Elektronisch überwachter Hausarrest sollte in unserem Sanktionensystem als weitere Hauptstrafe etabliert werden. Anders als bei der Freiheitsstrafe wird der Straftäter nicht aus seinen sozialen Bezügen gerissen und anders als bei der Geldstrafe ist die Höchstpersönlichkeit der Strafwirkung gewährleistet. Im Blick behalten werden muss aber, dass der Hausarrest keineswegs eine kostengünstige Sanktionsart wäre und dass bestimmte Straftäter von vornherein aus dem Anwendungsbereich ausscheiden würden.
A. Einleitung
Unser Sanktionensystem ist wenigstens im Erwachsenenstrafrecht ausgesprochen gestaltungsarm. Als Hauptstrafen stehen nur die Geld- und die Freiheitsstrafe zur Verfügung. Die elektronische Fußfessel in Form eines elektronisch überwachten Hausarrestes könnte eine echte Alternative bzw. Ergänzung zu diesen herkömmlichen Sanktionen darstellen. Sie reißt den Straftäter anders als die Freiheitsstrafe nicht aus seinen sozialen Bezügen und kann im Gegensatz zur Geldstrafe mit spezialpräventiven Behandlungsmaßnahmen wie Therapieangeboten kombiniert werden. Im Folgenden wird ein Überblick über die aktuelle Ausgestaltung unseres Sanktionensystems gegeben, werden kurz weitere mögliche
Hauptstrafen – konkret das Fahrverbot und die gemeinnützige Arbeit – vorgestellt und es wird insbesondere auf die Chancen und Risiken des elektronisch überwachten Hausarrestes als Kriminalstrafe eingegangen werden.
B. Aktuelle Gesetzeslage
Mit der elektronischen Fußfessel als Sanktion sammelt man in Nordamerika schon seit Mitte der 1980er Jahre Erfahrungen.[1] In Deutschland dauert die Diskussion um das Instrument zwar schon lange an, der Gesetzgeber agiert aber bislang zögerlich.[2] Das europäische Ausland ist hier teilweise viel weiter,[3] bspw. Österreich verfügt inzwischen über mehr als 13 Jahre Erfahrung mit dem elektronisch überwachten Hausarrest als Vollzugsform.[4] Hierzulande wurde 2011 die Möglichkeit einer Elektronischen Aufenthaltsüberwachung als neue Weisung im Rahmen der Führungsaufsicht gem. § 68b I S. 1 Nr. 12 StGB auf Bundesebene eingeführt.[5] Dies geschah in erster Linie als Reaktion auf ein Urteil des EGMR, das zur Folge hatte, dass als gefährlich eingestufte Straftäter kurzfristig aus der Sicherungsverwahrung entlassen werden mussten.[6] Die ambulante Maßregel der Führungsaufsicht sollte mit Hilfe einer elektronischen Kontrolle die befürchteten Sicherheitslücken schließen und auch helfen, das „scharfe Schwert“ der Sicherungsverwahrung grundsätzlich zu
vermeiden.[7] Elektronische Aufenthaltsüberwachung ist außerdem in § 56 BKAG und § 56a AufenthG gesetzlich geregelt; hier geht es jeweils darum, die Gesellschaft präventiv vor terroristischen Gefährdern bzw. vor im Inland lebenden als gefährlich eingestuften Ausländern zu schützen. Zudem gibt es die Möglichkeit der Elektronischen Aufenthaltsüberwachung inzwischen auch in den Polizeigesetzen der Länder (z.B. § 32 PolG BW, § 34c PolG NRW, § 17c NPOG, § 201b LVwG, Art. 34 BayPAG).
Auf Länderebene praktiziert Hessen seit 2000 in Frankfurt und seit 2007 flächendeckend eine Elektronische Präsenzkontrolle, die der Vermeidung von Haftverbüßungen dienen soll.[8] Diese kann sowohl im Rahmen der §§ 56, 56c StGB als Bewährungsweisung als auch der Reststrafaussetzung sowie der Freistellung aus der Haft zur Entlassungsvorbereitung (vgl. § 16 III Hessisches StrafvollzG) und als milderes Mittel anstelle von Untersuchungshaft (vgl. § 116 I S. 1 StPO) zum Einsatz kommen.[9] Ein aktuelles Evaluationsprojekt läuft seit dem 1.2.2023 bei der Kriminologischen Zentralstelle (KrimZ); Ergebnisse sind erst 2026 zu erwarten.[10] In Baden-Württemberg wurde ab 2009 die elektronische Überwachung bei vollzugsöffnenden Maßnahmen wie dem Freigang, als Weisung im Rahmen einer Bewährungsstrafe, aber auch zur Vermeidung von Ersatzfreiheitsstrafen erprobt.[11] Zum Teilnehmerkreis der Studie zählten u.a. Straftäter mit einem niedrigen Risikoprofil, die etwa Verkehrsdelikte, leichtere Gewaltstraftaten und Betrugsdelikte begangen hatten. Im Jahr 2013 wurde der Modellversuch nach einer negativen Evaluation eingestellt; vor allem die Zahl der (freiwilligen) Teilnehmer war – im Unterschied zu den Kosten – hinter den Erwartungen zurückgeblieben.[12] Bei
der Rückfalluntersuchung, die mittels einer Auswertung des Bundeszentralregisters erfolgte, wurde kein Einfluss der Fußfessel auf die Rückfallquote festgestellt.[13] Mit der elektronischen Fußfessel als eigenständige Kriminalstrafe gibt es dagegen in Deutschland keine Erfahrungen, obwohl gerade hier das eigentliche Potential des Instrumentes liegen könnte.
