der Dogmatik des Allgemeinen Teils ebenso Tiedemann, s.o., 59. Zudem näher unter E.
[72] Im Vergleich zur Tatherrschaftslehre jedenfalls lässt sich der subjektiven Theorie der Rechtsprechung allgemein ein erhöhtes Unsicherheitselement vorwerfen, Roxin Strafrecht AT II, 2003, § 25 Rn. 25 f.
[73] Weber Rechtswörterbuch-Werner, 31. Edition 2023, Containern.
[74] AG Fürstenfeldbruck BeckRS 2019, 27260.
[75] BayObLG NStZ-RR 2020, 104.
[76] BVerfG BeckRS 2020, 19650 Rn. 9, 21 (nicht abgedruckt in BVerfG NJW 2020, 2953).
[77] BGH NJW 1954, 1292; NStZ-RR 2000, 234. Vgl. Bülte in Engelhart/Kudlich/Vogel (Hrsg.), FS Sieber, 2022, 183, 193: Straflosigkeit des Containers über das Merkmal der „Zueignungsabsicht“.
[78] BVerfG BeckRS 2020, 19650 Rn. 36 f., 40 ff.
[79] BVerfG BeckRS 2020, 19650 Rn. 24 f.
[80] Kaspar s.o., 77; Alexy Theorie der Grundrechte, 5. Aufl. (2006), 265; a.A.: Starck JZ 48 (1993), 816, 817.
[81] Vgl. BVerfG BeckRS 2020, 19650 Rn. 48.
[82] Grundsätzlich BVerfGE 1, 418 (421); 18, 85 (92 f.) – sog. Heck`sche Formel. Im Strafrecht bzw. Strafprozessrecht: BVerfG NStZ 2004, 160; 122, 248, 257; BVerfG BeckRS 2020, 19650.
[83] StRspr: BVerfGE 18, 85, 92; 97 391, 401.
[84] Vgl. Canaris s.o., 141, 146.
[85] Zur Rechtsfortbildungsbefugnis oben Fn. 15.
[86] Auch hier gilt: Je extensiver das Verständnis des BVerfG von spezifischem Verfassungsrecht, desto eher kann es die Auslegung und Anwendung des einfachen Rechts überprüfen und desto weniger autonom ist das einfache Recht, Möllers s.o., § 13 Rn. 117. Zur Kritik: Sondervotum Grimm BVerfGE 8, 137, 164 ff.
[87] Vgl. Möllers s.o., § 3 Rn. 34 ff.
[88] Nachweis s.o. Fn. 42.
[89] Zur Bedeutung einer eigenständigen Weiterentwicklung des einfachen Rechts Greco s.o., 13, 31 ff.