C. Begriff der elektronischen Fußfessel
Der Begriff der „elektronischen Fußfessel“ wurde zwar lange als zu martialisch gescholten, hat sich aber inzwischen durchgesetzt,[14] obwohl er nicht ganz eindeutig ist. Grundsätzlich gilt es zwischen der Elektronischen Aufenthaltsüberwachung (EAÜ) und einer Elektronischen Präsenzkontrolle (EPK) zu unterscheiden. In der Diskussion wird hier oft nicht exakt differenziert, obwohl diese Maßnahmen hinsichtlich ihrer Eingriffsart und -intensität erheblich divergieren. Zwar geht es jeweils darum, dass einem Betroffenen aufgegeben wird, sich mittels einem an seinem Fußgelenk angebrachten Funkgeräts elektronisch überwachen zu lassen,[15] doch die Überwachung erfolgt gänzlich unterschiedlich. Bei der klassischen Aufenthaltsüberwachung erfolgt diese satellitengestützte Kontrolle mittels Global Positioning System (GPS).[16] Dem Probanden wird eine große Fortbewegungsfreiheit zugestanden, er wird aber ständig mit dem Ergebnis eines kompletten Bewegungsprofils überwacht und muss klare Gebots- sowie Verbotszonen beachten, wie z.B. Spielplätze im Fall eines pädophilen Sexualstraftäters.
Bei dem großen hessischen Modellversuch mit Schwerpunkt Bewährungsweisung steht dagegen in der Wohnung des Betroffenen ein Empfängergerät, das per Telefonleitung mit einer Datenzentrale verbunden ist (Radiofrequenztechnik); der Sender schickt in kurzen Abständen Signale an das Empfängergerät. Außerhalb der Wohnung findet dagegen keine Überwachung statt. Sollte der Proband von den mit ihm
vereinbarten An- und Abwesenheitszeiten abweichen – er darf bspw. die Wohnung zur Arbeit, für Fortbildung, Therapie oder eine Freizeitaktivität verlassen – erfolgt über die Datenzentrale eine Meldung an die Bewährungshilfe und diese kann intervenieren.[17] Je nach technischer Umsetzung eines elektronisch überwachten Hausarrestes wäre eine solche Kriminalstrafe demnach unterschiedlich eingriffsintensiv; hierauf wird zurückzukommen sein. Zuerst sollen aber die derzeitigen Hauptstrafen danach beurteilt werden, ob es überhaupt alternativer Sanktionsformen bedarf.
D. Die Hauptstrafen im Überblick
I. Freiheitsstrafe
Die Freiheitsstrafe war früher die klassische Hauptstrafe. Doch diese Funktion hat hierzulande schon lange die Geldstrafe übernommen, obwohl nach wie vor kein Straftatbestand auf die Androhung einer Freiheitsstrafe gänzlich verzichtet. Sie deckt das ganze Spektrum der Strafzwecke ab.[18] Ihr größter Vorteil mag ihre höchstpersönliche Strafwirkung und ihre spezial- bzw. generalpräventive Bedeutsamkeit u.a. im Sinne von Resozialisierung, Abschreckung und Normbestätigung sein. Anders als bei der Geldstrafe ist nicht zu befürchten, dass andere für den verurteilten Straftäter die Strafe begleichen. Im Strafvollzug soll – jedenfalls theoretisch – durch gezielte Behandlungsmaßnahmen der Gefangene befähigt werden, „künftig in sozialer Verantwortung ein Leben ohne Straftaten zu führen“ (§ 2 StVollzG). Allerdings kommt die Sanktion auch nicht nur bei dem Delinquenten an, sondern sie kann erhebliche Belastungen für Angehörige mit sich bringen. Im Fall einer vollstreckten Freiheitsstrafe kann eine Familie wenigstens vorübergehend ihr komplettes Einkommen verlieren, sofern der verurteilte Straftäter der Hauptversorger war. Um den Kontakt mit den Angehörigen aufrechtzuerhalten, ist man auf wenige Besuchsstunden beschränkt, sofern der Gefangene nicht in den Genuss von Vollzugslockerungen wie Urlaub kommt.[19] Viele Beziehungen zerbrechen an dieser Situation. Das heißt, Strafvollzug kappt
Familienbande und hat eine entsozialisierende sowie stark stigmatisierende Wirkung, obwohl seine Hauptaufgabe doch die Resozialisierung des Straftäters ist.
Strafvollzug ist außerdem teuer. Ein Hafttag kostet die Gesellschaft wenigstens 180 €, auch wenn die Angaben hierzu in den einzelnen Bundesländern divergieren.[20] In dieser Summe sind die Einnahmen bereits berücksichtigt, die die Gefangenen durch ihre Arbeit erwirtschaften. Die Kosten werden daher weiter deutlich ansteigen, denn erst kürzlich hat das BVerfG auf die Verfassungsbeschwerde zweier Betroffener hin richtigerweise entschieden, dass das Arbeitsentgelt für Strafgefangene aktuell zu niedrig ist, um einen Beitrag zu deren Resozialisierung zu leisten. Die Länder sind aufgefordert, die Gefangenenvergütung bis 2025 auf ein „angemessenes“ Niveau anzuheben.[21]
Die Effizienz der Freiheitsstrafe lässt sich am besten mit einem Blick auf die Rückfallquote beurteilen. Nach der großen Rückfallstudie des Bundesministeriums für Justiz „Legalbewährung nach strafrechtlichen Sanktionen“, im Rahmen derer zuletzt im Februar 2021 neue Ergebnisse präsentiert wurden, wird jeder dritte zu einer Kriminalstrafe verurteilte Straftäter (34 %) innerhalb von drei Jahren nach seiner Verurteilung bzw. im Fall einer nicht zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe nach seiner Entlassung rückfällig.[22] Allerdings unterscheidet sich diese allgemeine Rückfallquote sehr deutlich im Hinblick auf die ursprüngliche Sanktionsentscheidung. So hat ein zu einer Geldstrafe verurteilter Straftäter eine Rückfallquote von 31 % im Unterschied zu 47 % im Fall des Täters, dessen Freiheitsstrafe nicht zur Bewährung ausgesetzt wurde.
Dieses Ergebnis stellt demnach der Freiheitsstrafe unter spezialpräventiven Aspekten ein schlechtes Zeugnis aus. Allerdings ist eine zurückhaltende Interpretation angebracht: Die vollstreckbare Freiheitsstrafe hat wegen der besonders häufigen Anwendung auf Täter mit negativer Prognose von vornherein die größte Wahrscheinlichkeit einer hohen Rückfallquote. Selektionseffekte beeinflussen somit die Ergebnisse.[23] Viele
Delikte lassen erst gar nicht die Wahl zwischen Freiheits- und Geldstrafe zu, bzw. die Schuld des Täters lag nicht in einem Bereich, in dem die Verhängung einer Geldstrafe noch gerechtfertigt gewesen wäre. Dennoch war es richtig vom Gesetzgeber, schon wegen der ambivalenten Wirkung einer Freiheitsstrafe, mit § 47 StGB eine Präferenzregel in Grenzbereichen zugunsten der Geldstrafe vorzugeben.[24]
II. Geldstrafe
Der Siegeszug der Geldstrafe hält seit vielen Jahren an; sie ist mit Abstand die quantitativ bedeutsamste Kriminalstrafe. 2021 lag ihr Anteil an allen Verurteilungen bei 85 %.[25] Das Strafübel besteht in einem Entzug der Geldmittel und dem daraus folgenden zeitweiligen Verzicht auf Konsum und Bedürfnisbefriedigung. Sie wirkt in erster Linie als Denkzettel, denn anders als bei der Freiheitsstrafe finden keinerlei Maßnahmen zur Resozialisierung statt. Ein Nachteil dieser Sanktion ist zudem die fehlende Höchstpersönlichkeit der Strafwirkung.[26] Von Vorteil ist dagegen ihre einfache Handhabung und der Umstand, dass der verurteilte Straftäter nicht aus seinen sozialen Bezügen gerissen wird. Er verursacht keine Kosten, sondern dem Staat fließen sogar noch Gelder zu. Außerdem versucht man Gerechtigkeit durch das am Nettoeinkommen orientierte Tagessatzsystem herbeizuführen. Dennoch trifft eine Geldstrafe mit geringer Tagessatzhöhe den Geringverdiener ohne Rücklagen härter als einen solventen Täter eine hohe Summe. Auf die enormen Schwierigkeiten mit der Beitreibung der Geldstrafe und die im Fall einer Uneinbringlichkeit drohende Ersatzfreiheitsstrafe wird noch eingegangen werden. Wie bereits dargestellt ist die Wiederverurteilungsquote nach einer Geldstrafe aber deutlich geringer als nach einer Freiheitsstrafe. Dennoch bleibt festzuhalten, dass die Erfolgsbilanz beider Kriminalstrafen nicht so beeindruckend ist, als dass man nicht über Ergänzungen nachdenken sollte.
E. Überblick über alternative Hauptstrafe
I. Fahrverbot
Lange hatte man erwogen, das Fahrverbot gem. § 44 StGB – nach dem Wegfall der Vermögensstrafe die letzte verbliebene Nebenstrafe – zur Hauptstrafe „upzugraden“.[27] Das Fahrverbot hätte dem Gericht dann insbesondere als Alternative zur Geldstrafe oder zu einer kurzen Freiheitsstrafe zur Verfügung gestanden. Die Idee war von der Erkenntnis getragen, dass manche Straftäter mit den herkömmlichen Kriminalstrafen nicht spezialpräventiv erreicht werden können. Im Blick hatte man wohlhabende, aber auch junge Straftäter wie z.B. Hooligans, bei denen die Motorisierung jeweils einen besonderen Stellenwert hat. Man hat diesen Ansatz jedoch auch aufgrund verfassungsrechtlicher Bedenken – namentlich dem Gleichheitsgrundsatz gem. Art. 3 I GG – verworfen, aber 2017 den vorher zwingend notwendigen Straßenverkehrsbezug der zur Last gelegten Straftat gelockert, so dass der Anwendungsbereich dieser Nebenstrafe deutlich erweitert wurde.[28] Die Gerichte machen von dieser Möglichkeit großzügig Gebrauch; immerhin 20 % aller Fahrverbote werden inzwischen für Straftaten ohne Straßenverkehrsbezug angeordnet.[29]
II. Gemeinnützige Arbeit
Die gesellschaftliche Akzeptanz für gemeinnützige Arbeit als echte Kriminalstrafe wäre vermutlich groß, auch wenn man Zweifel an der Sanktionswirkung haben könnte. In zahlreichen europäischen Ländern wurde dieses Konzept jedenfalls mit teils guten Erfahrungen bereits umgesetzt.[30] Der Straftäter verursacht – anders als im Strafvollzug – keine Kosten, sondern trägt durch seine Arbeitsleistung sogar etwas zum Gemeinwohl bei. Sein Arbeitseinsatz hätte hohe Symbolkraft und könnte den Rechtsfrieden wiederherstellen. Zudem würde der nicht
zahlungskräftige Straftäter nicht durch Zahlung einer Geldstrafe überfordert werden.
Hält man sich indes die Schwierigkeiten vor Augen, die man schon mit der Vermeidung der Ersatzfreiheitsstrafe gem. § 43 StGB hat, ist davon auszugehen, dass der – dennoch verfolgenswerte – Vorschlag nicht einfach in der Umsetzung sein würde und dass eine solche Hauptstrafe auch mehr Kosten verursachen würde als gemeinhin angenommen wird. Arbeit-statt-Strafe (oder „Schwitzen statt Sitzen“)-Programme zur Haftvermeidung gibt es schon lange. Jedes Bundesland macht von dieser Möglichkeit über Art. 293 EGStGB in unterschiedlicher Art und Weise Gebrauch. Mit diesen Projekten soll erreicht werden, dass zu einer Geldstrafe verurteilte Straftäter – überwiegend sind es Ladendiebe und Schwarzfahrer[31] – nicht doch noch im Strafvollzug landen, weil sie die Strafe trotz grundsätzlich durchaus großzügig gewährter Zahlungserleichterungen (vgl. § 42 StGB) nicht bezahlen (können). Tatsächlich hat man es hier oft mit isolierten Menschen mit multikomplexen Problemlagen zu tun, die schon lange keine Behördenpost mehr öffnen, und engmaschig und damit kostenintensiv betreut werden müssen. Zwar können mit den Programmen viele Hafttage vermieden werden.[32] Eine höhere Erfolgsquote scheitert aber an der Überforderung und den Verständnisschwierigkeiten der von Ersatzfreiheitsstrafe betroffenen Straftäter.[33] Inzwischen ist bei den Entscheidungsträgern angekommen, dass man aktiv auf diese Personengruppe zugehen muss. Die ersten Bundesländer haben begonnen, diese Erkenntnis mit Hausbesuchen und Info-Material in verschiedenen Fremdsprachen umzusetzen.[34] Ähnliche Probleme wären auch bei der gemeinnützigen Arbeit zu erwarten.
F. Elektronisch überwachter Hausarrest als Hauptstrafe
I. Ausgestaltung
Elektronisch überwachter Hausarrest wäre eine freiheitsentziehende Kriminalstrafe, die dem betroffenen Straftäter auferlegt, sich überwiegend in seiner Wohnung aufzuhalten und diese nur zu bestimmten Zeiten verlassen zu dürfen.[35] Die Fortbewegungsfreiheit des Arrestanten wird also weitgehend auf die Wohnung und den Arbeitsplatz beschränkt; der Sanktionscharakter der Strafe ist daher unzweifelhaft gegeben. Wochenpläne mit einer strikten Tageseinteilung sollen den Straftäter Strukturen leben und damit erlernen lassen. Dies unterscheidet Hausarrest nicht von Strafvollzug, sondern ist Kern auch dieser Sanktion. Doch anders als die stationäre Unterbringung bedeutet Hausarrest Haftvermeidung. Der Straftäter würde nicht aus seinen sozialen Bezügen gerissen und könnte sogar seinen Arbeitsplatz erhalten. Stigmatisierung findet jedenfalls nicht in dem Umfang wie im Fall des Strafvollzugs statt. Der Straftäter behält die Eigenverantwortung für sein Leben. Die Gefahr „krimineller Ansteckung“ und Subkulturbildung würde eliminiert werden, denn man käme nicht in Kontakt mit anderen Gefangenen. Allein durch diese Vermeidung negativer Vollzugsfolgen würde schon eine bedeutsame spezialpräventive Wirkung erzielt werden. Zudem müssten dem Straftäter auch im Hausarrest spezifische Behandlungsangebote unterbreitet werden (hierzu sogleich unter III.).
Hausarrest wäre auch bei gesundheitlich eingeschränkten Tätern mit besonderen Anforderungen an eine Unterbringung oder Tätern bestimmter Straftaten von Vorteil, die in den Justizvollzugsanstalten besonderer Diskriminierung ausgesetzt wären und dort nicht immer den Schutz erhalten, den sie bräuchten. Zudem würden teure Hafttage vermieden[36] und die trotz sinkender Gefangenenzahlen nach wie vor teilweise überbelegten Anstalten würden spürbar entlastet werden. Da sich ambulante Therapieangebote effektiver als im Vollzug durchgeführte Maßnahmen
erwiesen haben, könnte zudem mit größerer rückfallverhindernder Wirkung auf den Straftäter eingewirkt werden.[37]
II. Anwendungsbereich
Elektronischer Hausarrest muss nicht zwingend auf leichte bis mittelschwere Kriminalität beschränkt sein. Doch vor allem mit Rücksicht auf die mit dem Betroffenen zusammenlebenden Angehörigen ist es sinnvoll, eine Obergrenze von maximal einem Jahr zu setzen.[38] Das bedeutet, diese Kriminalstrafe würde zumeist anstelle kürzerer Freiheitsstrafen treten. Man könnte sich aber auch durchaus vorstellen, Hausarrest in Einzelfällen anstatt einer Geldstrafe anzuordnen, um gezielter auf einen Straftäter einwirken zu können. Im Blick muss aber behalten werden, dass diese Kriminalstrafe nicht zu einem net-widening-Effekt gerade im Bereich kurzer Freiheitsstrafen führen darf, sondern tatsächlich Haftvermeidung bewirken soll. Die Sanktion sollte nicht auf Ersttäter beschränkt sein, aber auf Täter mit Vollzugserfahrung wird man mit dem Hausarrest als Kriminalstrafe nur noch schwerlich spezialpräventive Effekte erzielen können. Da die Überwachung des Täters nicht so engmaschig wie im Strafvollzug erfolgen kann, müssten außerdem Straftäter mit schlechter Prognose, solche mit einer akuten Suchtproblematik und solche besonders sicherheitsrelevanter Delikte von vornherein ausgenommen werden. Auch wäre es kontraproduktiv, dass ein Täter häuslicher Gewalt einen Hausarrest im Familienkreis verbüßen muss.
Da in dem hier unterbreiteten Vorschlag der elektronisch überwachte Hausarrest eine eigenständige Funktion hat und als dritte Hauptstrafe neben die Geld- und Freiheitsstrafe treten würde, spräche man von einer Frontdoor-Variante, da der Hausarrest den Strafvollzug komplett ersetzt und originär vom Tatgericht verhängt wird. Bei einer Backdoor-Variante würde die Freiheitsstrafe zunächst in einer Justizvollzugsanstalt angetreten und danach im Hausarrest abgeschlossen werden (Vollzugslösung).[39] Das heißt, Hausarrest wäre eine besonders weitreichende Vollzugslockerung und die Entscheidung fiele in den Verantwortungsbereich
der Anstalt. Beide Varianten schließen sich aber nicht aus, sondern könnten nebeneinander umgesetzt werden.
III. Rahmenbedingungen
Der zu einem Hausarrest verurteilte Straftäter muss zuvörderst über eine geeignete Unterkunft und über stabile soziale Verhältnisse verfügen. Der Straftäter muss genügend Selbstdisziplin aufweisen, um ein ihm vorgegebenes starres Zeitschema eigenverantwortlich befolgen zu können. Sinnvoll erscheint die Strafe zudem nur, wenn erwachsene Mitbewohner grundsätzlich damit einverstanden sind. Das heißt, das Tatgericht müsste eine Art Stimmungsbild einholen. Zu weitgehend wäre es aber, die Sanktion von einer echten Einwilligung der Angehörigen oder des Verurteilten abhängig zu machen. Dies widerspräche der Struktur unseres Sanktionensystems.[40] Dieses konsensuale Element wird indes in der Diskussion überschätzt, denn auch die bisherigen Hauptstrafen gehen nicht spurlos an den Angehörigen vorüber, aber niemand käme auf die Idee, ihre Erlaubnis vor der Anordnung einzuholen.
Hausarrest dürfte vergleichbar dem Strafvollzug nicht zu einer reinen Verwahrsanktion werden. Dies wäre menschenunwürdig, denn das verfassungsrechtlich gebotene Prinzip der Resozialisierung würde verletzt.[41] Man kann einen Täter nicht bessern, indem man ihn 24 Stunden in seine Wohnung einsperrt. Um gezielter spezialpräventiv auf einen Täter einwirken zu können, müsste die Sanktion daher zwingend mit Behandlungsmaßnahmen kombiniert werden. Denkbar sind z.B. Anti-Aggressions-Trainings, Familien-, Schuldner- oder Suchtberatung. Auch wenn in manchen Bundesländern Strafgefangene nicht mehr zur Arbeit verpflichtet werden, ist im Fall des Hausarrests außerdem eine grundsätzliche Arbeits- oder Ausbildungspflicht unabdingbar. Das bedeutet, eine weitere Voraussetzung der Sanktion ist, dass der Straftäter zum Zeitpunkt der Urteilsverkündung wenigstens die konkrete Perspektive
einer sinnvollen Tätigkeit hat.[42] Nicht überzeugend ist der diesbezügliche Einwand, dass man daher die Sanktionierung von den gegenwärtigen Lebensverhältnissen eines Beschuldigten abhängig machen würde und dies ein Verstoß gegen das Schuldprinzip sei.[43] Vielmehr spielen die persönlichen Verhältnisse des Täters bei der Strafzumessung gem. § 46 StGB immer eine wichtige Rolle und beeinflussen die Sanktionenwahl. Eine Strafzumessungsschuld ist eben nicht eine Strafbegründungsschuld, sondern fußt auf einer weiter ausgreifenden Wertungsbasis.[44]
In einem gesonderten Beschluss müsste jeweils festgelegt werden, zu welchen Zeiten der verurteilte Straftäter die Wohnung verlassen darf, um seiner Erwerbstätigkeit nachzugehen, Therapiestunden oder Termine bei der Schuldnerberatung etc. wahrzunehmen oder auch nur um notwendige Einkäufe zu erledigen. Wie diese Vorgaben dann überwacht werden, ist Sache des Gesetzgebers (hierzu gleich). Wichtig wäre es auch, den Hausarrest mit einem Abstinenzverbot zu koppeln, falls sich Alkohol im konkreten Fall als kriminogener Faktor erwiesen hat. Technisch wäre sogar eine Alkohol-Fernkontrolle möglich.[45]
Doch genauso wichtig wie eine elektronische Überwachung ist die psychosoziale Betreuung des Täters. Der elektronische Hausarrest darf nicht isoliert angeordnet werden, vielmehr haben regelmäßige Besuche durch geeignete Personen zwingend zu erfolgen. Es ist dann aber davon auszugehen, dass sich diese Art von Unterstützung sogar als gewinnbringender für den Probanden erweist, als dies die rudimentäre soziale Betreuung im Vollzug derzeit leisten kann. Sinnvoll erscheint es, diese Aufgaben der Bewährungshilfe als neuen Zuständigkeitsbereich zuzuordnen, da diese bereits über die entsprechende Erfahrung im Umgang mit Straftätern verfügt.
Nicht ganz einfach ist die Frage zu beantworten, wie bei Verstößen gegen Auflagen und Weisungen zu reagieren ist. Schließlich wurde der Täter nicht zu einer Freiheitsstrafe verurteilt und es würde ihm kein Bewährungswiderruf drohen. Dies ist daher auch eines der Hauptargumente, das gegen die Einführung dieser Strafe angeführt wird.[46] Doch vergleichbar mit einer uneinbringlichen Geldstrafe könnte man in Fällen eines misslungenen Hausarrestes die Möglichkeit einer Ersatzfreiheitsstrafe in Betracht ziehen.
IV. Technische Umsetzung
Die Überwachung des Verurteilten würde vorrangig elektronisch erfolgen. Da der Straftäter – wie dargestellt – eine Arbeitspflicht hat und tagsüber regelmäßig außer Haus sein wird, erscheint eine flächendeckende Überwachung mittels GPS im Sinne einer Elektronischen Aufenthaltsüberwachung und nicht nur einer Elektronischen Präsenzkontrolle unter Sicherheitsaspekten sinnvoller. Die erforderliche Infrastruktur wäre, nicht zuletzt als praktische Folge aus der Einfügung der Nr. 12 in § 68b Abs. 1 S. 1 StGB, wohl gegeben.[47]
V. Verfassungsmäßige Bedenken
Die verfassungsmäßigen Bedenken gegen die elektronische Fußfessel sind durchaus schwerwiegend. Die verwendeten elektronischen Apparate mögen zwar inzwischen klein genug sein, um die Überwachung dezent durchführen zu können. Dennoch handelt es sich hierbei um einen erheblichen Grundrechtseingriff, wie das BVerfG zuletzt im Rahmen der Führungsaufsicht festgestellt hat.[48] Dem Überwachungsmittel wurde aber seine Verfassungsmäßigkeit aufgrund der strengen und komplexen Voraussetzungen des § 68b I S. 1 Nr. 12, S. 3 iVm § 463a IV StPO attestiert; demnach greife es weder in den Kernbereich privater Lebensgestaltung
ein, noch führe es zu einer mit der Menschenwürde unvereinbaren „Rundumüberwachung“. Dem Gesetzgeber wurde allerdings aufgegeben, die spezialpräventiven Wirkungen der Maßnahme und die technischen Rahmenbedingungen empirisch zu beobachten und die aktuelle Regelung gegebenenfalls nachzubessern. Da die Entscheidung aber eine rein präventiv wirkende auf der zweiten Spur des Sanktionenrechts angesiedelte Maßregel der Besserung und Sicherung betraf, ist im Umkehrschluss zu folgern, dass eine Verfassungsmäßigkeit erst recht bei einer Kriminalstrafe mit Vergeltungscharakter angenommen werden kann. Das heißt, es kommt hier auch nicht auf den Streit an, ob Hausarrest originär Freiheitsentziehung und damit ein Strafübel ist.[49] Dies kann unterstellt werden. Diese Überlegungen wären bspw. im Fall von elektronisch überwachtem Hausarrest als Bewährungsweisung gem. § 56c StGB von Belang, denn deren ausschließliches Ziel darf die Hilfe für das künftig straffreie Leben eines Verurteilten sein.
G. Fazit
Der elektronisch überwachte Hausarrest als Kriminalstrafe hat das Potential spezialpräventiv auf einen Straftäter einzuwirken, ohne dass es zu den nachteiligen Folgen des Strafvollzugs kommt. Allerdings muss ein Straftäter gewisse Mindestanforderungen wie das Vorhandensein einer festen Wohnanschrift und eines Arbeitsplatzes erfüllen, so dass sich nicht jeder für diese Sanktion eignen wird und ihr Anwendungsbereich letztlich klein sein würde. Man könnte daher eine Zwei-Klassen-Justiz befürchten und sich aus Gerechtigkeitsgründen auf den Standpunkt stellen, dass man es bei der bislang praktizierten Phantasielosigkeit bei den Kriminalstrafen im StGB belassen sollte. Dennoch gibt es Straftäter, die genau auf das „Anforderungsprofil“ des elektronischen Hausarrestes passen und diesen sollte diese im Hinblick auf eine erfolgreiche Resozialisierung bestmögliche Behandlung zuteilwerden. Wer indes Haftvermeidung nur aus Ersparnisgründen betreiben will, muss erkennen, dass Hausarrest als Hauptstrafe zusätzlich eine engmaschige und damit kostenintensive psychosoziale Betreuung des Verurteilten verlangt.
Die Autorin ist außerplanmäßige Professorin am Institut für Strafrecht, Strafprozessrecht und Kriminologie der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg.
[1] Zur Geschichte dieser Maßnahme Wittstamm, Elektronischer Hausarrest? Zur Anwendbarkeit eines Sanktionsmodells in Deutschland, 1999, S. 31 ff., wonach ein Bezirksrichter Anfang der 1980er Jahre durch die Comic-Serie „Spider-Man“ des Marvel Verlags auf die Idee einer elektronischen Aufenthaltskontrolle gebracht wurde. Schon 1969 hatte sich der Harvard-Professor für Psychiatrie Schwitzgebel ein Gerät zur Aufenthaltskontrolle von Psychiatriepatienten und Straftätern patentieren lassen, das aber in der Praxis nicht zur Anwendung kam.
[2] Schon 1997 beschloss die Justizministerkonferenz durch Änderung des Strafvollzugsgesetzes den elektronisch überwachten Hausarrest als Modellversuch anstelle von kurzer Freiheitsstrafe einzusetzen, vgl. Dahs NJW 1999, 3469; Krahl NStZ 1997, 457. In diesem Jahr brachte das Land Berlin zudem einen Gesetzesantrag ein, der den Ländern die Möglichkeit geben sollte, den elektronisch überwachten Hausarrest als Form der Vollzugslockerung zu erproben, vgl. BR-Drs. 698/97. Beide Initiativen verliefen im Sande, vgl. Wiegand der moderne Staat (dms) 2023, 166, 172.
[3] Vgl. Dünkel/Thiele/Treig (Hrsg.), Elektronische Überwachung von Straffälligen im europäischen Vergleich – Bestandsaufnahme und Perspektiven, 2017.
[4] Hochmayr NStZ 2013, 13, 16 ff.; ZIS 2012, 537; Auer/Bartsch/Isenhardt/Lehmann SIAK-Journal 2021, 58. Auf der behördenübergreifenden Plattform oesterreich.gv kann man die Voraussetzungen einsehen und auch Anträge stellen, https://www.oesterreich.gv.at/themen/dokumente_und_recht/strafrecht/7/1/Seite.2460312.html.
[5] Baur/Kinzig (Hrsg.), Die reformierte Führungsaufsicht. Ergebnisse einer bundesweiten Evaluation, 2015; vgl. auch Kaiser, Auf Schritt und Tritt – die elektronische Aufenthaltsüberwachung. Entwicklung, Rechtsgrundlagen, Verfassungsmäßigkeit, 2016.
[6] EGMR NStZ 2010, 263. Hintergrund der Entscheidung war, dass der deutsche Gesetzgeber die absolute Höchstfrist der Unterbringungsdauer von 10 Jahren in der Sicherungsverwahrung strich und die neue Rechtslage auch auf Altfälle anwendete. Dies war ein Verstoß gegen Art. 5 I und 7 I EMRK.
[7] Bräuchle, Die elektronische Aufenthaltsüberwachung gefährlicher Straftäter im Rahmen der Führungsaufsicht, Eine Studie zur Rechtsdogmatik und Rechtswirklichkeit, 2016; Bräuchle/Kinzig, Rechtspolitische Perspektiven der elektronischen Aufenthaltsüberwachung, 2017; Dessecker BewH 2007, 276.
[8] Albrecht/Arnold/Schädler ZRP 2000, 466.
[9] Fünfsinn, in Müller/Sander/Valkova (Hrsg.), FS Eisenberg, 2009, 691; Mayer, Modellprojekt elektronische Fußfessel, 2004. Vgl. auch Infoblatt des Hessischen Ministerium der Justiz (Stand Juni 2021), online verfügbar unter: https://justizministerium.hessen.de/sites/justizministerium.hessen.de/files/2021-08/infoblatt_eaue_juni_2021_bf.pdf.
[10] Vgl. https://www.krimz.de/forschung/elektronische-praesenzkontrolle.html. Doch die bisherigen Ergebnisse sind durchaus ermutigend, vgl. Fünfsinn, FS Eisenberg, 691, 700 ff.
[11] Das Gesetz über elektronische Aufsicht im Vollzug der Freiheitsstrafe (EAStVollzG) war bis 2013 in Kraft. Vgl. Schwedler/Wößner, Elektronische Aufsicht bei vollzugsöffnenden Maßnahmen – Implementation. Akzeptanz und psychosoziale Effekte des baden-württembergischen Modellprojekts, 2015; Meuer, Legalbewährung nach elektronischer Aufsicht im Vollzug der Freiheitsstrafe, 2019.
[12] Vgl. Legal Tribune Online v. 22.5.2013, online verfügbar unter: https://www.lto.de/recht/nachrichten/n/fussfessel-versuch-beendet-baden-wuerttemberg-stickelberger/.
[13] Vgl. Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts v. 26.3.2018, online verfügbar unter: https://www.mpg.de/11984921/fussfessel-rueckfallquote.
[14] Selbst das BVerfG verwendet in einer aktuellen Entscheidung schon im ersten Leitsatz diesen Begriff, vgl. NStZ 2021, 348 = BVerfGE 156, 63.
[15] Dies beinhaltet auch die Pflicht, das derzeit noch etwa 180g schwere Gerät in betriebsbereitem Zustand zu halten. Die anfänglichen technischen Probleme mit vielen Fehlalarmen und sehr langen Ladezeiten scheinen inzwischen behoben zu sein, vgl. Bräuchle/Kinzig, Die elektronische Aufenthaltsüberwachung im Rahmen der Führungsaufsicht, 2016, S. 12.
[16] Technische Beschreibung bei Fünfsinn, in Fahl/Müller/Satzger/Swoboda (Hrsg.), FS Beulke, 2015, 1129, 1132 f. und 1135 f.
[17] Albrecht/Arnold/Schädler ZRP 2000, 466, 467 f.
[18] Kett-Straub/Kudlich, Sanktionenrecht, 2. Aufl. 2021, § 7 Rn. 5.
[19] Nur mindestens eine Stunde pro Monat gewähren die Landesstrafvollzugsgesetze Besuch. Ist es organisatorisch möglich, erlauben allerdings manche Anstalten häufigere Besuche. Langzeitbesuche wie in § 26 IV HmbStVollzG sind in den meisten Bundesländern nicht vorgesehen.
[20] 2022 betrugen bspw. in Baden-Württemberg die Kosten eines Gefangenen je Hafttag einschließlich Bauinvestitionen 180,46 €. Diese Kosten liegen nach Angabe des Landesjustizministeriums unterhalb des Durchschnittswertes aller Bundesländer, vgl. https://www.justiz-bw.de/,Lde/Startseite/Justiz/datenundfakten#anker6181003.
[21] BVerfG NJW 2023, 2405.
[22] https://www.uni-goettingen.de/de/document/download/ef86549f51526ea61aeefc22edc66f4c.pdf/RF_Bericht_2020_Version_Feb21.pdf.
[23] Streng, Strafrechtliche Sanktionen, 3. Aufl. 2012, Rn. 150, 326 ff.
[24] Bei Taten mit bereicherungsrechtlichem Hintergrund erlaubt § 41 StGB eine Kombination der Hauptstrafen, um gezielter auf den Täter einwirken zu können. Die Vorschrift begründet aber keine Strafrahmenerweiterung, daher ist auf die Schuldangemessenheit der Strafe besonders zu achten.
[25] Strafverfolgungsstatistik des Statistischen Bundesamtes, 2022, S. 96, online verfügbar unter https://www.destatis.de/DE/Themen/Staat/Justiz-Rechtspflege/Publikationen/Downloads-Strafverfolgung-Strafvollzug/strafverfolgung-2100300217004.pdf?__blob=publicationFile.
[26] Früher war die Begleichung der Strafe durch Dritte sogar als Strafvereitelung nach § 258 II StGB geahndet worden. Diese Rspr. ist mit BGHSt 37, 226 = NJW 1991, 990 aufgegeben worden.
[27] Schöch, Gutachten am 59. Deutschen Juristentag, 1992, S. 116 f., online verfügbar unter: https://epub.ub.uni-muenchen.de/6556/1/6556.pdf.
[28] Gesetz zur effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des Strafverfahrens v. 17.8.2021, BGBl. I. 3202; Krumm NJW 2018, 1738; Schöch NStZ 2018, 15.
[29] Aus der Strafverfolgungsstatistik 2021 ergibt sich, dass 29.572 Verurteilte neben ihrer Hauptstrafe zusätzlich mit einem Fahrverbot belegt wurden. Davon handelte es sich in 5.672 Fällen um Straftaten ohne Verkehrsbezug, vgl. Strafverfolgungsstatistik des Statistischen Bundesamtes, 2022, S. 364.
[30] Abschlussbericht der Bund-Länder-Arbeitsgruppe, Prüfung alternativer Sanktionsmöglichkeiten – Vermeidung von Ersatzfreiheitsstrafen gemäß § 43 StGB, 2019, S. 141.
[31] Bögelein/Glaubitz/Neumann/Kamieth MSchrKrim 2019, 282.
[32] 2020 wurden in Bayern 39.575 Hafttage vermieden, Drs. des Bay. Landtags 18/21495 v. 16.5.2022, S. 12.
[33] Abschlussbericht der Bund-Länder-Arbeitsgruppe, Prüfung alternativer Sanktionsmöglichkeiten – Vermeidung von Ersatzfreiheitsstrafen gemäß § 43 StGB, 2019, S. 49.
[34] Flankierend hierzu sollte zum 1.10.2023 der Umrechnungsschlüssel für die Ersatzfreiheitsstrafe verändert werden; vgl. Gesetz zur Überarbeitung des Sanktionenrechts BGBl. 2023 I Nr. 203 v. 2.8.2023. Ein Tagessatz der Geldstrafe soll künftig zwei Tage einer Ersatzfreiheitsstrafe entsprechen, so dass deren Länge halbiert wird. Indes wurde die Halbierung kurzfristig auf 2024 verschoben, da offenbar die notwendige Umstellung der Computersysteme in den Ländern noch nicht bewerkstelligt ist.
[35] Vgl. zu den ersten hierzulande geführten Diskussionen: Schlömer, Der elektronisch überwachte Hausarrest: Eine Untersuchung der ausländischen Erfahrungen und der Anwendbarkeit in der Bundesrepublik Deutschland, 1998; Wittstamm, Elektronischer Hausarrest?: Zur Anwendbarkeit eines amerikanischen Sanktionsmodells in Deutschland, 1999; Schneider, Electronic Monitoring: Alternativer Strafvollzug oder Alternative zum Strafvollzug?, 2003; Illert, Aspekte einer Implementierung des elektronisch überwachten Hausarrests in das deutsche Recht, 2005.
[36] Die Kosten pro Proband und Tag einschließlich der Personalkosten betrugen beim Modellprojekt in Hessen 2018 94,22 €, vgl. Abschlussbericht der Bund-Länder-Arbeitsgruppe, Prüfung alternativer Sanktionsmöglichkeiten – Vermeidung von Ersatzfreiheitsstrafen gemäß § 43 StGB, 2019, S. 148.
[37] Vgl. Begründung des Gesetzentwurfes der Bundesregierung zur Überarbeitung des Sanktionenrechts, BT-Drs. 20/5913, S. 20 ff. Daher wurde die Therapieweisung nun ausdrücklich in § 56c II Nr. 6 StGB aufgenommen.
[38] Im Abschlussbericht der Bund-Länder-Arbeitsgruppe, Prüfung alternativer Sanktionsmöglichkeiten – Vermeidung von Ersatzfreiheitsstrafen gemäß § 43 StGB, 2019, S. 152, hält man dagegen nur eine Dauer von wenigen Monaten bis maximal 10 Monate zumutbar.
[39] Vgl. zu diesen Begrifflichkeiten Hochmayr NStZ 2013, 13, 16.
[40] Aus diesem Grund plädiert Hochmayr auch dafür den elektronischen Hausarrest wie in Österreich als Vollzugsform und nicht als selbstständige Strafart zu etablieren, NStZ 2013, 13, 18.
[41] KG StV 2015, 707: „Der Vollzug der Strafhaft unter täglichem Einschluss von 23 Stunden ohne Ausbildungs- oder Arbeitsmöglichkeiten, ohne Gruppenangebote im weiteren Sinne und ohne jeden sozialen Austausch widerspricht den gesetzlichen Vollzugszielen in eklatanter Weise und verhindert jede Form der Resozialisierung. Er verletzt den Gefangenen in seiner Menschenwürde und macht ihn zum Objekt staatlichen Handelns“.
[42] Würde er die Arbeitsstelle später verlieren, wäre es Aufgabe der zuständigen Betreuungspersonen ihn bei der Arbeitssuche bzw. Wohnungssuche zu unterstützen, falls sich herausstellt, dass sich das gemeinsame Leben mit den Angehörigen nicht konfliktfrei umsetzen lässt.
[43] Abschlussbericht der Bund-Länder-Arbeitsgruppe, Prüfung alternativer Sanktionsmöglichkeiten – Vermeidung von Ersatzfreiheitsstrafen gemäß § 43 StGB, 2019, S. 158.
[44] Streng, Strafrechtliche Sanktionen, Rn. 527.
[45] Diesbezüglich sind verschiedene Methoden möglich. So werden im Bedarfsfall in den USA und anderen Ländern (z.B. in den Niederlanden im Modellversuch) die Fußfesseln mit einer Funktion zur transdermalen Alkohol- und inzwischen auch Drogenüberwachung ausgestattet. Sensoren messen Alkohol im Schweiß auf der Haut des Probanden und melden die Ergebnisse an die Überwachungszentrale, Robertson/Vanlaar/Simpson, Continuous Transdermal Alcohol Monitoring: A Primer for Criminal Justice Professionals, 2007, online unter: https://www.scramsystems.com/wp-content/uploads/2020/06/TIRF-cam-primer.pdf.
[46] Abschlussbericht der Bund-Länder-Arbeitsgruppe, Prüfung alternativer Sanktionsmöglichkeiten – Vermeidung von Ersatzfreiheitsstrafen gemäß § 43 StGB, 2019, S. 158.
[47] Der GÜL (Gemeinsame elektronische Überwachungsstelle der Länder), die durch Staatsvertrag 2011 gegründet wurde, sind inzwischen alle Bundesländer beigetreten. Die GÜL hat aktuell ihren Sitz im hessischen Weiterstadt. In einem Nebengebäude einer JVA sind derzeit 17 Personen rund um die Uhr mit der Überwachung der Probanden beschäftigt. Vgl. Infoblatt des Hessischen Ministerium der Justiz (Stand Juni 2021), online verfügbar unter: https://justizministerium.hessen.de/sites/justizministerium.hessen.de/files/2021-08/infoblatt_eaue_juni_2021_bf.pdf.
[48] BVerfG NStZ 2021, 348 = BVerfGE 156, 63; Kinzig NStZ 2021, 467, 473: „Dass die Anfertigung einer derartigen validen Evaluation kein leichtes Unterfangen sein dürfte, steht dabei auf einem anderen Blatt“.
[49] Hochmayr NStZ 2013, 13, 15; abl. BGH NJW 1998, 767 (keine Anrechnung von in Italien verhängtem Hausarrest); LG Frankfurt a. M. NJW 2001, 697.